Die Destillerie Poli in Schiavon, Venetien - Grappa Kronjuwelen 

Weinwelten Autorin Benigna Mallebrein trinkt "Poli" seit mehr als 30 Jahren, nun hat Sie die Brennerei besucht und gerät ins Schwärmen...

In grossen Lettern steht „Poli Distilleria dal 1898“ auf der Fassade des historischen Steingebäudes in der via Guglielmo Marconi 36 in Schiavon, einem tausend Seelendorf, nicht weit von dem malerischen Ort Bassano del Grappa entfernt. Wir befinden uns in der Region Venetien, berühmt für die Grappa-Produktion. 
Vor Jahren konnte ich im Museumsladen in Bassano del Grappa einen Poli-Grappa erwerben. Schon damals war ich begeistert von den eleganten
 Flaschen mit dem langen, filigranen Hals und dem praktischen Bügelverschluss.  Ein Poli-Grappa ist ein Muss in jeder Hausbar: Der junge, helle und elegante Bassano-Grappa klassisch ist fruchtig, blumig und frisch im Geschmack, als Digestiv sehr bekömmlich. Edel im Aroma der bernsteinfarbene Cleopatra Oro, eine neuere Destillation aus dem Trester des Amarone Weines. Er ist weich samtig, schmeckt nach Trockenfrüchten mit einem Hauch Mandelaroma, ideal zum Genießen und Meditieren. 
Das Familienunternehmen Poli blickt auf eine ergreifenden Erfolgsgeschichte zurück. Der ehemals billige Bauernschnaps, scharf im Geschmack, hergestellt aus einem „Abfallprodukt“ toppen sie zum international anerkannten Kultdestillat. Wie kam es zur Wende? Ein Besuch in Venetien bietet eine Gelegenheit hinter die Kulissen zu schauen und zu erfahren, weshalb es so unterschiedliche Varianten von Grappa gibt. Wollten Sie Interesse haben, dann kann man im Internet eine Führung durch die Poli-Destillerie buchen. 

Innovation mit traditionellen Wurzeln

Der Besitzer, Herr Jacopo Poli, ein eleganter und sympathischer Hausherr, führt uns persönlich in die geheimnisvolle Welt der Grappa-Destillation ein. Grappa leitet sich aus dem mittelalterlichen lateinischen Wort “grappolus” ab, das Weintraube bedeutet. Es handelt sich nicht um einen Grappa, sondern um Grappas oder im italienischen Grappe, ein buntes Universum verschiedener Geschmacksnuancen. Diese kann man bei Poli entdecken, denn dort wird der Grappa noch auf die alte traditionelle Weise produziert. Diese Form der Herstellung findet man kaum noch in Italien. Seit den 70iger Jahren hat sich aus Kostengründen in Italien die kommerzielle Grappa-Brennerei durchgesetzt. Von 2000 traditionellen Destillerien sind gerade noch 90 übriggeblieben. Jacopo Poli konnte zusammen mit seinen Geschwistern Barbara und Andrea und seiner Ehefrau Christina (Verantwortlich für die Museen) seine Vision verwirklichen. Das kulturelle Erbe wird jetzt in der 4. Generation weitergepflegt. Wir sind im Jahr 1898. Der Urgrossvater Giobatta, ein Hutmacher, kauft eine Dorfschänke in Schiavon mit dem Namen “Al Cappello”, zum Hut. Mit einem kleinen Destillierapparat auf einem Handkarren zog er von Haus zu Haus, um aus dem Trester, Grappa zu destillieren. Eine raffinierte Idee, denn der Trester beinhaltet noch 95% der Traubenaromen.  Großvater Giobatta hängte den mit Trester gefüllten und luftdicht verschlossenen Brennkessel über das Feuer. Den Dampf leitete er dann über ein Rohr, das mit einer Kühlschlange verbunden war, in ein Kühlgefäss. Dort bildeten sich durch Abkühlung und Kondensation der Grappa. Allerdings brannte der Trester oft an und so bekam der Schnaps einen scharfen Geschmack. 
Grossvater Giovanni war ein genialer Konstrukteur. Aus der Dampfmaschine einer Lokomotive stellte er eine Destillerieanlage her. Vater Toni Poli verbesserte 1956 diese Maschinerie. Der Trester im Brennkessel mit doppelter Wand wurde sanft durch den Dampf des Wasserbads erhitzt, mit dem Resultat:  Qualität sehr gut.  
Das Prinzip ist heute noch das gleiche, aber, um einen Top-Grappa zu kreieren “braucht es sehr viel frischen und erstklassigen Trester aus den D.O.C. Gebieten Venetiens und hundert Jahre Erfahrung”, so Jacopo.
Auf dem Weg zu den drei Destillieranlagen steht auf einer Tafel: Aus 100 Kg Trauben werden  80 kg Most und 20 kg Trester. Aus dem Most keltert man 100 Flaschen Wein und aus dem Trester gerade Mal zwei Flaschen Grappa! „Höchstens“, kommentiert Jacopo lächelnd.

Das Herzstück – der Alambic-der Destillierkolben

Wir erreichen die erste Destillieranlage. Vor uns zwölf grosse antike Kupferkessel auf einer Empore, die sogenannten Kavaliere. Wir steigen hinauf. Dampf umhüllt uns. Hier werden rote Trauben destilliert.  Zwei Brandmeister mit roten Schürzen leeren vier Korbsiebe und füllen jeden wieder mit etwa 100 kg Trester, stellen sie wieder in den Kessel und verschließen ihn gekonnt. Wir verfolgen die Brennsäule. Da Alkohol leichter ist als Wasser, steigt der Alkoholdampf höher, das Wasser bleibt zurück, und nach der Kondensation in der Kühlschlange ist nach 3 Stunden der Prozess beendet. „Wir arbeiten nach einem “nicht kontinuierlichen Verfahren”, das bedeutet, dass wir nach jedem “Brand” den Trester erneuern. Bei Poli wird vom Brennmeister nur das „Herzstück“ des Alkoholdampfes, das Mittelstück, verwendet, der erste Teil, den Vorlauf (Kopf) und den letzten Teil, den Nachlauf (Schwanz) werden entsorgt. Das ist eine Kunst, die jahrelange Erfahrung braucht. Der Grund ist, dass der „Kopf „einen beißenden, aggressiven Geruch hat und der Schwanz ölig schmeckt.“  Dieses aufwendige, bei Poli angewendete Verfahren, ist der entscheidende große Unterschied zur industriellen kontinuierlichen Herstellung. Dabei wird der Trester kontinuierlich in den Brennapparat gegeben und der gesamte Alkoholdampf wird verwendet.
Die kondensierte Flüssigkeit, etwa 20 Liter, hat einen Alkoholgrad von 70/75 Grad. Diese wird mit Quellwasser auf den gewünschten Alkoholgrad reduziert. Nach der Qualitätsprüfung im Labor (und der strengen Kontrolle der Finanzbeamten!) kann er in den Stahltanks oder in den Barriquefässern reifen. Je kleiner das Barrique, desto intensiver entwickelt sich das Aroma. Die Alkoholsäure entzieht die goldgelbe Farbe und den typischen Holzgeschmack nach Vanille, die Wände verblassen und die Fässer sind nicht mehr nutzbar.
Bei meinem Besuch wurde der Bassano classico destilliert, ein Cuvée aus erlesenen Trauben mit einem blumigen Bouquet und grünem Apfelaroma. Dann kamen Merlot und Cabernet Trester in die Körbe für den Sarpa Oro di Poli mit seinem feinen Aroma nach exotischen Früchten, Vanille und gerösteten Mandeln und Nüssen.

Weiter geht es zur Anlage, Athanor, die seit 2001 mit zwei Wasserbadkesseln unter schonender und homogener Erwärmung  Trauben, Obst und Wein destilliert und
weiter zur Anlage Crysopea. Nach jahrelangen Forschungen konnte 2009 diese innovativste Destillieranlage in Italien installiert werden. Es sind zwei mit Vakuum arbeitende Wasserbad Alambics. Die Vorteile: Reduktion des Methylalkohols und der Alkohol bleibt unter 60 Grad, so dass die ganz feinen, blumigen und fruchtigen Aromen bewahrt werden. 

Die finale Verkostung - ein Genuss für alle Sinne

Nach dem Besuch und der hautnahen Erfahrung der verschiedenen Destillationsvarianten können wir im Degustationsbereich edle Tropfen in kleinen Tulpengläschen genießen, um die organoleptischen Feinheiten voll zu vernehmen.
Zu den Spitzenreiter zählt der Bassano 55%, ein Grappa Riserva, wunderbar rund, trocken, dennoch geschmeidig, mit feinen blumigen und fruchtigen Aromen nach Marzipan, Vanille und Schokolade. Zehn Jahre lang reifte dieser Blend aus roten Rebensorten im 225l-Barrique Fass. Er wird nach dem kunstvollen System Solera kreiert,  das heisst, die Grundlage ist der Tresterbrand aus 9 Barriquefässer, die der inzwischen verstorbene Vater Toni im Jahr 1999 angelegt hatte.  Jacopo mischt (verschneidet) diesen gereiften Grappa mit frischem Blend und lagert diesen Grappa 10 Jahre weiter im Holzfass. Jedes Jahr fährt er mit dieser Methode des Verschnitts von gereiftem und frischem Grappa fort. Das Resultat ist ein facettenreicher Tresterbrand.  Ein kleiner Schluck genügt, um Geruchs-und Geschmackssinn zu benebeln, so dass man nur die Augen schließen kann, um sich der samtigen Verführung hinzugeben. Das originelle Etikett ist aus Holz eines abgelegten Barriquefasses. 
Der Grappa Cleopatra Amarone Oro wird in der Anlage Crysopea destilliert. Eine außerordentliche Finesse kennzeichnet diesen, ein Jahr im Eichenfass gereiften, feinen Grappa. Hier stimmt einfach alles. Der Blend aus dem Trester der Weintrauben für den Amarone della Valpollicella (Corcina, Rondinella und Molinara) hat eine samtige, weiche und dichte Struktur mit Noten nach Marzipan an der Nase und ein Aroma von gekochten Früchten wie Aprikose und Pfirsich am Gaumen. Das Aroma des Cleopatra Moscato oro aus Muskatellertrester erinnert an Früchte wie Ananas, Mandarine und Mango. 

Nur im Museumsshop erhältlich ist der nummerierte Grappa del Museo 25, eine Kreation von Jacopo und Christina aus erlesenen Trestersorten. Er darf im Heldenkeller reifen. Der erste Eindruck ist: ein absolut trockener Grappa, an der Nase ein Hauch von Feigen und Datteln, im Aroma nach  gekochten Aprikosen, sehr mild und harmonisch.
 
Die Verkostung könnte Stunden lang weitergehen, denn jeder Grappa hat seinen ganz persönlichen Charakter. Mal dominieren Aromen von Orangen- oder Akazienblüten wie beim Po` Morbido, oder Rosenblüten wie beim Po`Secco. Zum Verkosten gibt noch weitere 40 unterschiedliche Kreationen, so Fruchtdestillate, Liköre, den raffiniert bitteren Aperitivo Airone Rosso und den würzigen, markanten Gin Marconi 42 ....  Da bleibt nur eine Wahl, einfach wiederkommen. 

Auch die Geschichte des Tresters ist noch nicht zu Ende… was geschieht mit dem gekochten Trester? Wie wird er weiterverwertet? Fortsetzung folgt

Wo kann man Poli erwerben?

Alle Produkte kann man direkt bei Poli online bestellen. Direktverkauf bei Poli in Schiavon, Bassano del Grappa und Venedig. Sie exportieren 40% ins Ausland in 63 Länder. Und der grosse Vorteil: das Preis-Leistungsverhältnis ist optimal. Polidistillerie: www.poligrappa.com, Für einen Museumsbesuch in Bassano del Grappa und Schiavon: schiavon.museo@grappa.com und info@grappa.com

Foto unten: Jacopo Poli, Luis Grossele, Benigna Mallebrein, Gerhard Bläske, Carolina Saporiti und Chiara Odierna