Weine und Winzer - Amarone und Bertani

Ein Rückblick - Ich erinnere mich sehr gut an die Vertikale in der Villa Novare vor mehr als 10 Jahren (2008)! Damals durfte ich und einige ausgewählte Journalisten den legendären Amarone von Bertani in einer spektakulären Vertikale verkosten, die beim Jahrgang 2001 begann und bis zu Weinen reichte, die älter waren als ich (ein 68er). Mit 1959 und 1967 im Glas!
So was interessiert im schnelllebigen wie preis- und punkteorientierten Weinmarkt heute nur wenige, oder irre ich etwa? Wer als Amarone-Liebhaber noch keinen Bertani probiert hat und im Keller liegen hat, dem fehlt - bei aller Demut für die vielen guten Erzeuger im Valpolicella - und bei aller Anerkennung für ihre Erfahrung als Weintrinker - ein wichtiger Teil der Weltanschauung des Amarone. 

Die Ironie der Geschichte 

In den Neunziger Jahren und dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wurde oft das Bewährte kritisiert, der Weinstil als zu zurückhaltend beschrieben… Ihm fehle die kraftstrotzende Muskelmasse, die süßen Aromen, der markante Barriqueeinsatz…. So konnte er manch Weinführern nicht wirklich gefallen. In den letzten 10 Jahren, spürbarer noch die letzten 5 Jahre, hat sich der Wind nun überdeutlich gedreht, sehen viele im Stile Bertani den Amarone der Zukunft, wie mir einige Winzer in Gesprächen freimütig bestätigten. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. 
Etliche Winzer, die ich jedes Jahr beim Anteprima Amarone in Verona verkoste - auch diejenigen, die in den Neunzigern die Höchstpunkte mit den eben Erwähnten „Extraktbomben“-Weinen erzielten, suchen heute im Amarone den finessenreichen und leichtfüssigen Typ. Sozusagen einen zähen Weltklasseringer im Mittelgewicht, der sein Durchsetzungsvermögen und Kraft zu dosieren weiss. Selbstredend bei aller Konzentration und Dichte, den ein Wein mit 15-16 Vol% Alkohol mitbringen sollte! Genau dies alles was Bertani schon immer gemacht hat. 
Und noch eine Entwicklung spielt dem großen Bewahrer und Ikone des Amarone in die Karten, dass die Winzer ihren Amarone Jahr für Jahr später auf den Markt bringen, um ihn im Keller die Zeit zu geben, damit er auch viele Jahre oder Jahrzehnte (wie im Falle von Bertani) im Glas Freude machen kann. Denn Amarone zählt neben dem Barolo zu den langlebigsten Weinen Italiens, da kommt ein Brunello oder ein Chianti Classico nur selten mit. Der aktuelle Jahrgang ist der 2010er Amarone bei Bertani, der damit riesige Summen im Keller liegen hat, die andere schon kassiert haben. Deshalb ist der Bertani auch ein Amarone, der seinen Preis hat, unabhängig von den Punkten und Spekulationen. 

Übrigens, die Villa Novare ist ein Wahrzeichen des Valpolicella, hat die Familie Bertani behalten, die Weinberge im Valpolicella Classico und die Kellerei in Grezzana im Valpantena an die Familie Angelini verkauft, die für den lang ersehnten frischen Wind gesorgt hat (auch im Sinne von Investitionen). Der technische Direktor Andrea Lonardi hat in diesen Jahren behutsam die lange Geschichte und den Weinstil weiter geformt und eher begleitet. Denn Bertani ist Bertani, das hängt nicht an einzelnen Personen, sondern am Fortbestand der mehr als 160 Jahre Geschichte.

Meine Lieblingsweine von Bertani

Amarone Bertani Valpantena 2017 (15,5 Vol%) - Corvina, Rondinella, 30 Monate großes Holzfass
Aus den Weinbergen im Valpantena stammen die Trauben für den zweiten Amarone von Bertani, der wie der große Bruder Finesse und Kraft vereint. Die Aromen des Terroirs im Valpantena sind selbst nach Trocknung und Ausbau in ihrer Eigenheit erkennbar, sie unterscheiden sich von denen des Classico-Tals der Villa Novare. Dezente Süße in der Nase, Trockenpflaumen, Tabak und ätherische Anklänge, Assoziationskette von Rotliegendem, fein gewebte Gerbstoffe, kraftvoll am Gaumen, dichte Würzigkeit mit samtigem Mundgefühl, das auf einem dezenten Wintergewürzpotpurri endet.
Küche - Aufgrund seines mitfließenden Charakters und geringer Süße ist es ein Wein für die Winterküche von Maronen, dunklen Soßen und Gänsefleisch oder Ossobuco von Wacholder und Lorbeer. Experimentierfreudige probieren mit Pferdefleisch-Sauerbraten einen regional stimmigen Kontrastpunkt. Trinkempfehlung - Jetzt und die nächsten 20 Jahre, dafür garantiert der Name Bertani

Amarone Bertani Valpolicella Classico (15 Vol%) - Corvina, Rondinella, 72 Monate Holzfass
Die Trauben stammen aus dem Classico-Gebiet in der Nähe der Tenuta Villa Novare. Nach der Trocknung und Gärung kann der Amarone im Keller in Grezzana in großen Holzfässern seine Balance und innere Harmonie finden, die ihn so langlebig und finessenreich macht. Facettenreiche Aromatik, große Intensität und Tiefe, Aromen von Pflaume, Schwarzkirsche, Lakritz, feine Würze, vielschichtig, ausgewogen, körperreich, warm und endlos lang, dabei stets auf der eleganten Seite wie ein Seidenkleid mit ordentlich Gewicht, eigentlich ein Widerspruch in sich, aber nichts ist unmöglich…
Küche - Das Monument kann in einem ruhigen Moment viel über sich erzählen, alternativ auch zu einem edlen Wildgericht (Hirschbraten/Rehmedaillons) mit finessenreicher Soße gereicht werden. Trinkempfehlung - Den Wein können sie getrost im Keller für Jahrzehnte vergessen, was jedoch schade wäre...