Bolgheri Divino 2022 - Zu Besusch bei Le Macchiole und Argentiera

Spannender als das Anteprima des 2020er Jahrgangs waren die Gespräche mit den Winzern...

September 2022, eine Gelegenheit für einen ausgesuchten Kreis von Journalisten den Jahrgang 2020 zu beurteilen. Diese Art von Verkostung haben sich vor mehr als 25 Jahren etabliert in Italien, weil jeder die Bordeaux-Enprimeur-Verkostung als Vorbild nahm. Aus meiner Sicht nutzen heute fast alle Journalistenkollegen dieses Event zum Netzwerken und Besuchen einzelner Weingüter, die Weine erhalten kaum Aufmerksamkeit. Der Jahr 2020 war übrigens ein Anstrengendes für die Winzer, besonders die Erntezeit. Das Resultat ist gut bis sehr gut, auch weil die Winzer aus den letzten Jahren gelernt haben und mit Widrigkeiten zurecht kommen. In den Keller kommen nur die Trauben, die reif und gesund (so weit wie möglich) sind. Ein Sortiertisch für Trauben und einzelne Beeren ist unerlässlich!! Bei Preisen von 20 € für den Einstiegswein und 45 - 60 € für den Toprotwein sollte das klar sein und verinnerlicht werden.

Die Voraussetzungen auf nur ca. 850 ha Rebfläche

Bolgheri ist ein extremes Klima, das große Rotweine hervorbringen kann. Das beweisen die großen und bekannten Weingüter, die Newcomer mit finanziellen Mitteln und 1-2 Dutzend kleiner Weingüter. Aus meiner Sicht sollten die Weine erst nach 10 Jahren beurteilt und vor allem getrunken werden. Den riesigen Aufwand der Primeur-Verkostung lieber in einen ruhigen Tag mit 2-3 Weingütern investieren… Welche Weingüter zu den Besten und den Guten gehören, das ist ja bereits klar und wird sicherlich nicht auf den Kopf gestellt von einem herausfordernden Jahrgang. Gesagt getan, für Weinwelten besuchte Federica Schir Argentiera und Le Macchiole, sprach mit Cinzia Merli bei Macchiole und dem Gutsdirektor Leonardo Raspini beim Abendessen auf Argentiera. Sie verkostete die Top-Weine Paleo und Ventaglio in einer kleinen Vertikale und zeigte mit dem Daumen nach oben. Nicht viel Neues also im Westen. 

Cabernet Franc ist die angesagte Rebsorte in Bolgheri, gut zu wissen!

Ein Kompliment an die Agentur von Anna Barbon, die mir - dem Daheimgebliebenen - die Weine von Macchiole - ausnahmsweise - zuschickte. Normalerweise wird nur im Weingut verkostet! Guter Ansatz, oder? Noch viel mehr freute mich die Pressemappe, die sich wie eine spannende Geschichte liest. Leider nur in Italienisch, doch einiges möchte ich in Stichworten aufführen. Passt zur heutigen Aufmerksamkeitsspanne der Leser- oh, das war jetzt böse...

1983 kauften Eugenio Campolmi und seine Frau Cinzia Merli ein paar Hektar nahe Bolgheri, wo bisher nur Obst und Gemüse angebaut wurde. 1989 erster Paleo, hohe Pflanzdichte, Entscheidung für Rotweine aus einer Rebsorte, die der Anfangsbuchstabe verrät. Messorio, Scrio und Paleo (ab 2001 100% Franc). 2002 verstarb Eugenio. 20 Jahre danach 30 ha in Bio im Team mit Söhnen Elia (Weinbau mit Massimo Merli) und Mattia (Marketing). 200 TSD Flaschen. Das Weingut arbeitete in den letzten 30 Jahren mit verschiedenen Beratern, Luca d’Attoma war einer von Ihnen. Und aktuell ??

“Spesso il Franc è visto come il fratello sfortunato del Cabernet Sauvignon - afferma  Cinzia Merli - più verde, ruvido, indomabile, una sfida difficile. A Bolgheri però il Cabernet Franc si trasforma, regalando la sua essenza più preziosa: è molto fruttato, sorprendentemente fresco con tannini morbidi.

Die Weine von Le Macchiole überzeugen, unaufgeregt und stimmig

Von der Minivertikale 2017 - 2018 - 2019 hält Federica den 2019er als herausragend aus dem Herausragenden für Mindblowing. Der Scrio schmeckt nach Rhone und der Messorio ist auch herber - ähnlicher dem Franc - als man aus einem solch heißen Klima erwarten würde; Meeresbrisencharakter inbegriffen.

Paleo Bianco 2020 mit Chardonnay 70 und Sauvignon - schlanker Stil, sicher kein Burgundertyp
Rosso Macchiole 2020 - mit etwas Syrah, was ihn als eigenständig charakterisiert
Massorio 10 TSD - Scrio 2,3 TSD - Paleo 23 TSD Flaschen

Fede's Verkostungsnotizen des 2020er - meglio in italiano

Difficile dare un volto univoco all’annata 2020 assaggiata in anteprima nel corso di Bolgheri Divino, organizzato in maniera perfetta dal Consorzio Bolgheri e Bolgheri Sassicaia. Bolgheri Superiore quindi, che entreranno in commercio nel 2023, alcuni ancora in affinamento o prove di botte.
Da disciplinare i Bolgheri Superiore e i Bolgheri Rosso nascono da Merlot, Cabernet Franc e Cabernet Sauvignon in purezza o con percentuali scelte dal Produttore. Una prima differenza la fa quindi il vitigno. Nei Bolgheri con prevalenza di Merlot, i vini sono risultati più pronti e performanti rispetto a quelli con prevalenza Cabernet France e Cabernet Sauvignon, ma in tutti si nota una maggiore consapevolezza e maturità nell’uso del legno. Tannicità importante, dovuta alla “giovane età, ma in molti vini, soprattutto in campioni ancora in affinamento, una freschezza inferiore a quella trovata nella scorsa annata. 

I migliori assaggi:

Castello di Bolgheri – Naso minerale ed elegante con note di frutti di bosco e macchia mediterranea. In bocca succoso e con un finale concreto.

Grattamacco – Note floreali al naso e un sorso sapido con note di frutti di bosco. Finale importante. Lungo e ampio

Michele Satta Piastraia – Complesso ed elegante. Note di frutti rossi e sapidità in bocca. Finale di macchia mediterranea 

Tenuta di Varia – Liquirizia e pepe nero al naso. Tannino fitto mitigato dalla dolcezza del frutto

Podere Il Castellaccio – Frutta rossa ben amalgamata con note mediterraneo. Lungo ed elegante con un tannino spigoloso, ma in buona evoluzione

Ornellaia – Note di confettura rossa, macchia mediterranea e sapidità. Tannino molto fine e un finale molto sapido che preannuncia una grande evoluzione nel tempo

Donna Olimpia – al naso rosmarino, prugna e note balsamiche. Tannino ben sviluppato e chiusura molto elegante

Guado al Tasso – Frutto preponderante con mirtilli, ribes e confettura rossa. Sorso notevole con note sapide e finale mediterraneo

Fabio Motta – avvolgente e intrigante al naso che svela frutta matura e un finale balsamico e salato

Giorgio Meletti Cavallari – legno e note tostate con richiami erbacei. Sorso complesso e finale molto lungo

Argentiera – Naso floreale ben amalgamato con note di frutti rossi, mirtilli e more. In bocca elegante e raffinato con una buona sapidità.

Ach ja zum Besuch bei Argentiera, den ich ein knappes Jahr vor Federica Schir erlebte. Lesen Sie nun meine Ausführungen:

Das Weingut ist heiss! Als ich es besuchte, hatte ich keine großen Erwartungen, denn das Weingut existiert zwar seit 1999 und über die Jahre hat es mich wenig angesprochen. Doch mit dem Kauf in 2016 des Weingutes durch den Österreicher Stanislaus Turnauer ist es in wenigen Jahren zu einem Topweingut des Anbaugebietes empor gestiegen. Es besitzt gereifte Weinberge in sehr gutem Terroir (bei Castagneto), ein starkes Team (siehe Webseite) und das nötige Großgeld, um etwas zu bewegen. Der Besitzer hält sich dezent im Hintergrund und ist doch omnipräsent in seinen Entscheidungen und den Weinen. Das Angebot umfasst drei Rotweine mit unterschiedlicher Gewichtung und Format, die Vipino alle anbietet. Es ist eine Qualitätsstufenleiter, die vom Poggio ai Ginepri, über den Villa Donoratico bis zum Argentiera Bolgheri Rosso Superiore ausgefeilt und dabei herrlich eigenständig wie individuell ist, wie es fast nur ein Bordeaux-Blend sein kann.

Ein entscheidender Aspekt ist die Betreuung des Weingutes durch Stephan Derenoncourt, der als Interpret der Bordeaux-Weine ein feines Händchen hat. Dabei lässt er dem Terroir seinen Raum, wie er es bei Inama, La Massa und eben Tenuta Argentiera (nicht verwechseln bitte mit Poggio Argentiera) beweist. Die Weine changieren zwischen der vibrierenden Kraft der mediterranen Macchia und (trotz des trocken-heissen Klima) frischen, fast zarten Meeresbrise dieser besonderen Ecke des Anbaugebietes Bolgheri. Argentiera ist das dynamischste Projekt im Bolgheri Gebiet: Das Ziel ist es, herausragende Qualität mit französischen Rebsorten im Terroir der Toskana zu erzeugen. Und das weltweit konkurrenzfähig wie es Sassicaia vor 50 Jahren bewiesen hat.

Frucht im Fokus - der Ginepri 2021

Poggio ai Ginepri 2021 ist der beste junge Bolgheri, den ich in den letzten Jahren getrunken habe. Die Handschrift von Derenoncourt zeigt sich auch im Basisroten der Tenuta Argentiera, der von sandigeren Böden stammend die Frucht betont und seine Herkunft als Bordeaux-Blend aus Bolgheri überzeugend transportiert. 
Mit einem Ertrag von rund 9.000 kg bei 6.500 Stöcken/ha ist schon der kleine Rote ein grundseriöser Rotwein. In 2021 konnten gesunde Trauben ohne Probleme geerntet werden, weil es im September nicht regnete. Auch der Cabernet Sauvignon konnte voll ausreifen und ohne Eile geerntet werden. Alle Sorten wurden einzeln in Stahltanks vinifiziert und dann zur Hälfte im kleinen Holzfass und Edelstahl ausgebaut. In der finalen Assemblage entstand ein gelungener Blend, der davon profitiert, dass der Standard sehr hoch liegt und bei Argentiera Partien auch deklassiert werden können. Für Argentiera gibt es auch beim Basisrotwein keine Kompromisse, es hilft natürlich, dass der Besitzer das nötige Kleingeld hat. Ach ja, die Zusammensetzung ist 40 Cab, 30 Merlot, 20 Franc, 10 Petit Verdot. 
„Der Rosso Poggio ai Ginepri zeigt eine schöne Geschmeidigkeit, tiefe Frucht und einen frischen, lebendigen Abgang“, schreibt das Weingut. Ich finde das sehr treffend. Für mich ist der Wein fruchtbetont und komplex (dank des Rebsortennmix), ausgewogen und durchgängig in den Tannieren am Gaumen und dank des intelligenten Weinmachens frisch und lebendig im Trunk. Die Weine des 21ers sind aromareich und solide strukturiert. 

Villa Donoratico mit Tiefgang

Der Villa Donoratico ist ein Wein mit großer Komplexität und klarem Herkunftscharakter! Das gilt nicht nur für Toskana und Bolgheri, sondern auch innerhalb der kleinen DOC-Bolgheri. Er stammt vom Sedimentsgestein aus Kalkstein, Mergel, Ton mit eingelagerten Sandsteinschichten.
70 Doppelzentner bei 6.000 Stöcken ist die Vorgabe. 2020 war ein Jahr, in dem die Ernte einiger Anstrengung bedurfte, um die Trauben wegen der Regengüsse reif und gesund in den Keller zu bringen. Gott sei Dank rettete zuvor ein ausgiebiger Regen im August die Trauben nach langer Trockenperiode. Sehr zufrieden stimmte der Merlot, bei den spätreifenden Sorten musste man sich strecken. 
Alle Trauben wurden auf  Sortiertischen per Hand selektiert und die Beeren dann ohne Pumpen in die Gärtanks befördert. Nach separater Vinifikation der Rebsorten wurden diese sofort vereint und in Tonneaux und Barriques ausgebaut. Der Blend: Cab 35, Merlot 30, Franc 15, PV 10.
Suckling zückte in den letzten Jahren 92 - 95 Punkte für den Wein, im Jahre 2014 wurde er nicht erzeugt.
Die Weine sind sehr ausbalanciert, Tannin, Säure und Aromen gut eingebunden, was einen ausgewogenen und langlebigen Jahrgang verspricht. Die Stärke des Weines - auch im Hinblick auf die Preisleistung - sind die rigide Selektion der Trauben und keine Kompromisse in der finalen Zusammenstellung der Partien, die gut genug für den Villa Donoratico sein müssen. Dadurch erhält der Wein seinen edlen und integralen Charakter. Er ist als Zweitwein mit seiner Tiefe und Vielschichtigkeit und Kraft eine hervorragende Visitenkarte für den Erstwein. 

Argentiera 2019 Bolgheri Rosso Superiore - Die Quintessenz des Wirkens

Vergleiche mit Ornellaia und Sassicaia sind angebracht. Eigenständig wie diese Beiden ist auch der Argentiera ein Unikum, das für vergleichsweise 70 € ein Schnäppchen ist. Wie lange wohl noch? Wen es interessiert, James Suckling zückte in den letzten Jahren 95 - 99 Punkte für den Bolgheri Rosso Superiore. Für den 2019er gaben sowohl Suckling als auch Parker (Monica Larner) 97 Punkte.
Natürlich stammen die Trauben aus den besten Parzellen des 40 ha großen, höhergelegenen Teils von Argentiera. Insgesamt kann das Team aus 80 ha Reben schöpfen, die bereits Ende der neunziger Jahre angelegt wurden. Demnach wird nach wie vor ein guter Teil der Trauben an Dritte verkauft (so kompromisslos ist die Qualitätsstrategie). Der Blend ist 50 Merlot, 44 Cab und 6 Franc. Für solch einen Wein betreibt man einen Riesenaufwand (60 DZ mit 7.500 Reben) im Weinberg und auch im Keller, zu guter Letzt gönnt das Team ihm eine Flaschenreife von mind. 6 Monaten. Es gibt keine Eile - wie wohltuend -, denn auch Leonardo Raspini weiß aus eigener Erfahrung (Ex-Ornellaia), dass den komplexen Weinen aus Bolgheri Zeit in der Flasche Zeit gut tut. 
2019 war ein Hammerjahr. Schon mit 2018 erreichte Argentiera mit seinem Topwein den Olymp in Sachen Kritikerlob. Und für mich war in einer kleinen Vertikale im Oktober 2021 auch der 2017er ein sehr stimmiger Ausdruck des Jahrgangs und des kompromisslosen Qualitätsstrebens in einem sicherlich sehr prägenden und nicht immer einfachen Terroir. 2019 passte alles zusammen, für jede Traubensorte. 

So schmeckt der Argentiera Bolgheri Superiore 2019

Die Weine des Jahrgangs vereinen fruchtige Intensität mit guter Struktur und ausgeprägter, reifer Säure. Es ist ein exzellenter Jahrgang, der voll in meinem Gaumen eingeschlagen hat. Hatte der 2018er im Vordergrund seine Kraft und Opulenz, so ist der 2019er mit einer Finesse und Tiefe gesegnet, die den Wein zum größten Jahrgang des Jahrzehnts werden lässt; so weit möchte ich mich jetzt schon aus dem Fenster lehnen. Idealerweise haben Sie beide Jahrgänge im Keller, so können Sie selbst entscheiden. Oder warten auf den 2020er, der wieder dem 2018er ähnlich ist…
Notiz 1: This is so nicely crafted, with tannins that are fine and integrated, creating such a fine, silky texture. It’s medium-bodied with fantastic length and a long, persistent finish. So drinkable now, but will be even better in two or three years.
Notiz 2: What a beauty and what an incredible leap forward to excellence. The Tenuta Argentiera 2019 Bolgheri Superiore Argentiera shows depth and wide shoulders with soft plushness and impeccable fruit. The full-bodied wine is dialed up on all levels from perfumes, intensity, mouthfeel, texture and freshness. This bottle should hold past the 20-year mark. 

Ach ja, noch ein Wort zum Ventaglio, dem reinsortigen Cabernet Franc jenseits der 200 € Benchmark, wo übrigens auch Messorio und Scrio angekommen sind. Mir schmeckt der Argentiera 2019 und 2018 derzeit besser. Auch für Federica Schir gilt das, doch sie sagt: Ventaglio ist ein Franc mit sehr viel Bolgheri-Charakter, ein wirklicher Weinbergswein von 1 ha Fläche, der seinen eleganten, fein gewebten Charakter jenseits des Bold and Heavy transportiert. Wie er nach 15 Jahren schmecken wird, das bleibt sehr spannend!