Weine und Winzer - Abraham versus Kellerei Bozen in Südtirol

Kleinstwinzer aus Eppan versus erfolgreicher Weinbauerverbund

Südtirol ist in Bewegung. Wie etliche Familien, die jahrelang Trauben für die Kellereien angebaut haben, gehen nun auch Martin & Marlies Abraham ihren eigenen Weg, keltern ihre Trauben und füllen selbst Wein ab. Das begann vor nicht einmal 10 Jahren. Heute ist das Weingut bereits für Fachleute kein Geheimtipp mehr, sondern ein Garant für ausgezeichnete Weißburgunder und Blauburgunder.
Sie führen ihr kleines Weingut in Eppan an der Weinstraße auf eine ganz eigene Art und Weise. Sie scheinen irgendwie der schnelllebigen Zeit entrückt zu sein, haben ihren Puls und eigenen Rhythmus gefunden. „Nachhaltigkeit bedeutet für uns eine bescheidene Lebensweise, Eigenverantwortung im Handeln und Freiheit im Denken“ – Dies sind nicht nur elegante, zeitgemäße Worte, sondern die gelebte Philosophie, die mich von Anfang an beeindruckt hat. Für die Familie Abraham symbolisiert der auf den Etiketten abgebildete Wiedehopf eben diese Philosophie. 
Aus dem überschaubaren Sortiment habe ich zwei Weißburgunder ausgewählt, die das Gesagte widerspiegeln ebenso wie die einzigartigen Weinbergslagen in Eppan Berg mit ihrem Kalkstein unterhalb des Mendelgebirges. Abgefüllt werden Lämm und Muschelkalk übrigens mit einem Glasstopfen anstatt Natur- bzw. Plastikkork.
„Vergessen sie alles, was sie über Weißburgunder aus Südtirol kennen, diese Weine erweitern ihren Horizont!“

Weißburgunder In der Lämm

Martin Abraham, ist ein selbst und zeitkritischer Mann, der eine tiefe Denkerfalte auf der Stirn hat, dabei findet er stets die passenden Worte: „Mit der Natur zu arbeiten, das bedeutet Kompromisse einzugehen. Die Spannung entsteht zwischen Handeln und Loslassen, eine Gratwanderung und tägliche Herausforderung. Wenn sie uns gelingt, entstehen große Weine!“ 
Ein Geheimnis der Güte des Weines sind die sehr alten Weinberge. Es sind traditionelle in Pergelform (Hochstamm) erzogenen Reben, die im Jahre 1960 vom Großvater gepflanzt wurden. Die besondere Qualität der kleinen Trauben bewahrt Martin durch eine Handlese in drei Durchgängen, bei der nur die besten Trauben geerntet werden. Denn Martin möchte zeigen, dass dieser Weißburgunder aus Südtirol zu den großen Weißweinen der Welt gehören kann.
Notiz: Leuchtendes Gelbgrün, einladender Duft von Apfel, Birne, Mandarinenblüte, würzige Blüten, die Mineralität des Weines ist greifbar, am Gaumen feine Säure, facettenreiche Aromen, eingebundene Phenolik (das sind die positiven Bitternoten) von Erde und Holz. 
Der Wein besitzt ein salzig-mineralisches Mundgefühl (extrem schlank und intensiv), das den Wein von fast allem abhebt, was sie vielleicht kennen und erwarten.
Lassen sie dem Wein die Zeit im Glas, damit er sich entfalten kann. Der Wein hat Biss, weshalb er sich zu gut gewürzten Gemüsegerichten oder kräftigen Salaten anbietet. Für mich ist es ein Meditationswein, der für sich genossen viel zu erzählen hat. Von diesem raren Wein sollten sie 6 bzw. 12 Flaschen kaufen, solange sie verfügbar sind. Es lohnt sich, seine Reifeentwicklung in den nächsten Jahren zu verfolgen. Lediglich 4.000 Flaschen gibt es pro Jahr.

„Mit der Natur zu arbeiten  bedeutet Kompromisse einzugehen. Spannung entsteht zwischen Handeln und Loslassen, diese Gratwanderung ist die tägliche Herausforderung, wenn sie uns gelingt, entstehen große Weine“. Den Weißburgunder In der Lämm 2014 habe ich im Rahmen des Weißburgunder Events in Eppan zusammen mit anderen Südtirolern und internationalen Weißburgundern verkostet. Der Lämm ragte aus vielerlei Hinsicht heraus, er war gekonnt im Holzfass ausgebaut - nicht immer gelingt die Vermählung der Frucht und der Gerbstoffe des Holzes so eindringlich - und zeigte neben der Nachhaltigkeit am Gaumen eine tänzerische Leichtfüßigkeit, die angesichts des anspruchsvollen 2014er Jahrgangs sehr selten zu finden ist. In dem Moment, als viele Kollegen bereits den 2015er Jahrgang zeigten, stellte Martin Abraham seinen Vorjahresjahrgang in die Reihe – denn seine Weine brauchen und erhalten die Zeit - und gab damit eine ausgezeichnete Figur ab, was selbst die Südtiroler Journalisten am Tisch nicht erwartet hatten. Der 2015er Jahrgang ist eine Bestätigung des Gesagten, hier schwingt dank des guten Jahres für die Winzer im Weinberg noch mehr von dem Gesagten im Wein mit. Von diesem Wein würde ich mir mehr Flaschen in den Keller legen, um seine Entwicklung über die Jahre mit Freud verfolgen zu können! Der Weißburgunder Lämm wurde übrigens im Herbst 2016 als bester Weißwein Italiens vom Slow-Weinführer ausgezeichnet!

Weißburgunder Muschelkalk

Was unterscheidet den Muschelkalk vom Lämm? Vom Weinberg Lämm führt der Weg noch einmal 100 m hinauf bis auf 600 m in Eppan Berg. Hier am Fuße des Mendels finden sich zig Gesteinsarten, und auch Platten von Muschelkalk. Aus dieser Parzelle erwächst ein sehr alpiner, spannungsgeladener Wein mit einer tiefgründigen Säure, Frische und Eleganz. Zum ersten Mal im Jahre 2016 erzeugt, lediglich 2.300 Flaschen gibt es pro Jahr. Ein spannender Vergleich, denn der Muschelkalk wird identisch zum Lämm nach mehrfacher Handlese, sanfter Pressung und natürlicher Klärung in gebrauchten Holzfässern vergoren, nach dem BSA lange auf der Vollhefe gelagert und aus dem Stahltank heraus 1,5 Jahre nach der Ernte abgefüllt. Beide Weißburgunder, Muschelkalk und Lämm, sind „staubtrocken“ bzw. durchgegoren.
Notiz: Leuchtendes Gelbgrün, einladender Duft von Apfel, Zitrusfrüchte, viel Mineralität, am Gaumen präsente Säure, facettenreiche Aromen, eigenständige Mineralität dank des Kalk-Terroirs, salzig-mineralisches Mundgefühl (schlank und intensiv). Es ist ein Wein, der Ihnen etwas abverlangt, ein sehr alpiner Weißwein, knackig und frisch bis ins Mark der Rebsorte Weissburgunder. Es lohnt sich, seine Reifeentwicklung in den nächsten Jahren zu verfolgen, insbesondere im Paar mit dem anderen Weißburgunder-Terroirwein Lämm.

Für Gewürzfans: Im Gewürztraminer schwingt die gleiche Kompromisslosigkeit und Tiefe mit, die der Weißburgunder besitzt. Ihn zu verkosten, ist eine helle Freude, denn wie kein zweiter ist es ein wahres Feuerwerk an Aromen und Assoziationen, die dieser körperreiche und schwere Weißwein hervorruft. Sehr parfümiert zu Beginn, mit Rosenwasser und Muskatblüte, bewegt er sich zu einem Dufterlebnis wie in einem orientalischen Gewürzbasar, bei dem Moschus, Patschuli, Galgant aufblühen. Weiter in der Tiefe offenbaren sich die Fruchtnoten von karamellisiertem Aprikosen-Tart bzw. Orangenlikör gefolgt von den Feinhefenoten. Wenn ihr andere Gewürztraminer daneben stellt und verkostet, werdet ihr wirklich erkennen, wie gelungen dieser Wein ist, eine grandiose Sinfonie für alle, die diese Rebsorte liebe. Für die Gewürztraminer-Liebhaber ein wahrer Göttertrunk: Ab dem 2015er heisst der Gewürztraminer nun Upupa Orange, bleibt ein Feuerwerk an Aromen und Assoziationen, die dieser körperreiche und schwere Weißwein wie kein zweiter lostreten kann. Mit dem neuen Jahrgang geht Abraham noch konsequenter den Weg möglichst viele Aromen aus den Trauben herauszuziehen und ins Glas zu bannen.

Das Kontrastprogramm zum Kleinstwinzer - Die Weine der Kellerei Bozen

Stephan Filippi und Lagrein, das ist wie Lewandowski und Bayern München, er trifft wie er will und entscheidet meistens im Alleingang das Spiel fürs Team. Ohne Flunkern kann der eigentlich skibegeisterte Kellermeister nicht nur in Rot glänzen, mit dem Vernatsch und dem Lagrein, sondern auch mit den Weißen wie zb dem Sauvignon blanc. Dort hat Filippi mittlerweile ebenso die Goalgetter-Qualität bzw. Qlympiaform, wie seine jüngste Sauvignon blanc Riserva eindrucksvoll belegt. 
Die Verantwortung für die Geschicke der Kellerei Bozen ruht auf sehr breiten Schultern und einer Länge von fast 2 m, was Stephan sicherlich hilft, bei den großen Projekten den Überblick – bzw. die Lufthoheit im Sechzehner - zu behalten, der geglückten Fusion der beiden Bozener Kellereien (Gries und St. Magdalener) und dem Neubau der Kellerei Bozen am Stadtrand, der 2018 fertig gestellt sein wird.

Lagrein (Basis) oder Sauvignon Riserva

Lagrein ist eine beliebte Rebsorte in Südtirol, die Anbauflächen sind stetig gewachsen. Seinen Ursprung und die besten Bedingungen findet die Sorte im begrenzten Bozener Schwemmland, wo die Kellerei Bozen und zb die Kellerei Muri-Gries zuhause sind. Gute Voraussetzungen also für die Kellerei Bozen und den Lagrein. Bozen beweist seit fast zwanzig Jahren mit ihrem hoch dekorierten Lagrein Taberhof Riserva, dass die Sorte zu komplexen und lagerfähigen Rotweinen in der Lage ist. Bei den jüngeren Weinen bedarf es schon des Könnens eines Stephan Filippi, um einen Wein mit viel Rebsortencharakter in die Flasche zu bringen. 
TIPP: Vergleichen Sie ihn mit einem Rotwein in ähnlichem Preissegment aus Norditalien, wie dem Dolcetto I Tralci von Luigi Tacchino, der geschmacklich gar nicht so weit weg liegt. Schmeckt immer, wenn Sie Lust auf Rotwein haben, der nicht aus kleinen, geschmacksprägenden Holzfässern stammt. Viel Wein fürs Geld!

Sauvignon blanc ist eine aromatische Sorte, die von der Loire über Neuseeland bis in die Pfalz sehr viel Freunde gefunden hat. In Südtirol besitzt Sie eine ganz eigene Aromatik, die mit Holunderblüten und Litschi annähernd beschrieben werden kann. Mit der Auslese der besten Trauben legt Stephan Filippi die Basis für das harmonische Fruchtspektrum und die feingliedrige, intensive Mineralität, die vom Bergklima in Bozen und dem guten Gaumen des Kellermeisters zu erzählen weiß. Dieser Riserva-Wein zählt für mich mit seiner Intensität und straffen Struktur bereits jetzt zu den Sauvignon-Blanc-Größen in Südtirol.
Mit seiner eindringlichen und doch zurückhaltenden Frucht passt der Sauvignon blanc wunderbar zu raffinierten Pasta-Gerichten auf Gemüsebasis, andererseits bietet er auch einem deftigen Spinatknödel locker Paroli.

Zu den neuen Topweinen von Bozen und der Arbeit der Weinbauern lesen sie das Profil auf Weinwelten