Der 2018er Brunello Jahrgang ist kein WOW!

Federica Schir hat im November 2022 in Montalcino tief ins Glas und die Glaskugel geschaut 

Foto oben: Die neue Kachel mit der Bewertung des jüngsten Jahrgangs wird in Montalcino angebracht.

Das Konsortium des Brunello veranstaltet seit einigen Jahren sein Anteprima im November und nicht mit den anderen Konsortien im darauf folgenden Februar. Damit können nun auch die anderen Weinkritiker die Weine zu der vorgezogenen Zeit verkosten, in der die marktbestimmenden Kritiker Suckling, Parker/Larner bzw. Galloni die Weine in der Regel auf dem Tisch stehen hatten.
Bei der Vorstellung des 2018er Brunello waren 137 der ca. 210 Weingüter des Anbaugebietes anwesend. Die vom Konsortium veröffentlichen Verkaufszahlen und Statistiken sind offen gesagt ein Kauderwelsch, doch lässt sich der Eindruck aus den Gesprächen gewinnen, dass Montalcino nach wie vor eine glückliche Zeit erlebt. Die Weine sind in den wichtigen Märkten Nordamerikas weiterhin gefragt. Auch dank des starken Dollars entwickelten sich die Verkaufspreise - trotz gestiegener Menge des 2018er gegenüber des 2017er - weiter nach oben. Mit gestiegenen Kosten haben alle Winzer in Italien zu kämpfen, bei einem mittleren Preis von 27 € (Annata, Vigna e Riserva) sollte das in Montalcino am ehesten zu kompensieren sein. 7 Mill. Flaschen verkauft die Region allein in den ersten 9 Monaten des Jahres von den Kategorien. Der Rosso ist nachwievor das Stiefkind und findet kaum Beachtung in der Kommunikation und Produktion. Das ist bedauerlich, aber wohl nicht zu ändern, wenn der Brunello selbst so gefragt ist.

Zwei Lager trennen sich immer weiter voneinander: Diejenigen Winzer mit gutem Namen (und hohen Bewertungen), die die Preise diktieren können (etliche jenseits der 50 €) und diejenigen Winzer, bei denen der Name Brunello das Zugpferd, der Winzer aber austauschbar ist.

Jahrgang 2018 Brunello di Montalcino

Federica schreibt dazu: Ein sicherlich kleinerer Jahrgang als 2017, der trotz großer Struktur und Körper elegant war. Der 2018er ist schlanker, behält seine Eleganz und Geschmeidigkeit bei, ist aber subtiler. Fast alle verkosteten Weine zeichneten sich durch ihre Frische aus. Weniger alkoholisch und ruppig als der 2017er, zeigen einige Weine mehr Säure und Tannin, das in einigen Fällen schon relativ weit entwickelt ist, d.h. die Weine sind im Gros bereits trinkfertig und das Gegenteil von sperrig.
Die "leichte" Trinkbarkeit, die sich in einem leichten und unmittelbaren Gaumengefühl niederschlägt, eingeführt von blumigen Noten in der Nase.
Aus meiner Sicht ist in diesem Jahrgang in vielen Fällen die Annata Version besser als die Vigna bzw. Selektionsweine. Es zeigt sich - ähnlich wie beim Barolo - dass es in solchen Jahrgängen vielleicht besser ist, sich auf den großen Lagenblend zu konzentrieren. Damit vermeidet man auch die fehlende Tiefe und Komplexität der Selektionsweine, die aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung die Erwartungshaltung dann nicht erfüllen können.

Das Team verkostet pro Tag an die achtzig Brunello-Weine. Unsere Liste dient als Anregung für Entdeckungen bzw. Bestätigung für die gute Arbeit der bekannten Winzer in den letzten 10 Jahren. Die Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. Unfehlbarkeit, was manche Kritiker mit ihren Bewertungen suggerieren mögen. Vielmehr laden wir Sie mit unseren Anregungen zum Ausprobieren und Nachempfinden ein. 

Brunello-Weine aus höheren Lagen meist in Ortsnähe

Le Ragnaie VV - Le Potazzine - Le Fornace - Salvioni - Pietroso

Besonderes Terroir Montosoli und Nachbarschaft

Fattoria del Pino (NEU) - Le Chiuse - Le Ragnaie Casanovina Montosoli - Canalicchio di Sopra
Weitere Weingüter der Gegend: Capanna, Baricci, Pertimali - Livio Sassetti, Siro Pacenti

Warme Lagen bei Castelnuovo dell’Abate und Sant’Angelo in Colle

Sesti - Tenuta Buon Tempo (NEU) - Le Ripi La Magia - Mastrojanni Vigna Loreto
Weitere Weingüter: Poggio di Sotto, Il Poggione, Talenti

Eigenständige Charaktere in mittlerer Höhenlage

La Magia - San Carlo - Cupano
Weitere Weingüter: La Vigna, La Fortuna, Crocedimezzo, Piancornello, Caprili, Mocali, La Gerla, Collemattoni, Costanti, Casisano, Ferrero, Cinelli Colombini, San Polo, Fuligni, Fornacina, Canalicchio, La Fiorita, Lisini, Le Chiuse di Sotto, Cava d’Onice, 

Bio und Biodyn 

Corte Pavone mit seinen Crus Fiore del Vento, Campo Marzio, Fior di Meliloto - Salicutti, Armilla, San Polino, Campi di Fonterenza, Stella di Campalto

Preiswerte Brunello-Weine von größeren Weingütern

Val di Suga/Angelini - Tenute Nardi - Caparzo/Altesino - Col d’Orcia, Camigliano, Tenuta Friggiali, Fattoria dei Barbi, Castelgiocondo/Frescobaldi, Pian delle Vigne/Antinori, Banfi

Ausführliches zu den besten Jahrgängen des Brunello und viel Hintergrundwissen haben wir für Sie in der Artikelsammlung Brunello-Spezial zusammengestellt. Denn das Anbaugebiet in Montalcino beherbergt mehr als 220 Weingüter. Wir kennen nicht alle, aber die uns bekannten Weingüter mit zuverlässiger Qualität über die Jahre finden Sie im Artikel "Weintipps Brunello" mit einer persönlichen Kurzbeschreibung von Steffen Maus.

Selektionsweine, Vigna und Crus

Etliche Winzer erzeugen ihre Brunello-Weine durch einen Verschnitt der "kühleren" Lagen im Nordwesten mit den heißen und trockenen Lagen im Südwesten des kleinen Anbaugebietes. Das macht eine Einordnung ins Terroirkonzept natürlich schwierig. Dennoch ist der Trend zu Weinbergsweinen und Selektionen der besten Parzellen ungebrochen. Bedauerlicherweise (sehr) konnte das Konsortium um Direktor Michele Fontana auch nach mehrmaligem Nachfragen keine Liste der VIGNA-Weine in Montalcino zur Verfügung stellen.

Foto unten: Steffen Maus mit Gigliola von Le Potazzine vor dem Theater in Montalcino im "Theater/casino" während der Preisverleihung und Jahrgangsauszeichnung im Rahmen des Anteprima Brunello.