Exkurs Bioweine in Italien - Wachsendes Interesse an Biodynamie

WEINWELTEN Autorin Rozsika Farkas schreibt zum biologischen Anbau und der Biodynamie

Das Foto zeigt das Wappen vom Weingut Manincor, was übersetzt "Herz in der Hand" bedeutet. Das Weingut in Südtirol am Kalterer See arbeitet seit einigen Jahren biodynamisch. In Sachen Biowein gehört Italien in die Spitzengruppe. Friaul und Südtirol, die Toskana und Sizilien − lauter Hochburgen des Bioweinbaus. Worum geht es da eigentlich?

Bioweinbremse - Die Reblaus ist schuld

Im Einklang mit der Natur bewirtschafteten Europas Weinbauern über Jahrtausende ihre Rebberge. Mineraldünger war noch nicht erfunden, chemische Herbi-, Fungi-, Pesti- und Insektizide ebensowenig. So ging das mehr oder weniger gut – bis 1845. Da nahm das Unglück seinen Lauf, Europas Winzern macht es bis heute zu schaffen. Zur Ladung eines Schiffs, das damals von der amerikanischen Ostküste nach Europa segelte, gehörte nämlich ein heimtückischer Krankheitserreger mit Namen Oidium tuckeri, bekannt als Echter Mehltau. In den Folgejahren ging es Schlag auf Schlag: Nach dem Echten kam der Falsche Mehltau und, Höhepunkt des Schreckens, 1863 die Reblaus, die Europas Reben vernichtete. Mit der Reblaus hat man sich arrangiert, man propft einfach die europäischen Edelreben auf resistente amerikanische Wurzeln. Gegen den Mehltau, der sich bei feuchtem Wetter breitmacht, gibt es noch immer kein zufriedenstellendes Rezept.

Im Weinberg - Kupfer und Schwefel sind die Alternative

Darunter leidet der Bio-Weinbau, denn neben der chemischen Keule, für den Biowinzer tabu, gibt es nur zwei wirksame Mittel: Kupfer und Schwefel, Substanzen, die entschieden weniger Sympathie genießen als niedliche, läusefressende Marienkäferchen. Mehltau ist also die Schwachstelle im Bio-Weinbau. Er trifft allerdings die einzelnen Gebiete in unterschiedlichem Maß. Nur bei Feuchtigkeit droht Gefahr; wo es trocken und windig ist, haben die bösen Pilze keine Chance, dort ist Bio-Weinbau recht unproblematisch. Von daher überrascht es wenig, dass Italien, als der Öko-Anbau in Mode kam, bald die Nase vorn hatte.
Zwar waren die ersten Biowinzer in Deutschland und Frankreich aktiv, Italien folgte aber bald. Es war der nach dem Zweiten Weltkrieg sprunghaft steigende Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft, der die grüne Gegenbewegung provozierte. Öko-Pioniere erfuhren aus einer 1913 von Raoul Francé verfassten Schrift Einzelheiten über "Das Leben im Ackerboden" und beschäftigten sich mit Rudolf Steiners "Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft". Ihr Ziel: nicht jedem Problem mit einer Chemikalie zu Leibe zu rücken, sondern Boden und Pflanze so zu pflegen, dass beide gesund und stark sind und von selbst guten Ertrag – und beste Qualität! – liefern.

Biodynamie - Lieber Brennnessel und Ackerschachtelhalm

Vom ökologisch oder biologisch arbeitenden Betrieb über den biologisch-organischen bis zum biodynamischen reicht heute das Spektrum des naturnahen Weinbaus. Allen gemeinsam ist der Verzicht auf Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel. Weglassen von Gift reicht aber logischerweise nicht. Gegen Schädlinge und Krankheiten soll Sud von Brennnessel oder Ackerschachtelhalm helfen, frischer Mist den Boden nähren. Die konsequenteste Variante ist die Biodynamik, und viele Winzer, die anfangs bloß ein bisschen weniger Gift im Weinberg haben wollten, landen über kurz oder lang dabei.
Es klingt ja schon wie Hokuspokus: Die Rebe wird nicht einfach geschnitten, wenn die Arbeiter gerade Zeit haben oder das Wetter passt – es will auch noch die aktuelle Mondphase berücksichtigt sein. Kein gewöhnlicher Mist düngt den Boden, sondern Hornmist, und der geht so: Man fülle ein Kuhhorn mit Mist und vergrabe es. Im nächsten Frühjahr verrühre man den Inhalt des Horns mit Wasser und versprühe dieses dynamisierte Wasser hauchfein im Weinberg. Hardcore-Vernunftmenschen finden das albern. In der deutschen Wein-Uni Geisenheim setzt man auf Empirie und hat versuchsweise je ein Drittel eines Felds konventionell, biologisch-organisch und bio-dynamisch bearbeitet. Ergebnis: Die mit biodynamischen Präparaten traktierten Böden enthalten mehr Leben, die von dort gelesenen Beeren sind die kleinsten. Klingt schlecht? Von wegen. Kleine Beeren sind besonders widerstandsfähig und haben mehr Geschmack. Vorteil Biodynamik. Unerklärlich? Na und, wenn’s schmeckt …

Biowein gibt es eigentlich gar nicht

So weit, so gut. Doch jetzt die niederschmetternde Botschaft: Biowein gibt es gar nicht. Auf korrekt etikettierten Flaschen heißt es nur „Wein aus biologisch erzeugten Trauben“. Denn was mit den Trauben im Keller zu passieren hat, ist bis jetzt nur unzureichend geregelt. Gentech ist tabu, viel weiter reichen die gesetzlichen Vorschriften nicht, an einer Gesetzesnovelle wird gearbeitet. Die einzelnen Verbände stellen höhere Anforderungen an ihre Mitglieder, am striktesten, wen wundert’s, die Biodynamiker. Der Mond beispielsweise gebietet nicht nur über die Arbeitsweise im Weinberg, seine Phasen bestimmen auch den Rhythmus der Arbeit im Keller. Wann der fertige Wein in die Flasche kommt, ist ebenfalls sonnenklar: bei abnehmendem Mond.

Der Fachmann sagt: Nur stärken und nicht dagegen arbeiten

Helmuth Zozin, Kellermeister im biodynamisch arbeitenden Weingut Manincor in Südtirol, mit einer Handvoll im Kuhhorn gereiften Hornkiesel. Sein Credo: „Man kann die Kräfte der Natur nur stärken und nicht dagegen arbeiten.“ Er stärkt sie, indem er feingemahlenen Bergkristall in ein Kuhhorn packt, monatelang in der Erde liegen lässt und dann mit Wasser verrührt, das er auf die Pflanzen sprüht. Klingt irre? Die Antwort geben die Weine, die besonders bekömmlich und wohltuend sind. Achten Sie mal darauf