Ein Moser für Kaltern! Quintessenz ist das neue Zauberwort!

Die Erfolge der Kellerei Kaltern sorgen bei den kritischen Weinbauern für gute Stimmung.

Der Mann stand 2014 vor einer Herkulesaufgabe! Gemeint ist Andrea Moser, gebürtiger Trentiner, der in Südtirol die größte Genossenschaft des Landes als verantwortlicher Weinmacher in eine prosperierende Zukunft führen sollte. Es galt einige hundert Weinbauern von der eingeschlagenen Strategie der Aufwertung der Lagen und Weine zu überzeugen und zu einen. Kein Südtiroler, sondern ein Mann aus dem benachbarten Trentino, der bei Vie de Romans im Friaul und fast 9 Jahre bei Franz Haas in Südtirol gearbeitet hatte. Das Ergebnis mutet heute fast wie ein Märchen an, doch ist es ganz sicher keins. Im Jahre 2021 wird die Kellerei Kaltern in den einschlägigen Online-Portalen auf einer Stufe mit der Kellerei Terlan oder St. Michael-Eppan gehandelt - auch dank Quintessenz!

Ich besuchte im März 2021 den Ort und die Kellerei Kaltern, um die Fortschritte in Wort und Bild zu dokumentieren. Um die Weine beim Mittagessen auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und dem Kellermeister Moser und Vertriebsleiter Fischer, der zuvor im Keller der fusionierten Erste+Neue arbeitete, auf den Zahn zu fühlen.

Die Geburt von Quintessenz

In ganz Kaltern und den umliegenden Weinbergen des Ortes spielt der Rotwein Kalterersee eine herausgehobene Rolle, das ist unbestritten. Mittlerweile existiert die Kalterersee Charta für hochwertigen Vernatsch-Rotwein bereits 10 Jahre! Doch daneben besteht zweifelsohne genug Raum für Andrea Moser, sich ebenso mit den Südtiroler Paradesorten Weißburgunder und Sauvignon blanc zu profilieren. Das geschieht in der Quintessenz-Toplinie seit dem Start im Jahre 2016 und in der bewährten und bekannten Selektionslinie mit den Weinen Vial bzw. Stern. Übrigens haben die Verantwortlichen für die neue Weinlinie Quintessenz neben den erwähnten drei Rebsorten noch den Cabernet auserwählt, der in Kaltern eine wichtigere Position als im restlichen Südtirol einnimmt. Mit dem betörenden Goldmuskateller, der als Süßwein in kleinen Mengen produziert wird, wird der Kreis der 5 Quintessenz-Rebsorten komplettiert.
Wie wohl sich Moser derzeit in seiner Haut fühlt, das zeigt er uns selbstbewusst auf unserer Fototour durch die Gemarkung. Wir stoppen am Marktplatz in Kaltern, machen in der ausgezeichneten Lage Barleith oberhalb des Kalterer Sees Halt, wo wir natürlich einen Weinbauern bei der seriösen Weinbergsarbeit treffen, und steuern natürlich auch den See an, das Wahrzeichen des Ortes. Für mich hat in der Riege der Naturschönheiten Kalterns und Südtirols der gigantische Sequoia-Mammutbaum am Dorf-Spielplatz im Herzen des Ortes mehr Beachtung verdient... doch die Arbeit ruft! Das gemeinsame Mittagessen findet im Winecenter statt, da die Restaurants bedauerlicherweise noch geschlossen sind. Doch zaubert Arnold Kemenater, Pächter und Chef vom Restaurant Ritterhof in Kaltern, auch in der kleinen Küche zu den Weinen regional- und Jahreszeiten-typische Gerichte.

Magier der Weißweine

Zum Aperitif reicht Moser vorab seinen Extra Brut mit spürbarem Blauburgunder-Anteil, der erst Ende des Jahres auf den Markt kommen wird. Es ist sehr überzeugend, wie es Moser bei dem sehr großen Sortiment an Rebsorten und Weinlinien in wenigen Jahren geschafft hat, dem Ganzen seinen Stempel aufzudrücken. Er habe sogar noch Zeit für eigene, kleine Wein-Experimente, wie Wein aus Keramikfässern bzw. einen Blauburgunder, ganz ohne Holzeinsatz. Bereits nach wenigen Jahren schätzen die Genossen ihren Kellermeister; ein wichtiger Faktor für die Zusammenarbeit aller, zumal solch ein verantwortungsvoller Job in Südtirol auf Lebzeit ausgelegt ist. Wer den Südtiroler kennt, der weiß, wie groß der Aufschrei war, als man keinen Einheimischen für den Job verpflichtete...

Doch wenden wir uns wieder den Weinen zu: Andrea Moser baut die Weißweine der Selektionslinien gekonnt im großen Holzfass aus. So reift auch der Weißburgunder Vial zu einem Großteil darin, was jedoch kaum spürbar ist, weil die typische blumig-duftige Frucht gepaart mit der Rasse der mineralischen Böden und dem kraftvollen Körper in Harmonie stehen (2019er). 
Der Weißburgunder Quintessenz 2018 ist eine Stufe tiefgründiger. Er wird zu 100% im großen Holz ausgebaut, doch ist auch hier das Holztannin in feiner Balance mit der intensiven, kräutrig-duftigen Weißburgunderfrucht. Sowohl die Mineralität des Terroirs und als auch der Holzausbau besitzen genügend Raum und kommen sich nicht in die Quere. Reine Geschmackssache ist es dann schließlich, welcher Wein zu den Kartoffelteigtaschen mit Spargelfrischkäsefüllung in Buttersoße die Nase vorn hat.
Als Nächstes verkosten wir den feinen, weißen Spargel, der aufgrund des frühen Zeitpunktes noch aus Verona geliefert wurde, mit der klassischen Bozner Soße und gekochtem Bauernschinken zu den Sauvignon blanc-Weinen Stern 2019 und Quintessenz 2018; beide herrlich animierend im Geschmack. Ich erfahre, dass der im Weinberg mitunter sehr kapriziöse Sauvignon blanc eine Lieblingssorte von Moser ist, mit dem er noch einige Preise gewinnen möchte. Der Kellermeister setzt darauf, seine Weine so lange wie möglich ohne Schwefel auszubauen. Dies fördere die typischen Fruchtmarker der jeweiligen Rebsorte: Beim Weißburgunder sind es duftige Weißdorn-Blüten und Anklänge von Feuerstein, beim Sauvignon blanc dagegen die typische Holunderblüte und Anklänge von Salbeiblättern. Moser ist es wichtig, dass seine Weine ausdrucksstark und gleichzeitig (für Südtirol) moderat im Alkohol ausfallen. Maximal 13.5 Vol% strebt er an - eine große Herausforderung für alle Weinmacher.

Kalterersee vom Feinsten

Unser letztes Paar bringt uns zu einer meiner Lieblingsrebsorten, dem Vernatsch, hier als Selektionslinie Leuchtenberg und in der Quintessenz-Kategorie (beide 2019er). Die Weine sind Kalterersee Classico Superiore-Weine, die zudem nach den streng gefassten Charta-Richtlinien erzeugt werden. Diese Intensität der Aromen durch Auswahl bester Trauben ist spürbar und zum marinierten Rindstartar des Südtiroler Rinds vom Ritten sind beide Weine eine gute Wahl. Es gäbe noch zig andere fantasievolle Speisenkombinationen für den typischen, eindringlichen und doch leichten Rotwein Südtirols als die anerkannte Speck-Variante, obwohl ein guter Südtiroler Speck mit einem Vinschgauer oder Schüttelbrot als Begleiter nie zu verachten ist.

Was verbirgt sich nun genau hinter dem Begriff "Quintessenz"? Natürlich haben die Kalterer Genossen das Rad nicht neu erfunden. Es ist - wie aus anderen Betrieben bekannt - ein Qualitätsprojekt der engagiertesten Mitglieder, die nach strengen Vorschriften den Weinberg bearbeiten, umso Jahr für Jahr die beste Traubenqualität zu garantieren. Moser und das Team wählen dabei zu vorderst die geeigneten Lagen und Sorten aus, denn die Bodenzusammensetzung und Rebsortenklone müssen zu einander passen. Nur so entstehen solche Kunst- wie Meisterwerke, wie die Quintessenz-Weine: wenn Mensch und Natur sich zu einem größeren Ganzen verbinden. 
Der Südtiroler Weinbauer mag ein sturer Mensch sein, aber wenn er etwas verinnerlicht hat, dann kennt er weder Feiertag noch -abend. Weil es darum geht, dem Nachbarn zu beweisen, dass man es besser macht, und kein Faulenzer ist. Andrea Moser ist in Südtirol und in Kaltern angekommen, und das vorgefundene Potenzial sei riesig, denn bislang sind lediglich rund 25 ha Weinberge unter dem Dach des Quintessenz-Projektes vereint. Es gibt also noch viel Luft nach oben!

Kaltern in Kürze - Einzige Genossenschaft in Kaltern

Großes Lagenpotenzial am Kalterer See
Klassik-Linie – Selektions-Linie – Quintessenz
Hauptsorten: Sauvignon blanc, Weißburgunder, Vernatsch
ebenfalls wichtig: Cabernet, Blauburgunder, Chardonnay, Pinot Grigio
Präsident: Christian Sinn
Kellermeister : Andreas Moser (ab 2014)
Weinbauern: 650 Mitglieder mit 450 ha Rebfläche

Tipps aus erster Hand:
Übernachtung/Hotel: Seehotel Ambach, Gius La Residenza, Das Wanda, Hasslhof
Restaurants: Seehofkeller, La Nonnaglück (Brunch), Panholzer, Ritterhof

Partner in Deutschland - www.schlumberger.de 

Weingutsprofil (pdf) von Kaltern, Mai 2021

Foto unten: Blick von der Weinbergslage Barleith in Kaltern auf den Kalterersee und die Leuchtenburgruine.