Biofood - Bistecca aus Sizilien oder Billig-Fleisch

Peter Junker von Siziliengenuss.com über seinen Metzger im Ort und unbeschwerten Fleischgenuss

Wo kommt mein Steak her? Das ist eine Frage von Bedeutung, für alle, die nicht irgendwo irgendwelches Fleisch kaufen wollen. Eigentlich für alle, die sich für gute, nachhaltige Lebensmittel interessieren. Unser Metzger hier im Dorf in Sizilien - zu unserem großen Glück! - hat in den Bergen von Altavilla Milicia in der Provinz Palermo auf über 400 Hektar Land seine eigene Rinderzucht. Doch hält er auch andere Tiere, wie Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner. 

Glückliches Fleisch

Es ist einzigartiges Ambiente in freier Natur, von der Zivilisation unberührt. Eine Wildnis eben. Dort leben Eulen und Wildschweine und vieles mehr, was viele nur noch aus Büchern oder Wildgehegen kennen. Es ist ein kleines Stück Paradies: nichts ist kontaminiert und verdreckt, kein Smog, keine Autos und keine Häuser, eben ein perfekter Ort. Der Bauer zieht dort französische Charolais-Rinder für die Fleischproduktion und in kleinen Mengen auch die sizilianische Modica-Rasse. Das ist ein komplett schwarzes Rind, ähnlich dem Angus, aber eben nicht so massig. Es ist so beglückend zu sehen, wie die Tiere frei herumlaufen, auf diesen schier endlosen Weiden, mit ihren Kälbchen. Die Schweine sind in einem grossen Freigehege - nicht in kleinen Boxen, wie man es oft in der Skandalberichterstattung oder den brutalen Social Media-Fotos sieht. Diesen Hof trägt die Überlegung, woher wir unser eigenes, gutes Fleisch bekommen können. Schon der Opa und auch der Vater führten diesen Betrieb, doch hatten sie noch keine eigene Metzgerei.

Sie wollten aber irgendwann nicht mehr die Wurst und Fleisch bei jemand anderen kaufen, sondern ihr Fleisch selbst verarbeiten. Besonders als die nächste Generation geboren wurde und immer stärker diskutiert wurde, in was für Umständen unsere Kinder heutzutage aufwachsen bzw. sollen. Da wurde nun eine Metzgerei frei; schnell übernommen, klein aber fein! Hier kann man mittlerweile alles kaufen: Rind, Schwein, Lamm und Ziege. Nur einmal die Woche wird geschlachtet, das ist das Konzept. Ein bis zwei Rinder - mehr nicht!  

Der Aufwand wird belohnt

Aktuell leigt der Bestand auf den Weiden bei 120 – 130 Rindern und Kühen, die in Kürze auch kalben werden. Also kommen wir dann auf circa 180 bis 190 Tiere. Viel, viel Arbeit, die jedoch sehr befriedigend! Die Tiere, wie auch der Mensch, der sie betreut, kennen weder Feiertag noch Urlaub. So auch ein junger Mann aus der Toskana, 27 Jahre, der vor 2 -3 Jahren eine Chianina-Rinder-Aufzucht begonnen hatte. Hut ab! Zurück auf die Weide, die Tiere werden regelmässig vom Veterinär besucht, es wird Blut abgenommen, die Werte kontrolliert und verglichen. Es sind gesunde Tiere, das sieht man und es sind freie Tiere. So sollte es immer sein ! 

Für 13 bis 15 Monate leben die Tiere dort und davon ungefähr drei Monate im Stall, wo ein Kraftfutter - frei von Nahrungsergänzungsmitteln (OGM) und nicht genbehandelt - dazu gefüttert wird. Hier oben in den Bergen, in diesem kleinen Paradies, entspringen einige Wasserquellen, die das ganze Jahr frisches, klares, fließendes Wasser liefern. Das ist ein grosser Vorteil, denn die Tiere trinken kein kanalisiertes, abgestandenes Wasser. Der Metzger bestätigt mir voller Stolz, dass z.B. die Leber seiner Tiere eine ganz andere Farbe hat, als die von Tieren, die unter anderen Umständen aufwachsen. Das Wasser spielt hierbei eine ganz entscheidende Rolle. Zum grossen Glück sind die Kontrollen für Lebensmittel und Produktion in Italien sehr engmaschig und kapillar, so dass eine Qualität dem Konsumenten garantiert wird. Noch! 

Frustration Fleischproduktion

Ich persönlich kann nur bestätigen, wie viele weitere in den zurückliegenden fünfzehn Jahren auch, dass das Fleisch von Italien und insbesondere Sizilien viel intensiver und besser schmeckt als das Fleisch in Deutschland. Genauso ausschlaggebend ist, wo in Deutschland ich mein Fleisch kaufe. Leider ist das so, die Supermärkte regieren den Lebensmittelhandel und damit auch den Fleischverkauf. Der kleine Metzger ist u.a. deswegen zum Schließen verdammt und das kann man überall live erleben. Wo gibt es noch gute Metzgereien? Die kann man in der Regel an einer Hand abzählen. Das Fleisch der Supermärkte kommt von den grossen Schlachtereien, richtiger: Fleischfabriken (Anmerkung: In Zeiten von Corona fällt ein Licht darauf, wie dort gearbeitete wird). Fragwürdige Lieferketten, verstörende Zustände bei Tierhaltung, Transport und im Schlachthof - mehr als genügend Berichte, die einen erschaudern lassen.  

Ein bedachter und nachhaltiger Konsum könnte dazu beitragen. Wir als Verbraucher haben es eigentlich in der Hand! Fleisch im Supermarkt für 2,99 Euro das Kilogramm: das ist ein NO GO ! 

Frisch geschlachtetes Fleisch ist zäh; nicht weich und fein. Zur Fleischverarbeitung gehört auch die Reifung in einem dafür geeigneten Ambiente. Das kann 1-2 oder bis zu 6 Monate dauern, je nach Metzger oder Restaurant. Das Angebot von Dry Age Fleisch in der Gastronomie mit eigenen Reifeschränken ist ein erster, sichtbarer Ansatz zu mehr Auseinandersetzung mit dem Thema. 

Doch dies ist alles ein natürlicher Prozess. Nach dem Tod beginnt sofort der Zersetzungsprozess im Körper, der im Fleisch das Fleisch zart macht. Es ist kein schöner Gedankengang, wenn man sich überlegt, dass das was ich koche nur deswegen so angenehm zart ist, weil es letztlich seit einigen Wochen verwest! Außen bildet sich eine richtig dicke Schicht mit Schimmel, die dann erst großzügig entfernt werden muss. Das sollten die Leute mal sehen, kann ich nur jedem empfehlen! (Anmerkung Steffen Maus: schauen Sie sich mal das Lesegut einer typischen Auslese von der Mosel an!)

Ist das etwas für Sie?

Nicht jedermann ist bereit, die Summen zu zahlen, die man hierfür üblicherweise auf den Tisch legen muß. So zahlt man in entsprechenden Restaurants, z.B. in New York dann für ein Steak mal seine 100 Dollar. 
Na ja, zugegebenermaßen nicht jedermanns Sache und auch auf Sizilien kommt deshalb oft Fleisch in den Verkauf, was nicht so weich, so zart ist. Natürlich sind hierbei die Rinderrasse und die Aufzucht von wesentlicher Bedeutung. Meine persönliche Hoffnung ist, dass Italien und Sizilien beim Essen und Trinken unverückbar an seinen Traditionen festhält und nicht - wie derzeit schon zu beobachten ist -  in den Sog der inzwischen stark präsenten deutschen Supermarktketten gezogen wird. Es stimmt mich traurig ansehen zu müssen, wie diese „big player“ seit einigen Jahren zunehmend Italiens Lebensmittelproduktion bestimmen. 

Für uns als Familie ist es daher wichtig und schön zu wissen, woher unser Fleisch kommt. Die Weiden und die Tiere zu sehen; den Inhaber und den Metzger zu kennen, die alles dafür tun, um eine ehrliche und wertige Fleischqualität auf den Tisch zu bringen. Ich ziehe meinen Hut und bin voller Dankbarkeit für den Einsatz solcher Menschen, die ihre aufwändige und schwierige Arbeit mit den Tieren in den Bergen leisten, für die Nachhaltigkeit und den Nährwert alles in ihrer Macht Stehende tun. Ich freue mich, wenn ich Lust auf die nächste Bistecca habe und sie hier vor Ort mit einem guten Gewissen kaufen kann.

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