Podere 414 in der Maremma – Morellino, Sangiovese, Flower Power

Die Rotweine schmecken nach der Maremma. Es sind gradlinige und präzise Weine, so wie der Charakter des Weinmachers Simone Castelli.

Podere 414 ist ein anerkannter Spitzenbetrieb für Rotweine der Herkunft Morellino und der Rebsorte Sangiovese in der Toskana. Das Weingut ist eines der wenigen Weingüter aus der Phalanx der 90iger Jahre-Neugründungswelle, das alle Kritiker voll und restlos überzeugt, das nicht auf Bordeaux-Rebsorten und Alltagsweißweine bzw. Rose-Weine setzt. 
Für mich sind die Rotweine von Simone Castelli ein sehr authentischer und echter Ausdruck des Terroirs in Manciano. Über Terroir und Kleinklimata zu reden, mag angesichts der benachbarten, historischen Weinanbaugebiete wie dem Chianti Classico oder dem Brunello di Montalcino etwas ambitioniert klingen, doch Simone kennt die Unterschiede seiner Maremma. Die Maremma sei sehr weitläufig, meint er, und in Scansano oder Magliano würden einfach andere Kleinklimata vorherrschen. 
Zwischen den großen Erzeugern Val delle Rose der Familie Cecchi und der Tenuta Ammiraglia von Frescobaldi liegt das vergleichsweise kleine Anwesen mit der Hausnummer 414. In seinen Räumen wird seit 1999 auf natürliche - biologisch zertifizierte - Weise Wein erzeugt. Nach der Neugestaltung der Etiketten und mit der Einführung des Badilante, seines zweiten Morellino-Weines im Jahr 2016, wird Simone mehr und mehr dem Bild eines echten Leaders in der Maremma gerecht. Mittlerweile hat er mehr als 20 Jahre Erfahrung auf und mit einem Gebiet, das zwar warm ist, aber zweifelsohne seine Tücken hat. Abgerundet wird das überschaubare Sortiment durch einen mazerierten Trebbiano-Weißwein und einen leckeren Rosato aus Sangiovese. 

Podere 414 schmeckt nach der Maremma. Er ist bekömmlich und mit seinen unverwechselbaren Charakter bewegen die Weine den aufmerksamen Weintrinker. Die vielen Fans der Weine von Simone Castelli aus seiner Podere 414 bestätigen dies Jahr für Jahr. Auch wenn der stets zweifelnde  Simone sich immer aufs Neue in Frage stellen muss. Doch wer ihn - wie ich - seit fast 20 Jahren kennt, der weiß, dass der erfahrene Winzer reifer und ruhiger geworden ist und damit einen Weg verfolgt, den seine Weine schon längst beschritten haben.

Morellino di Scansano

Das Etikett spricht Bände: 2018 zeigte es Ihnen den Weg in die Maremma mit dem Slogan TERRA-GENTE-VALORI, was übersetzt so viel wie „Erde/Land-Menschen-Werte“ bedeutet. Simone verkörpert all das, hinterfragt selbstkritisch sein Tun, Jahr für Jahr, lernt dazu und reift, wie seine Weine. 2019 ist es ein Boxkampf, der den täglichen Einsatz und Auseinandersetzung mit der Natur symbolisiert (siehe Katalog im Anhang).
Simone ist ein Perfektionist im positiven Sinne, so konnte sein Morellino-Wein zu einem "Masterpeace" für einen Morellino werden, der für die ganze Region positive Werbung macht. Der Biowein besteht aus viel Sangiovese, der hier Morellino genannt wird, und etwas Ciliegiolo, Colorino, Syrah und Alicante. Alles Rebsorten werden im Zement bzw. französischen Tonneaux- und Barriquefässern vinfiziert und ausgebaut.
Der Morellino wirkt unaufgeregt, schmeichelnd am Gaumen und einladend. Er ist kein starrer Klotz, sondern schwingt frei durch den Mundraum, sanft am Gaumen und entschieden in den Aromen, die zu Beginn im Duft mit würzigen Anklängen von Macchia und Leder an die Rebsorten Alicante und Sarah erinnern. Bestechend sind die Kirschnoten des Sangiovese und des Ciliegiolo. Im Mund dreht sich das Bild dann flugs und die Aromen machen Platz für den schmeichelnden Charakter des Sangiovese mit seinen Veilchen bzw. weißen Blüten und der typischen Beeren-/Kräuteraromatik eines spontanvergorenen Sangiovese. Alle Eindrücke sind in ein sehr stimmiges Gerbstoffgerüst eingebunden. Der Wein besitzt viel Extrakt und keine Restsüße! Das war 2018 so und ist auch 2019 der Fall.

Badilante und Flower Power

Badilante ist u.a. ein Müßiggänger nach getaner Arbeit, bzw. einer, der Pausen macht, und die Arbeit in Einklang mit seiner Natur erledigt. Irgendwie philosophisch und treffend. Der Zweitwein von Podere 414 ist gar kein Zweitwein, er ist dem Morellino ebenbürtig, besitzt die gleiche Stilistik und einen anderen Ausdruck, weil er aus 100% Sangiovese erzeugt wird.
Die Hügel am Weingut sind vorwiegend Lehmböden mit hohem Gesteinsanteil, seine Weinberge iegen im Mittel 230 m über NN. Der Badilante wird wie der Morellino vinifiziert und ausgebaut, d.h. in temperaturkontrollierten Betontanks, mit eigenen Hefen (einem Ansatz aus den Weinbergen von Simone Castelli), mit für die Maremma verhältnismäßig langen Mazerationszeiten auf den Schalen von 15-18 Tagen, mit regelmäßigem Überschwallen und Saftentzug und einer Gärführung zwischen 27-29°C. Der Ausbau erfolgt in kleinen Holzfässern und Zementtanks. 
In der Nase ist der 2019er intensiv, typische Macchiawürze und rote Früchte eingebunden in ein feines Holzaromengerüst. Am Gaumen von mittlerer Struktur, reife und samtige Gerbstoffe, die die Aromen anbinden und Mundraum transportieren. Der Sangiovese von Simone besitzt nicht die rustikale Bauernweinkomponente, die Maremma-Weine leicht erwerben können, sondern glänzt durch seinen noblen Charakter, geschmeidig im Mund und mit einem guten Trinkfluss versehen.

Der Name Flower Power stammt von einem Ausdruck des Dichters Allen Ginsberg aus dem Jahre 1965 und beschreibt die Hippiekultur der Sechziger Jahre… Freiheit und Lebendigkeit eines unbeschwerten, genussvollen Sommers, das ist der Rosato Flower Power, der auch im Herbst und Frühjahr Sonnenstrahlen ins Herz zaubert…
Es ist ein Biowein, bei dem die Trauben sorgfältig ausgewählt wurden und behutsam gekeltert, damit sich der Charakter des Sangiovese von Podere 414 und der Maremma zeigen kann. Der unverfälschte Charakter eines Rosato aus der Maremma ist Frucht, Frucht, Frucht, die sich bei Simones Rosato des Jahrgangs 2020 voll entfaltet, und dazu braucht es keine Restsüße wie bei anderen Rosato-Weinen üblich. Im Glas zeigt sich ein zartes Rosa, wie bei einem modernen Rosè aus der Provence. In der Nase springt einen dann ein intensiver Strauss roter Früchte an, gepaart mit würzigem Blütenduft. Am Gaumen ist der Wein trocken, verhalten mineralisch, reif und saftig. Die besondere Schwingung der Weine von Podere 414 zeigt sich auch im Hippie-Wein des Weingutes, was ja eigentlich überhaupt nicht zum Charakter von Simone passt. Oder gibt es da eine verborgene Seite? Fragen Sie Mara…

Zur Geschichte von Scansano

Scansano ist der Namensgeber einer DOCG, die heute schwer zu fassen ist. Es sind ca. 70 Winzer und 8.000 ha Rebfläche in einem relativ weitläufigen Gebiet. Dabei ist Grosseto die bekannte, eher kleinstädtische Metropole des Anbaugebietes. Es ist eine Region mit sanften Hügeln und relativ großen Höhenunterschieden, angrenzend an den einzigartigen Naturpark der Maremma mit seiner kilometerlangen Pinienwaldküste am Meer und dem Natur-Wahrzeichen des Monte Argentario auf der Halbinsel Orbitello. Im Gegensatz zur historischen DOCG Morellino di Scansano ist die DOC Maremma erst ein paar Jahr alt. Sie ist riesig und schließt Scansano und einen Großteil der Anbaugebiete der Küste mit ein. Weil aber die Maremma ein bekannter und positiv besetzter Begriff ist, erwarten viele, dass die Menge der Weine, die als DOC Maremma rosso abgefüllt werden, rasch steigen wird. Doch voerst will Simone dem Morellino treu bleiben. 

Ein erfolgreicher Vater...

Simone ist der Sohn von Maurizio Castelli, der als beratender Weinmacher im Chianti Classico die Qualitätsrevolution in den Achtzigern mitgestaltet hat (und noch heute tut!). Für den Sohn war das Land zwischen Florenz und Siena oder das Gebiet von Montalcino Ende der Neunziger Jahre bereits unerschwinglich geworden. Also hat sich Simone mit seiner griechischen Frau Mara in der Maremma nahe Grosseto umgeschaut, um seinen Traum eines eigenen Sangiovese-Weingutes zu verwirklichen. Seine Weinphilosophie ist seit Beginn die Gleiche geblieben: Biologischer Anbau mit dem Augenmerk auf gesunde Trauben, was im trocken-heissen Klima der Maremma mit wenig Spritzmitteleinsatz zu realisieren ist. Das Entscheidende in der Stilistik der Weine geschieht im Keller, und es ist keine Manipulation, im Gegenteil. Simones verzichtet auf Edelstahltanks. Dieses Material sorge für die elektrostatische Aufladung der Weine, wie er findet, was den Weinen nicht gut tue. Deshalb setzt er zuerst auf Betontanks, die den Wein zudem wenig Temperaturschwankungen aussetzen, und im Ausbau auf Holzfässer aus französischer Eiche. Selbstverständlich erledigen natürliche Hefen aus dem Weinberg den Job des Vergärung. Das Ganze paart sich mit einem langen Feinhefelager, einer recht späten Schwefelung und einer behutsamen Abfüllung nach grober Filtration. Durch die Begleitung Simones wird die Kraft der südlichen Toskana gebündelt, und auch 14,5 Vol% wirken nie alkoholisch oder unharmonisch. Die Weine besitzen eine Vielfalt an Aromen. Die Sortenprofile von Morellino und etwas „Aleatico“ und Syrah sind fein verwoben mit der Spontangärung und der Macchia mediterranea. Ein perfektes Zusammenspiel! Es macht gar keinen Sinn, diesen Blend in seine Einzelteile zerlegen zu wollen.

Faktencheck Podere 414

Podere 414 ist die Hausnummer des Weingutes, Trauben: Morellino (Synonym für Sangiovese), kleinere Anteile von „Aleatico“, Syrah
Anbaugebiet: Die lehmig-tonige Erde in der Nähe von Scansano und Grosseto im Süden der Toskana, ein Gebiet mit sanften Hügeln, unweit des Naturparks der Maremma
Weinmacher: Simone Castelli, Besitzer: Simone und seine Frau Mara Castelli
Gründungsjahr: 1999, Weinphilosophie: Biologischer Anbau, im Keller nur Beton und Holz, damit Wein nicht elektrostatisch aufgeladen wird, natürliche Hefen, langes Feinhefelager, späte Schwefelung, Abfüllung nach Grobfiltration

Weine und Philosophie - Die Präsentation           Weingutswebseite