Trebbiano und Pecorino aus den Abruzzen + Cerasuolo!

Die einheimischen Sorten der Abruzzen sind im Vormarsch, und auch ein historischer Rosato

Annette Lizotte aus Malmö reiste auf Einladung des Konsortiums in die Abruzzen. Sie liefert einen persönlichen Erfahrungsbericht mit reichlich Emotion für Weine und Menschen.

Trebbiano d’Abruzzo, der typische Weisswein der Abruzzen, löst sehr unterschiedliche Gefühle aus. Wie kann es sein, dass es so enorme Qualitätsunterschiede gibt? Was denken Sie jetzt? Ist es ein eher neutraler Weißwein – ohne Lob und Tadel – oder haben Sie schon mal den Trebbiano d’Abruzzo von Valentini probiert, der in dem Buch von Neil Beckett 2008 zu einem der 1001 Weine gehört, die man einmal im Leben gekostet haben sollte? Es gibt einige interessante Fakten, die schnell klarwerden lassen, weshalb Trebbiano nicht gleich Trebbiano ist.

Bedanken wir uns bei Ian D’Agata, der sich seit über zwanzig Jahren intensiv mit den einheimischen italienischen Rebsorten befasst hat und seinen Forschergeist nicht auf Oberflächliches beschränkt hat, sondern Fakten zusammengetragen und viele Menschen mit seiner Neugier und Expertise auf dem Gebiet Mut gemacht hat! Dank des daraus entstandenem Buches „Native Wein Grapes of Italy“ wissen wir nun, dass man im Jahr 1925 noch 15 verschiedene Trebbiano Arten verzeichnete. Ob der Name herkunftsbezogen ist, vom Namen eines Flusses abgeleitet wurde oder mit dem fränkischen Wort „drajbo“, was so viel bedeutete wie „resistente und lebhafte Rebe“ zu tun hat – wir wissen es nicht genau. Was aber sehr wohl bekannt ist, dass „Trebbiano“ Weine bereits im 13. und 14. Jahrhundert als Luxusgüter gehandelt wurden. Dies erklärt eventuell die große Verbreitung und Anwendung des Namens. Ähnlich sieht es auch mit dem Namen „Malvasia“ aus – eine sehr beliebte Handelsware im Mittelalter, von der es viele verschiedene Rebsorten gibt: nennen wir es eine frühe Form des „Brandings“.

Damit hätten wir geklärt: Trebbiano ist nicht gleich Trebbiano. Trebbiano Abruzzese, im Vergleich zu seinen vielen Namensvettern, ist eine hochwertigere Traube, die langlebige Weine mit hoher Säure, straffer Struktur und facettenreicher Mineralität hervorbringen kann. Hierin ähnelt er einem Chablis, der in Edelstahl ausgebaut wurde. 
Bis vor kurzem nahm man es mit den einheimischen Rebsorten nicht so genau, oft wurden Rebsorten miteinander verwechselt – was vor allem dann ein Problem darstellt, wenn der Lesezeitpunkt nicht perfekt auf die Rebsorte abgestimmt wird. Der Trebbiano Abruzzese ist da besonders empfindlich. Wird er zu spät geerntet, verliert er schnell seine Säure – ein weiteres Problem dieser Rebsorte. Reich an Polyphenolen, oxidieren diese Trauben bei der Weinbereitung besonders schnell. Deshalb ist es wichtig, diese Rebsorte im Weingarten von den anderen zu differenzieren und „sortengerecht“ zu verarbeiten, um ein optimales Ergebnis erzielen zu können: einen Weißwein mit lebendiger Säure, hell strohgelb mit grünen Reflexen der an Zitrusfrucht, Pfirsich und weißen Blumen erinnert und am Gaumen mit außergewöhnlicher Dichte überzeugt. Benchmark für Weine, die aus Trebbiano Abruzzese gewonnen werden, sind Valentinis Trebbiano d’Abruzzo DOC und Tiberios Trebbiano d’Abruzzo DOC „Fonte Canale“.
Der Weißwein mit dem Namen Trebbiano d’Abruzzo darf aus den Rebsorten Trebbiano Toscano, Trebbiano Abruzzese und Bombino Bianco gekeltert werden. Es gibt keine Regelung zum Verhältnis der drei Rebsorten zueinander. Wenn ich manchen Quellen glauben darf, gibt es hier und da noch Weingärten, in denen die Rebsorten gemischt eingepflanzt wurden. Tatsache ist, es sind drei sehr unterschiedliche Rebsorten, die unterschiedlich reifen und andere Charakteristika aufweisen; sowohl im Weingarten, im Keller als auch in der Flasche. Daraus Weine zu erstellen, die „Emotionen“ wecken, ist ziemlich schwierig.

Hier die Weingüter unserer Auswahl: Valentini Trebbiano d’Abruzzo DOC, Tiberio “Fonte Canale”, Masciarelli/DOC Riserva Marina Cvetic, Camillo Montori – Trebbiano d’Abruzzo DOC Fonte Cupa , Centorame – Trebbiano d’Abruzzo DOC Castellum Vetus, Emidio Pepe – Trebbiano d’Abruzzo DOC BIO, Torre dei Beati – Trebbiano d’Abruzzo DOC Bianchi Grilli, Torre Zambra -  Trebbiano d’Abruzzo DOC Colle Maggio, Valle Reale (verschiedene Weinberge – verschiedene Charakteristika: Vigneto Popoli = fruchtiger und schmelzender am Gaumen/ Vigna dal Convento di Capestrano aus einer höheren Lage = höhere Säure, mineralischer und straffer. Beide eignen sich für langere Reifung (aus Guida Vini Buoni dItalia 2018).

Der weisse Schafskäse? (Pecorino)

Die Rebsorte Pecorino – besticht durch knackige Säure, Fruchtnoten von Äpfeln und Birnen und einem salzigen Unterton, der diesem Wein besonderen Ausdruck und Länge verleihen. Der Name Pecorino hat - wie beim gleichnahmigen Käse - mit dem SCHAF zu tun, pecora = Schaf und rührt wohl daher, dass diese Rebsorte hauptsächlich in grünen Gegenden und Hügeln angebaut wurde, wo Schäfer mit Ihren Schafen verweilten und die Trauben dieser Rebsorte bevorzugt verzehrten. Allerdings geht man davon aus, dass sie ursprünglich aus den Marken stammt. 
Pecorino wurde, wie viele autochtone Sorten im Laufe des 20 Jahrhundert, durch produktivere Rebsorten ersetzt und geriet damit lange in Vergessenheit. Ian d’Agata berichtet in seinem 2014 erschienenen Buch über die einheimischen italienischen Rebsorten, dass Pecorino nicht nur eine „great grape variety“ ist, sondern auch zu den einheimischen, italienischen Rebsorten gehört die international den größten Erfolg erlebt und damit ein glorreiches Comeback feiern durften. Noch vor 20 Jahren konnte man kaum einen reinsortigen Wein dieser Sorte finden – heute feiert man Pecorino in wichtigen Exportmärkten wie einen Superstar. Zu verdanken haben wir die Wiederentdeckung der Rebsorte und dem großen Erfolg vor allem zwei Männern, die durch Neugierde, Können, Leidenschaft und hohen Qualitätsansprüchen die Maßstäbe gesetzt haben – ohne die es nie so weit gekommen wäre.
Guido Cocci Grifoni, dessen 1933 gegründeter Familienbetrieb in den Marken, heute von seiner Witwe und den Töchtern erfolgreich weitergeführt wird. Er hat sich in den 80er Jahren entschieden, mehr auf Klasse statt Masse und auf einheimische Rebsorten zu setzten, worauf er sich auf die Suche nach einer geeigneten Rebsorte machte. 1982 bot man ihm einen 80-jährigen Weingarten an, aus dem er die besten Pecorino Mutterpflanzen selektierte, diese in seinen Weingärten anpflanzte, vermehrte und schließlich seinen ersten Pecorino „Colle Vecchio“ abfüllte. Bis 2000 blieb er der einzige Winzer, der einen reinsortigen Pecorino erzeugte – so berichtet D‘Agata in seinem empfehlenswertem Buch weiter. Die Neuigkeit und der Erfolg dieses Weines hat dann Winzer sowohl in den Marken wie auch den benachbarten Abruzzen motiviert, Pecorino anzupflanzen und ihre eigene Version auf den Markt zu bringen. 
Philosophie-Professor und passionierter Winzer Cataldi Madonna schaffte den Durchbruch für Pecorino in den Abruzzen. Mit seinen preisgekrönten Weinen überzeugte er schnell auch weitere Winzer, neuen Platz zu machen für die Rebsorte, die viel zu lange im Schatten des bekannteren Trebbiano stand.
Was darf man also von diesem hochgepriesenen Pecorino als Weinliebhaber erwarten? Auch wenn es zwischen den Marken und Abruzzen in der Kellertechnik unterschiedliche Vorlieben gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (in den Marken wird mehr mit Schalenkontakt gearbeitet als in den Abruzzen), gibt es auf jeden Fall einen gemeinsamen Nenner: die hohe Säure und eine bemerkenswerte Dichte/Tiefe, die wir der Tatsache zu verdanken haben, dass die Pecorino-Rebe von Natur aus wenig und damit höhere Qualität produziert. Diese natürliche „Konzentration“ führt unweigerlich zu alkoholreicheren Weinen, die aber im Gesamtbild trotzdem sehr harmonisch bleiben. Kellertechniken, die eine reduktive Kelterung des Mostes anwenden und deren Trauben vorher intensiver, direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt waren, entwickeln oft Noten, die sehr einem Sauvignon Blanc ähneln. Insgesamt kann man den Pecorino als einen lebendigen Weißwein bezeichnen; charaktervoll, unprätentiös, aber mit einem Charme, der einen nicht gleichgültig lässt - sage ich.

Cristiana Tiberio - anerkannte Pecorino-Expertin sagt in D’Agata’s Buch, sie liebt die bemerkenswerte Kombination von "Rustikalität und Raffinesse!" Die nachfolgenden Pecorino Tipps sind Weine, die ich zum Teil persönlich vorort auf Einladung des Consorzio Tutela Vini D’Abruzzo im Mai 2019 verkosten durften sowie Empfehlungen meiner italienischen Kollegen von Vini Buoni d’Italia – allen sei hier nochmal Dank gesagt!

Abruzzen: Castaldi Madonna, Pasetti mit Abruzzo Doc, Pecorino Collecivetta, Di Sipio, Il Feuduccio, Nic Tartaglia (meine persönliche Neuentdeckung – alle Weine super!), Tiberio (wenn Du sie noch nicht kennst – Cristina Tiberio ist „ein Star“ ein der Szene – ich habe auch noch nicht weiter recherchiert, weiß aber, sowohl ihr Pecorino als auch ihr Trebbiano d’Abruzzo werden hoch gelobt! Vor allem im Ausland!
Agricosimo (sein Cha-Pe ist eine elegante Cuvée aus Chardonnay und Pecorino, in Barrique ausgebaut), San Lorenzo Vini (Teramo) hat höchste Auszeichnung für Pecorino Abruzzo DOC bekommen, Torre die Beati (4 von 5 Sternen) mit Abruzzo DOC Pecorino Bianchi Grilli),  Cantine Mucci, Cantina Wilma (Chieti/ höchste Bewertung von Vini Buoni d’Italia 2018 für Pecorino Colline Teatine IGT 2016, Ciavolich (Pescara) höchste Bewertung von Vini Buoni d’Italia 2018 für Pecorino Colline Pescaresi IGT Pecorino Aries 2016), Fattoria La Valentina mit Colline Pescaresi IGT Pecorino, Feudo Antico mit Terre Aquilane IGT Pecorino Casadonna und Tullum DOC (nun DOCG!) Pecorino Biologico!, Fontfico (Chieti), Abruzzo DOC Superiore La Canaglia, Illuminati mit Contraguerra DOC Pecorino. 
IAN D’AGATA schreibt: Beste Pecorino-Weine: IGT Terre di Chieti oder Colline Pescaresi, DOC Controguerra (Schaumwein!) - reduzierte Weinbereitungstechniken und spezielle Hefen, die an Sauvigno Blanc erinnern, hoch im Alcohol (14 bis 14,5 Vol%), bleiben dennoch knackig und ausgewogen.