Lugana 2022 – Tiefschürfendes von einem Speed-Dating

Bestandsaufnahme der angesagten Weißweinregion am Gardasee

Foto oben: Detailkarte mit den Weinbergen und Weingütern des Anbaugebietes von Masnaghetti 

Bestandsaufnahme im Lugana in 1,5 Tagen ist ein strammer Ritt, doch nach meinen Besuchen in den vergangenen Jahren war es die willkommene Auffrischung und ein spannendes Aufspüren der Neuigkeiten und Veränderungen der letzten 3 - 5 Jahre. Die Weltlage ist für alle gleichermaßen bedrückend, umso mehr war es eine große Freude zu sehen, was alles vorangeht, die Winzer zu sprechen und die Weine zu verkosten. 
Die konkrete Fragestellung meiner Stippvisite: Hat sich das Geschmacksbild des Lugana verändert? Was sind die Trends? Erhellende Antworten lieferten die spontan organisierten Besuche bei Pietro Pilandro, Luca Formentini von Selva Capuzza und Fabio Zenato von Le Morette sowie die Kurzbesuche bei Cò de Fer, La Rifra, Ca Maiol, Zenato, Ca Lojera, Tenuta Roveglia und Ottella, die alle die Vielfalt und die Faszination des Themas Lugana vor Augen führten.

Trends und Trendiges 

Lugana ist ein geografisch kleines Gebiet und einen Großteil der Winzer erreicht man vom Hotel in Peschiera am Gardasee innerhalb von 10 - 15 min mit dem Auto. Dies allein ist bereits ein großer Pluspunkt für den Lugana, wenn man diesen Aspekt mit anderen Anbaugebieten vergleicht. Vor allem anderen ist es natürlich ein bemerkenswerter Weißwein aus Italien! Der Name stammt übrigens von einer Kapelle im Ortsteil Santa Maria di Lugana bei Sirmione.
Weißweinfans kommen voll auf ihre Kosten, weil die Rebsorte Turbiana bzw. Trebbiano di Lugana auf den Böden des Anbaugebietes charaktervolle Weine hervorbringt, facettenreich und langlebig. Eine genetische Verwandtschaft zur Rebsorte Verdicchio in den Marken wird diskutiert. Und mit Trebbiano di Soave sei die Rebsorte genetisch identisch,
Die Komplexität und „Grandezza“ der Rebsorte kann leicht übersehen werden, weil die Weine so populär sind. Zudem dass die Winzer rasch ausverkauft sind und sie die Weine schon im März des auf die Ernte folgenden Jahres in den Handel bringen. 
Doch mehr und mehr Winzer betonen die Einzigartigkeit der Weine durch Selektionsweine und Weinbergsweine, die deutlich später auf den Markt kommen. Zudem erzeugt eine wachsende Zahl der Winzer einen Lugana Riserva, der laut Gesetz frühestens nach 2 Jahren verkauft werden darf. 
Und damit nicht genug, mit dem Metodo Classico Lugana gibt es ein fürs Image wichtiges und derzeit sehr angesagtes Produkt. Es erweitert das hochwertige Angebot der Region mit einer Flaschengärung von mind. 24 bis zu 60 Monaten und liefert einen weiteren Grund, sich mit dem Anbaugebiet und der Rebsorte in dem Terroir auseinanderzusetzen. 

Glücklicherweise sind die 5 Gemeinden des Lugana ein Epizentrum des Gardasee-Tourismus. Deshalb verkaufen die vielen Winzer einen nennenswerten Teil ihrer Weine im eigenen Shop direkt an den Weinliebhaber. Das sorgt für Kundenbindung und verbessert die Gewinnspanne des Winzers, da er keinen Zwischenhändler braucht. In der heutigen Zeit ist dies ist ein weiterer Pluspunkt für ein Anbaugebiet und seine Zukunftsaussichten, so wie es auch in Südtirol oder dem Chianti (Classcio) und Montalcino der Fall ist.
Lugana ist jedoch deutlich kleiner als die beiden Erstgenannten. Mit der Welle des Erfolgs ist die Rebfläche in den letzten 15 Jahren aber deutlich gewachsen und bei rund 2.500 ha angekommen, was in rund 27 Mill. Flaschen pro Jahr mündet. Dieses Wachstum ermöglicht dem Winzer erst seit einigen Jahren die Differenzierung seines Angebotes im Weißweinsegment. Der Raum für Entdeckungen ist also groß, zumal es neben den großen Kellereien und den in den Weinführern ausgezeichneten Kellereien und Weingütern etliche kleine Winzer gibt!

Thema Restzucker und Säure

Entgegen der verbreiteten Meinung sind die allermeisten Weine des aktuellen 2021er Jahrgangs geschmacklich und analytisch trocken. Die verkosteten Weine bewegten sich von 1 bis max. 3,5 g RZ. Bedenkt man, dass die Sorte einen Säuregehalt von 6-7 g/l mitbringt – durchaus vergleichbar mit einem deutschen Weißwein – dann ist dies eine Herausforderung für die Winzer, die Weine in der Balance zu halten. Doch die neue Generation der Lugana-Winzer, die in den letzten 15 Jahren begonnen hat, setzt auf trockene Weißweine. Sie leben es vor, dass es keiner Restsüße von 6-8 g/l (wie es in deutschen Anbaugebieten beim Riesling verbreitet ist) bedarf, um die Weine für ein breites Publikum attraktiver zu machen.  
Was schmeckt bei allen analytischen Werten die Sorte Turbiana? Prägnant und eigenständig! Turbiana ist eine in der Nase eher verhaltene Rebsorte, dafür überzeugt sie am Gaumen mit ihrer präsenten Mineralität und Dichte.

In der Gegend finden sich Schwemmlandböden, Sand, Lehm, Löss und Verwitterungsgestein wie auch im Bianco di Custozza und keine Schieferböden wie an der Mosel oder im Priorat, deshalb ist der Begriff Mineralität ein Stück weit zu relativieren. Mineralität ist beim Lugana eng mit der präsenten Säure der Rebsorte verbunden. Wenn nach einer Ähnlichkeit zu anderen italienischen Rebsorten gesucht wird, dann ist für mich Turbiana - seine einzigartige Säurestruktur mal ausgenommen - mit dem Verdicchio in den Marken (ohne die Bittermandelnote) bzw. dem Vernaccia di San Gimignano in der Toskana (ohne den schlanken Körper) zu vergleichen. 

Dass Lugana so erfolgreich ist, hat verschiedene Gründe: In der Toskana und den Marken liegen die Auszahlungspreise für die Trauben/kg bei Kellereien und die Erlöse der Weine deutlich unter denen der DOC Lugana, weshalb sich dort die Investition in den letzten 15 Jahre in Grenzen gehalten haben. Ganz anders war dies beim Lugana, wo der große Fortschritt in puncto Qualität auch ein Verdienst der steten Investitionen ist. Zudem sind die Menschen in dieser Gegend im Grenzgebiet zwischen der Lombardei und Venetien gute Unternehmer mit Weitblick und Engagement. Begleitet wurde der Erfolg der Winzer von einem Konsortium, in dem das Team seinen Teil dazu beigetragen hat, dass der Erfolg sich in (soweit möglich) geordneten Bahnen vollzogen hat. Die Zukunfts-Prognosen sind gut, zumal die Winzer jetzt erst anfangen, sich die zahlreichen Märkte auf der Welt für den italienischen Wein zu erschließen.