Venetien - Von Venedig bis Verona - Von prickelnd bis kraftvoll

Die Heimat des Prosecco Conegliano-Valdobbiadene, vom Soave und dem Rotwein Amarone della Valpolicella

Weltberühmte Städte wie Venedig und Verona, traumhafte Lagunenlandschaften, faszinierende Kulturdenkmäler, erhabene Dolomitengipfel und der bezaubernde Gardasee − was das facettenreiche Veneto zu bieten hat, ist schon ganz großes Kino. Daneben bietet diese beneidenswert fruchtbare Region auch eine Reihe bemerkenswerter Weine − vom spritzigen Prosecco bis zum vollmundigen Amarone. 

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Es lässt sich gut leben in Verona

Glück muss man haben, um einen Platz auf der Terrasse von Giovanni Ranas edler Trattoria Tre Corone zu ergattern. Bei Italiens Nudelkönig kommt man in den Genuss von köstlicher, frisch gemachter Pasta wie den schon legendären Tortellini, deren reichhaltige Füllung nur von hauchdünnem Teig umgeben ist. Dazu ein Gläschen des am Gardasee nahe von Verona wachsenden herrlich fruchtigen Bardolino oder einen anderen Tropfen aus der grandiosen Auswahl von Weinen aus dem Veneto - wunderbar! Und als wäre es nicht damit schon genug, sitzt man auch noch auf der Piazza Brà und damit auf einem der Logenplätze für das kleine Spektakel vor dem noch folgenden Größeren. 

Vom Gladiatorenkampf zur Oper

Am späten Nachmittag strömen Menschen aus aller Herren Länder auf der weitläufigen Piazza in der malerischen Altstadt von Verona zusammen. Die einen suchen sich unter den hohen Bäumen am plätschernden Brunnen ein schattiges Plätzchen. Die anderen zücken zum hundertsten Mal die Kamera, um jeden Winkel der vielen historischen Bauten rund um den Platz festzuhalten. Einige suchen mit verzweifelten Blicken nach einem Schwarzhändler, der noch Opernkarten für die Vorstellung am Abend in petto hat. Nach und nach versammeln sich Tausende vor der Arena di Verona. Das mächtige römische Amphitheater wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. erbaut, um das Volk mit Brot und Spielen zu unterhalten. Mehr als 25.000 Menschen ergötzten sich damals an Gladiatorenkämpfen; heute stehen in den Sommermonaten Opern auf dem Programm.

Ein Picknick in der Arena

Rotweinflaschen, Käse, Schinken, Brot, Trauben und Melonen werden aus den Kühltaschen gezogen. Und dann macht man es sich auf den mitgebrachten Sitzkissen gemütlich, tafelt vergnügt wie bei einem Picknick auf der grünen Wiese, tauscht den eigenen Käse gegen die Salami der Nachbarn, reicht die Flaschen herum, palavert, liest Zeitung, studiert das Libretto, steigt die antiken Stufen hoch bis an den Rand der Arena und genießt die Panorama-Aussicht über die Stadt. Oben in der Arena ist schon fröhliche Volksfeststimmung, wenn im  Orchestergraben noch nicht mal die Notenständer aufgebaut sind. Und auch die teuren nummerierten Plätze unten füllen sich nur langsam. Aber gegen neun Uhr ist alles da, wo es hingehört: Die „bessere Gesellschaft“ in Frack und Abendkleid sitzt auf ihren Plätzen, das Orchester auf den seinen, die Sterne glitzern am dunklen Himmel. Das Licht geht aus, Tausende von mitgebrachten kleinen Kerzen werden entzündet.

Ganz großes Kino

Die sensationelle Akustik, die grandiosen Solisten, die prächtigen Kostüme, die opulente Kulisse, die riesigen Chöre, die Masse an Statisten – Oper in der Arena von Verona ist ein unvergleichliches Open-Air-Spektakel. Egal ob Wagner, Bizet oder Verdi, es ist eine völlig neue Dimension des Operngenusses. Eine Flut an Ovationen schwappt nach jeder Arie durch die Arena. Brava, bravi! Da capo! Zugaben gibt es mitten in der Aufführung. Immer wieder unterbricht der Dirigent, lässt die Arien wiederholen. Und bei der Arie des Gefangenenchors von Verdis Oper Nabucco, der heimlichen Nationalhymne Italiens, singen alle mit. „Va’, pensiero, sull’ali dorate …“ (Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht …), aus 20.000 Kehlen mit Inbrunst vorgetragen, das ist atemberaubend. Ganz großes Kino!

Romeo und Julia

In Verona kann man sich verlieben. Nicht nur der Oper wegen. Sie ist ja nur ein Beispiel dafür, wie fließend in dieser bildschönen Stadt die Grenzen zwischen Geschichte und Gegenwart sind. Auch wenn die Veroneser, umgeben von imposanten Relikten aus der Römerzeit, gotischen Monumentalbauten, mächtigen Burgen der Skaliger, malerischen Palazzi aus der Renaissance und kunstvollen Kirchenbauten, wie in einem Freilichtmuseum leben, sie sind ein modernes, weltoffenes und auch heiteres Völkchen. Und sie haben ein Händchen fürs Business. Das zeigen sie auch bei der Vermarktung von Romeo und Julia, Veronas berühmtem Liebespaar. Alljährlich strömen Zigtausende in das schmucke Städtchen an der Etsch, um die Schauplätze der tragischen Romanze zu besichtigen. Das Paar ist freilich reine Fiktion und stammt aus der Feder von William Shakespeare.

Business und Wein

Verona kann aber noch mehr. Es ist nach Mailand und Bologna die bedeutendste Messestadt Italiens. So findet in jedem Frühjahr die Vinitaly statt, das Ereignis für die Weinbranche. Rund 4.000 Aussteller präsentieren zigtausend Weine. Fast jeder dritte Besucher kommt aus dem Ausland, darunter 2.500 Journalisten aus aller Welt. Was die Vinitaly von anderen Messen abhebt, ist ihr Glamour-Faktor. Bestimmen anderswo graue Anzüge und ernstes Business das Bild, lassen es sich viele Aussteller der Vinitaly nicht nehmen, ihre Weine mit gutem Essen zu kombinieren. Und anders als bei vergleichbaren Weinmessen tummeln sich unter den rund 150.000 Besuchern auch Privatmenschen, die irgendwie von ihrem Hauswinzer oder Weinhändler eine Einladung bekommen haben.

Benetton & Co

Verona ist die Eingangspforte zum Veneto, das sich im Nordosten Italiens von den Dolomiten bis zur Po-Ebene erstreckt. Der Veneto war lange bettelarm. Noch bis Anfang der siebziger Jahre wanderten Millionen Menschen aus, heute strotzt Venetien vor Wirtschaftskraft. Namen wie Aprilia, Elektrolux und Benetton sind hier zu Hause. Das meiste Geld spült aber der Tourismus ins Land, und auch die Landwirtschaft hat einen hohen Stellenwert, nicht zuletzt, weil Venetien zu den bedeutenden Weinregionen Italiens gehört. Von Prosecco über Soave und Valpolicella bis Amarone reicht die Palette der weltbekannten Weine.

Wie ein blaues Juwel

Nördlich von Verona liegt der Gardasee wie ein blaues Juwel inmitten einer hinreißenden Landschaft, die von Alpenpanoramen und Grüntönen dominiert wird. Das kleine Meer am Fuß der Alpen, wie der Gardasee auch genannt wird, teilen sich drei Provinzen. Im Norden gehört der See zum Trentino, im Westen zur Lombardei und im Osten zu Venetien. Riviera degli Ulivi, Oliven-Riviera, nennt man diesen östlichen Teil des größten Sees Italiens. Das milde, fast schon mediterrane Seeklima lässt hier Olivenbäume gedeihen, überall flirren deren silbrige Blätter im Sonnenlicht. 

Dolomiten laden ein zum Gipfeltreffen

Aber auch östlich Veronas wartet mit dem Weinanbaugebiet Soave eine landschaftliche Perle. Hier ragt das üppig mit Zinnen bekränzte Kastell des mittelalterlichen Städtchens Soave aus einer weitläufigen, fast ebenen Rebenlandschaft hervor. Im Nordosten Venetiens laden die weißen Zacken der Dolomiten zum Gipfeltreffen. Im Sommer erzeugen die 3000er, die aus grünen Tälern ragen, bei Wanderern und Bergsteigern Hochgefühle. Im Winter wedeln die Skifahrer über die Pisten, und abends trifft man sich mit der italienischen High Society zum Après-Ski in den Bars von Cortina d’Ampezzo. Da dürfte dann auch der Prosecco in Strömen fließen, denn seine Heimat Conegliano-Valdobbiadene liegt nicht weit entfernt am Fuße der Berge.

Verlockende Lagunen

Im Po-Delta, wo Italiens längster Fluss ins Mittelmeer fließt, zeigt sich Venetien von einer ganz anderen und ganz stillen Seite. Sandige Meeresbuchten, mäandernde Flussarme, schnurgerade Kanäle, glitzernde Fischteiche, schmale Dämme, Lagunen voller Muscheln und eine schier endlose Schilflandschaft voller Vögel bestimmen das riesige Feuchtgebiet. Hier spielen der Mensch und seine kleinen Siedlungen nur untergeordnete Rollen, hier herrscht der Rhythmus der Gezeiten. 
Wer es quirliger braucht: Nicht weit entfernt locken die feinen goldgelben Strände der Adriaküste zum dolce vita. Alleine im beliebten Seebad Jesolo aalen sich Tausende von Sonnenanbetern in den in Reih und Glied stehenden Liegestühlen. 

Venedig sehen und sterben?

Die weltbekannte Lagunenstadt ist die Attraktion von Venetien und eines der kulturellen Highlights ganz Italiens. Wie oft wurde der morbide Charme Venedigs schon beschrieben, wie oft der Canale Grande, die verwinkelten Kanäle und romantischen Gassen besungen, wie oft die 400 Brücken, die Piazza San Marco und die Gondeln gemalt, fotografiert und gefilmt? Ja, Venedig ist faszinierend, es erfüllt alle Klischees mit links, aber braucht man es wirklich, mit Tausenden auf dem Markusplatz zu stehen und die Tauben zu füttern? Braucht man eine verträumte Gondelfahrt vorbei an den bröckelnden Fassanden der prachtvollen Paläste, ein überteuertes Mahl mit Blick auf die romantisch illuminierte Rialto- Brücke, die Besichtigung des Dogenpalasts im touristischen Bienenschwarm? Ja, das braucht man, unbedingt.
Vielleicht aber ist Venedig nicht dann am schönsten, wenn es sich in Vollmondnächten von seiner romantischsten Seite zeigt, sondern dann, wenn es sich für den Alltag rüstet. Am frühen Morgen, wenn sich im Morgennebel die Gondeln voller Gemüse durch das Labyrinth der Kanäle schieben, Händler Meeresgetier aus Kühljollen verkaufen, Müllboote von einem Anlegesteg zum anderen tuckern und die Fähren voll sind mit ganz „normalen“ Menschen auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz.

Teures Ess-Vergnügen

In einer bacari, einer der simplen Weinstuben in den schmalen, maroden Gassen jenseits der Touristenströme, treffen sich die Venezianer auf einen Schwatz, genießen cicchetti, Kleinigkeiten wie frittierte Tintenfischchen, eingelegte Sardinen, Fleischbällchen in Sauce oder tramezzini aus der Vitrine, trinken dazu eine ombra (wörtlich: Schatten), ein Schlückchen Wein. Um ausgiebiger zu tafeln, ist Venedig vielleicht nicht die allererste Adresse. Nicht, weil es die venezianischen Köche nicht drauf hätten, sondern weil man den Gästen für ein Mahl gerne besonders tief in Tasche greift. Um die Küche des Veneto kennen zu lernen, ist man in anderen Städten und den pittoresken Dörfern besser aufgehoben.

Vittorio Carpaccio war der Namensgeber

Die Basis der venetischen Küche sind Reis, Polenta, Bohnen und Stockfisch. Dies wird ergänzt um regionale Spezialitäten wie Radicchio aus Treviso, Spargel von Bassano del Grappa, Wurzelsellerie aus Verona, Wild aus den Bergen, Süßwasserfische vom Gardasee und die in den flachen Lagunengewässern gezüchteten Mies- und Herzmuscheln, um nur einiges zu nennen. Zu den bekannten Gerichten der venetischen Küche gehören die fegato alla veneziana, die Kalbsleber mit Zwiebeln, und das Erbsenrisotto risi e bisi. Weniger bekannt ist, dass das carpaccio aus Venedig stammt. Das wurde nämlich um 1950 in Harry’s Bar vom Inhaber Giuseppe Cipriani erfunden, der es nach dem Renaissance-Maler Vittorio Carpaccio benannte, der für seine leuchtenden Rottöne berühmt war. (Angelika Arians-Derix)

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