Abruzzen: Neues von der alteingessenen Rebsorte

Ein Erfahrungsbericht von einer Weinreise zum Montepulciano

Annette Lizotte aus Malmö reiste auf Einladung des Konsortiums in die Abruzzen. Sie liefert einen persönlichen Erfahrungsbericht mit reichlich Emotion für Weine und Menschen.

Lange dauerte es, bis Italiens bescheidene Winzer erkannten, auf welchem Schatz sie sitzen. Als 2012 das Buch Wine Grapes, mit genauen Informationen über 1368 Rebsorten aus aller Welt erschien, machten seine Autoren, Master of Wine Jancis Robinson, José Vouillamoz und Julia Harding, gleichzeitig darauf aufmerksam: Italien alleine verfügt über 377 genetisch unterschiedliche Rebsorten, die auch zur kommerziellen Weinbereitung genutzt werden und hat damit mehr Sorten als Frankreich, Spanien und Griechenland zusammen! Diese Nachricht hat in der internationalen Weinwelt für großes Interesse und geradezu Bewunderung gesorgt.
Auf einmal wurden die - bis dahin hauptsächlich lokal getrunkenen - Weine salonfähig. Was sage ich – auf einmal wollten sie alle haben! Was früher als Hindernis galt, um auf den internationalen Märkten mitspielen zu können, wurde schnell zum Vorteil: EINHEIMISCHE, UNBEKANNTE REBSORTEN. Aber: nicht alle einheimischen Rebsorten sind automatisch interessant, noch haben sie alle das Potential außerhalb der Landesgrenzen zu reüssieren.
In den Abruzzen hat der 2006 verstorbene Edoardo Valentini schon in den 80er Jahren verstanden, wie man aus Trebbiano Abruzzese und Montepulciano unvergessliche Weine keltert. Hugh Johnsson, der beide (!) Valentini Weine in sein Buch „1001 Weine, die Sie probiert haben sollten bevor das Leben vorbei ist“ beschreibt, erklärt: „Edoardo Valentini hat immer mehr Wert darauf gelegt, dass sein Wein „den Dialekt“ spricht, als ihn nach wissenschaftlichen Methoden zu keltern“.
Heute ist man in Italien stolz auf die einzigartigen, einheimischen Rebsorten und erkennt ihr enormes Potential – nicht nur in Bezug auf den kommerziellen Erfolg! Denn irgendwie ist es in Italien doch auch immer ein wenig „eine Frage der Ehre“. Was kann es den Schöneres geben als einen Wein herzustellen, der auf einzigartige Weise zu einem echten Botschafter seiner Heimat wird?

Die Geografie der Abruzzen

Die Region Abruzzen gilt als „grünste Region Europas“; fast die Hälfte der Gesamtfläche von 10763 km2, bedecken größere Naturschutzgebiete und kleinere Naturreservate. Über die Hälfte besteht aus atemberaubender Berglandschaft; der Rest sind Hügellandschaften – einige davon überblicken die Adria. Hier, in den südlichen Apenninen, befinden sich auch der berühmte, sagenumwobene Gran Sasso 2912 m und der Monte Amaro, der im Naturschutzgebiet des Majella Gebirges eine Höhe von 2793 m erreicht. Der Einfluss der Adria, die vielen Sonnenstunden, die niedrigen Nachttemperaturen in den höher gelegenen Anbaugebieten mit Tag-Nacht-Temperaturschwankungen bis zu 15 Grad C, Luftströmungen, die zwischen den Bergen und dem Meer zirkulieren, und geeignete Sandstein/Tonböden, die teilweise Kalk und Vulkanasche beinhalten, bieten hier perfekte Voraussetzungen für den Weinanbau. Besonders für die Entstehung von fruchtbetonten Weinen der Rebsorte Montepulciano – nicht zu verwechseln mit dem Rotwein „Rosso di Montepulciano“!

Leuchtende Farbe - Der Montepulciano Cerasuolo

Der für seine Ausgewogenheit und schöne Frucht bekannte Rotwein Montepulciano D’Abruzzo hat sich schon längst sehr erfolgreich auf den internationalen Märkten etablieren können. Ein weiterer Grund weshalb diese Rebsorte circa 80 % der heutigen Rebfläche in den Abruzzen beträgt – was sich womöglich durch den neuen Erfolg des Pecorinos bald ändern könnte - ist der Tatsache zu verdanken, dass aus derselben Rebsorte ein köstlicher und einzigartiger Roséwein gekeltert wird: der Cerasuolo d’Abruzzo. Den besonderen Namen verdankt er seiner außergewöhnlichen Farbe: ein helles Kirschrot, das je nach Produzent und Machart mal mehr oder weniger ins Lachsfarbene oder Pink – mehr oder weniger intensiv ausfallen kann (siehe Foto oben).
Ich liebe dieses Spiel von reifer Beerenfrucht, einem Touch Exotic und Rosen, alles untermalt von einem saftigem, leicht salzigem Unterton und aromatischen Kräutern. Es gibt sehr vielschichtige Vertreter des Cerasuolo d’Abruzzo, die obendrein ein langes Lagerungspotential haben – im Unterschied zu den meisten Vertretern der Kategorie Roséwein. Ich mag auch französischer Roséweine. Keine Frage – aber wenn es ein Wein schafft „Charakter und Trinkspaß“ zu verbinden, dann ist es der Cerasuolo d’Abruzzo! Das BESTE ist, er passt außerdem eigentlich zu jedem Essen und jeder Gelegenheit. Ich habe mich mal wieder in einen Wein verliebt!

Die Autorin Annette Lizotte aus Malmö reiste auf Einladung des Consorzio di Tutela Vini D’Abruzzo in die Abruzzen

Abruzzen und die Genossen - Cantina Tollo und Cantina Orsogna

Ich habe während meines Besuches in den Abruzzen einen außerordentlich positiven Eindruck von der Rolle der Kooperative bekommen. Ich denke, hier wurden in jüngster Zeit viele Schritte in die richtige Richtung getan. Riccardo Brighigna, Önologe der Cantina Tollo, der nebenher für den Titel „Master of Wine“ studiert, zeigt Leidenschaft, Professionalität und Bescheidenheit. Das durchgängig hohe Niveau der vorort verkosteten Weine spricht eine eindeutige Sprache!
Toll fand ich die biodynamischen Weine der Kooperative von Orsogna, die mit Ihren Weinen der Marke „LUNARIA“ wirklich interessante, neue Produkte aus biodynamischem Anbau (Demeter zertifiziert) anbieten. Sie haben auch ein paar „Pet Nat“ Sparkler, wie „Labelle“, ein trockener Malvasia Brut Nature (wirklich einzigartig!), oder ein Pinot Grigio mit leichter Mazeration auf den Schalen. Cantina Orsagos Trebbiano d’Abruzzo “Charisma” entpuppte sich dank seines intensiven Geschmacks und der hohen Säure zum hervorragenden Essenbegleiter für Crespelle mit cremiger Käsesoße und grünem Spargel. 

DOC Villamagna - NEU

Der Zusammenhalt der Winzer in den Abruzzen, insbesondere in der kleinen und recht jungen DOC Villamagna, ist schon besonders und beindruckend. Der klare Fokus auf Authentizität, Qualität und Nachhaltigkeit ist spürbar, allerdings fehlen bislang noch gemeinsame, charakteristische Merkmale, an denen man „Villamagna“ erkennen – besser noch – schmecken kann. Das Gebiet von Villamagna befindet sich im Herzen des Anbaugebiets Montepulciano d'Abruzzo und ist in der Region Abruzzen einzigartig: die Distanz zur Adria und dem Majellagebirge ist fast exakt dieselbe. Ein besonders günstiges Mikroklima für den Weinbau bietet die Kombination von Meeresbrisen aus Südosten und dem Schutz der Apenninen im Nordwesten, sowie die hohen Tag-/Nachttemperaturunterschiede – bis zu 15 Grad Celsius im Sommer. Weine aus diesen Weinbergen erkennt man an ihren einladenden fruchtig, floralen Primäraromen. Villamagna DOC wurde geschaffen, um diese Einzigartigkeit zu schützen. Um eine besondere Qualität gewährleisten zu können, wurde nur die besten Lagen (u.a. 30 und 180 m über dem Flussniveau gelegen) ausgesucht und neben Ertragsbeschränkungen, die Anbaufläche des Gebietes auf 35 ha begrenzt. Derzeit füllen folgende Weingüter Villamagna DOC ab: Cantina Villamagna, Agricosimo, Cascina del Colle sowie Torre Zambra.

Die fast 60 Weingüter des GRAND TASTING  in der VILLA ESTEA

AZIENDA TILLI, BOSCO, CANTINA BOTTARI; CANTINA FRENTANA, CANTINA MIGLIANICO, CANTINA SAN GIACOMO, CANTINA TERZINI, CANTINA TOLLO, CANTINA VILLAMAGNA, CANTINE MALIGNI, CANTINE MUCCI, CASCINA DEL COLLE, CASAL THAULERO, CATALDI MADOMMA, CENTOFANTI; CERULLI SPINOZZI, CHIUSA GRANDE, CIAVOLICH, CODICE CITRA, COLLE MORO, FONTEFICO, GIACOMO RADICA; IL FEUDUCCIO, MARCHESI DE CORDANO, NIC TARTAGLIA, NICODEMI; NICOLA DI SIPIO, OLIVASTRI TOMMASO; PASETTI; RAPINO; RABOTTINI VINI, SAN LORENZO VINI; SPERANZA, STEFANI PEPE; TALAMONTI; TENUTA ARABONA, TENUTA I FAURI, TENUTA TERRAVIVA, TENUTA TRE GEMME, TOCCO; TORRE DEI BEATI, TORRE ZAMBRA; VALLE MARTELLO, VALLE TRITANA, VALORI; VINCO; ZACCAGNINI