Peters scharfer Blick auf die mittelitalienische Weinregion Marken

Trotz Verdicchio und Montepulciano sind die Marken eine unbekannte Marke

Wer träumt nicht manchmal von noch nicht überlaufenen Reisezielen in Westeuropa ? Die italienischen Marken haben sich einen Rest von Ursprünglichkeit und Authentizität bewahrt und bieten dem Weinliebhaber noch einige Entdeckungen. Wer das erste Mal zum „Ellenbogen“, also nach Ancona, der Hauptstadt der italienischen Provinz Marken kommt, wird einer angenehmen Provinzialität schon auf dem putzigen Flughafen gewahr. Noch weitgehend unbeleckt vom Massentourismus und auch nicht unbedingt Ziel von Edeltouristen wie das Piemont, die Toskana oder Südtirol haben sich die Marken fast den Status des Geheimtipps bewahrt. In der mittelitalienischen Region mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern findet man noch vielerorts das Flair der 1960er-Jahre, als die italienische Kultur und Lebensart durch den Adriatourismus wieder zu einem Thema vieler Deutscher wurde.
Natürlich findet man wie überall am Stiefel die üblichen pittoresken Dörfer, meist auf Bergkuppen, mit ihren mittelalterlichen Gassen, prächtigen Sakralgebäuden und auch den unvermeidlichen peripheren Industriezonen. Reiche Historie allenthalben muss man nicht suchen. Alles scheint einen Tick gemächlicher und unaufgeregter zu laufen. Es gibt wunderbare Landesprodukte wie Olivenöl, diverse Salamisorten, exzellenten Käse, Honig und natürlich den Wein. Die Slow-Food-Bewegung mit ihren manuell erzeugten Bioprodukten findet hier immer größere Verbreitung und ein ökologischer Ansatz ist bei vielen Erzeugern sehr wichtig geworden.

Verdicchio aus den Gemeinden Jesi und Matelica

Beim Weißwein gelangte der vom großen Weingut Fazi Battaglia weltweit distribuierte Verdicchio dei Castelli di Jesi vor Jahrzehnten zu einiger Bekanntheit, hauptsächlich durch die markante Amphorenflasche, ein genialer Marketingtrick. Diese Flasche sieht man gelegentlich bei Erzeugern noch, doch wird sie eher verschämt präsentiert, denn die qualitativen Ansprüche der Produzenten  sind wie überall in der Weinwelt gewachsen. Der Verdicchio, die weiße Hauptrebsorte der Region, wächst in zwei DOC(G) -Gebieten: der Verdicchio die Castelli di Jesi um das malerische Städtchen Jesi, hier vornehmlich auf eher sandig-lehmigen Böden, und dem Verdicchio di Matelica um die im Regionsinneren gelegene Ortschaft Matelica, eingebettet in Apenninberge, deren Gipfel bis 900 Meter reichen. Hier sind die Böden kalkhaltiger und mineralischer und das Klima  - man zählt etwa 30 Mikroklimata - rauher. Die Weine müssen jeweils zu 85 % aus Verdicchio bestehen.
Das recht rührige Consorzio mit seinen 500 Mitgliedern hat sich in einem alten Palazzo in Jesi auf drei Stockwerken eine multimediale Basis geschaffen. Unter der Leitung des honorigen Direktors Alberto Mazzoni werden jahrelang Degustationskurse durchgeführt, es gibt eine interaktive Ausstellung zum Thema Marken und Wein, historische Gegenstände werden präsentiert. Die Enoteca, wo landestypische Weine verkostungsbereit stehen und auch eine aktiv betriebene Küche ist derzeit leider geschlossen. 

Die Exporte des Verdicchio steigen, die wichtigsten Exportländer sind die USA, Japan, die Schweiz, Rußland und nicht zuletzt China. Die Weine kommen in den verschiedensten Gelbschattierungen daher und typisch sind in den meisten Weinen eine agrumenbetonte Frische, eine belebende Säure, alles oft mit feiner Bitterkeit unterlegt, die Länge und Struktur gibt. Er wird meist jung getrunken, was in Verbindung mit den überall erhältlichen frischen Meeresfrüchten eine genußreiche Kombination ist. Jedoch kann er bei entsprechendem Ausbau – mit selektiertem Lesegut und dem Einsatz von neuen Barriques – ein durchaus sehr entwicklungsfähiger Wein sein, wie ein schön gereiftes Exemplar aus dem Jahr 2008 bewies. Durch die ansprechenden Tertiäraromen erweitert sich dann die Palette der Einsatzmöglichkeiten bis hin zu Kalbfleisch, Aufläufen und fetterem Seefisch.

Conero Rosso aus der Sorte Montepulciano 

Rotweine gibt´s hier auch: Der Rosso Conero, benannt nach dem markanten, Ancona überragenden Berg und seinem herrlichen Naturschutzgebiet. Hier regiert die wärmeliebende Rebsorte Montepulciano, die in dieser Ecke Italiens ihre nördlichste Verbreitung hat. Etwa 50 Produzenten erzeugen hier im Küstenstrich nördlich von Ancona auf 600 Hektar Rotweine, die zumeist ordentlich, einige besser und sehr wenige überragend ausfallen. Eine gewisse Rustikalität ist vielen Weinen eigen, das schafft im besten Fall den Eindruck einer durchaus liebenswerten Authentizität. Auffällig ist, daß bis auf wenige Ausnahmen die beiden großen Platzhirsche Umani Ronchi und Garofoli mit Abstand die durchgängig höchste Weinqualität zu bieten haben. Hier stimmen auf jeder Sortimentsebene Qualität, Ausstattung und Vermarktungskonzept. Der Exportanteil ist hier hoch – teils über 50 % -  der Stil von regionstypisch bis international und alles wird nach einem durchdachten Plan ausgeführt. Bis auf den Campo San Giorgio von Umanchi Ronchi fehlen in der Region leider echte Spitzenweine, die den Erzeugern einen Schub geben könnten. Die soliden Roten werden in der Basisversion zumeist zwischen 7 - 10 Euro gehandelt, die später gelesenen und oft im Barrique aufgehübschten Riservaweine kommen auf 14 - 25 Euro, was in Ordnung geht. Hier ist gerade bei jüngeren Erzeugern wie etwa Mattia Moroder aus Ancona schon ein Streben nach qualitativer Weiterentwicklung zu registrieren, was sich in seinen ansprechenden Weinen durchaus manifestiert, doch der Weg zur internationalen Vermarktungsbühne mit ihrem gnadenlosen Konkurrenzkampf ist für die meisten noch weit. Doch vor Ort in der vielfältigen Landschaft mit ihrem sanften Tourismus kann der Genießer seine Freude haben, deshalb: auf zur Entdeckungsreise.   

Weintipps von Peters Reise:
2015 Meridia, Verdicchio di Matelica, Belisario,
2017 Verdicchio di Matelica Riserva, Umberto Gagliardi,
2016 Tardivo ma non Tardo, Verdicchio dei Castelli di Jesi, Azienda Santa Barbara, Stefano Antonucci, 
2017 Crisio, Verdicchio dei Castelli di Jesi Riserva, Casal Farneto,
2015 Podium, Verdicchio die Castelli di Jesi Classico Superiore, Garofoli,
Spumante: 2010 Brut Riserva, Garofoli, 

2015 Dorico, Conero Riserva, Cantina Moroder,
2013 Decebalo, Conero Riserva, Silvano Strologo,
2015 Terra Calcinara, Conero Riserva, La Calcinara, Paolo Berluti,
2012 Campo San Giorgio, Conero Riserva, Umani Ronchi,
2012 Rossini, Conero Riserva, Piantate Lunghé, Roberto e Guido Mazzoni

Foto unten: Strand-feeling in der Nähe des Conero, Foto Peter Schneider