Cerasuolo, Morellino, Lambrusco und Etna Rosso

4x Weinerlebnis Italien von Judeka, 414, Chiarli, Passopisciaro

Morellino aus Scansano ist ein historisches Anbaugebiet im Süden der Toskana, das Ende der Neunziger Jahre dank millionenschwerer Investitionen zu neuen Ehren kam. Dort gründeten Simone und Mara Castelli ihr Weingut im Jahre 1999 und nannten es einfach wie die Hausnummer. Die Bodenpreise in Scansano konnte Castelli sich noch leisten, zu einer Zeit, als in Montalcino oder im Chianti bereits Mondpreise aufgerufen wurden. Sicher ist es dort etwas leichter einen grandiosen Sangiovese zu erzeugen als in der heißen Maremma, doch Castelli zeigt mit seinen Weinen, dass es möglich ist. Der Wein will auch kein Brunello sein, sondern ein Ausdruck dessen, was Simone in der Maremma an Rebsorten und Anbaubedinungen vorfindet. 

Morellino von Podere 414

Respekt im Umgang mit der Natur und dem Wein: Der Biowein besteht aus viel Sangiovese, der hier Morellino genannt wird, und etwas Ciliegiolo, Syrah und Alicante. Alles Rebsorten werden im Zement und Holz ausgebaut, denn für Simone ist Edelstahl ein Werkstoff, der sich elektrostatisch aufladen kann. 
Der Wein wirkt folgerichtig unaufgeregt, eben nicht geladen, schmeichelnd am Gaumen und kurz gesagt bekömmlich. Er besitzt nicht die geringsten Fehltöne, die manch ein Weinkritiker gerne als Terroir verkaufen möchte. Denn beim Weinmachen ist Simone ein Pedant und Perfektionist, wie es keinen zweiten gibt.

Dennoch ist der Wein kein starrer Klotz, sondern schwingt frei durch den Mundraum, sanft am Gaumen und entschieden in den Aromen, die zu Beginn im Duft mit würzigen Anklängen von Macchia und Leder an die Rebsorten Alicante und Sarah erinnern, die in kleinen Anteilen enthalten sind. Etwas dahinter verbergen sich die Kirschnoten des Sangiovese und des Ciliegiolo, letzteren hat Simone in kleiner Menge im Weinberg gepflanzt. Im Mund dreht sich das Bild dann flugs und die Aromen des Syrah und Alicante machen Platz für die nachhaltige und schmeichelnden Charakter des floralen Sangiovese, der an Veilchen bzw. weißen Blüten erinnert, die in ein sehr stimmiges Gerbstoffgerüst eingebettet sind. 

Auf dem Etikett ist eine Tuschezeichnung vom Weinberg in unmittelbarer Nähe des Kellers und des Wohnhauses der Familie Castelli abgebildet, dazu zwei rote Eimer, mit denen die Trauben gelesen werden. Es ist ein ehrliches Bild für die Sorgfalt und Achtung, die den Trauben zuteil werden. Davon konnte ich mich während der Ernte persönlich überzeugen. Simone könnte aus seinen Weinbergen mehr Wein erzeugen, doch legt er die Latte bei seinen Morellino 414 sehr hoch. Der Wein soll nämlich wie Angelo Gajas Weine ein Aushängeschild für die ganze Region sein. 

Lambrusco von der Tenuta Cleto Chiarli

Startenor Luciano Pavarotti trank ihn, und auch die Bosse von Ferrari und Maserati trinken ihn in Modena, den trockenen Lambrusco aus Sorbara. Dieser Sekt ist ein Teil ihrer Lebenskultur und passt ideal zu den regionalen Gerichten dieser Gegend des Parmiggiano und der Tortellini. In seinem modernen Weingut Cleto Chiarli in der Nähe von Modena in der Emilia erzeugt Anselmo Chiarli eine ganze Reihe von Spitzensekten aus den verschiedenen Klonen des Lambrusco. Das reicht vom hellroten Sorbara bis zum tiefdunklen Grasparossa, den Weinliebhaber in der Vergangenheit am ehesten hierzulande kennen gelernt haben. „Amabile“ (Süss) waren ausnahmslos die Lambruschi, die nach Deutschland exportiert wurden und größtenteils für die Pizzerien und Supermärkte heute noch exportiert werden. Die Sekte von Chiarli, der Vecchia Modena im besonderen, gleichen jedoch viel mehr einem feinperligen, fruchtigen Rosè-Sekt.

Lambrusco di Sorbara "Vecchia Modena" - Unvorstellbar aber wahr, dass dieser Sekt bereits auf der Weltausstellung im Jahre 1900 ausgezeichnet wurde! Heute sorgen moderne Stahltanks und gekühlte Gärung für ein facettenreicheres Produkt als noch vor etlichen Jahrzehnten. Sein intensiver Duft nach roten Früchten wird im Mund von einer präsenten Säure und leichten Süße begleitet. Der Lambrusco ist ein Statement, im Gegensatz zum meist zurückhaltenden Prosecco. Seien Sie neugierig auf einen eventuell ungewohnten, aber verdammt leckeren Geschmack und ein Getränk mit sehr moderatem Alkohol von lediglich 11,0  Vol%. 
Vecchia Modena eignet sich als Aperitiv par excellence, ist ein ideales Getränk für alle Tage des Jahrs, ganz besonders für die angenehmen lauen Sommertage und die heißen Tage unter dem Sonnenschirm.

Etna Rosso von Passopisciaro

Passopisciaro ist der zentrale Ort am Nordplateau des Vulkans Etna in Siziliens Osten. Kurvenreich schlängelt sich die Strasse von Catania und dem nahe gelegenen Meeresküste hinauf nach Linguaglossa, wo etliche der bekannten Winzer des Etna zuhause sind. 
Andrea Franchetti, der mit Tenuta Trinoro zuvor ein Spitzenweingut in der Toskana gegründet hat, begann als einer der Ersten in den Neunzigern Jahren diese lange Zeit vergessene Weinregion neu zu beleben. Er kaufte kleine Parzellen mit sehr alten Rebstöcken der Sorte Nerello Mascalese zwischen 600 und 1000 m Weinberglagen auf feingemahlenen Vulkanböden, die damals kaum einer haben wollte. Das ist heute nach weniger als 15 Jahren ganz anders, selbst die berühmten Sizilianer Planeta, Cusumano und Donnafugata haben nun investiert, und Angelo Gaja!

Von allen Etna Rosso-Weinen - diejenigen aus einzelnen Contrada-Ortsteilen oder dem Petit Verdot-Experiment - gefällt mir von Franchetti seit etlichen Jahren der Passopisiaro Etna Rosso am Besten. Der 2016er Jahrgang, der in großen Lettern das Etikett ziert, ist der Beste der letzten 5 Jahre, ein supersaftiger Rotwein mit burgunderähnlichen Zügen, seine Rotfruchtigkeit liegt voll im Trend der modernen Rotweine aus dem Chianti dem Piemont oder Montalcino. Wer Etna Rosso kennen lernen möchte, dem probiert dieses „Masterpiece“. Aber aufgepasst, im Gegensatz zum Nero d’Avola besitzt der Nerello Mascalese griffige Gerbstoffe und eine herbere Frucht, die in diesem Fall von ganz viel Beerenfrucht eingebettet wird. 

Cerasuolo di Vittoria von Judeka

Das Weingut Judeka – Eine Frau setzt sich durch! Judeka ist die Erfolgsgeschichte von Valentina Nicodemi. Die junge Frau hat sich im Männer dominierten Sizilien durchgesetzt und ihr Weingut in der einzigen DOCG-Anbauregion Siziliens etabliert. Das Weingut ist in der Nähe von Caltagirone zuhause, etwa eine Autostunde von Catania bzw. Vittoria im Südosten der Insel entfernt. 
Caltagirone, das ist u.a. die Stadt des Kunsthandwerks. Hier erzeugt Valentina mit Ihrem Weinmacher zugängliche und leckere Weine aus den sizilianischen Sorten Frappato und Nero d’Avola. 
Ins Auge fallen sofort die bunten und verzierten Weinetiketten. Auch gegen die Widerstände ihrer Männer hat sich Valentina ganz bewusst für diese Variante entschieden, denn Sie symbolisieren das Weibliche und sind darüber hinaus eine Verbindung zur großen Bedeutung der Stadt Caltagirone im Keramik-Kunsthandwerk. 

Aus Sizilien kennen viele Weinliebhaber den Nero d’Avola Rotwein. Mit Frappato können nur wenige etwas anfangen, was nicht verwunderlich ist, denn sie wird auch nur in dem Gebiet um die Stadt Vittoria angebaut. Für sizilianische Verhältnisse besitzt sie eine lebendige Säure, die dem Wein Frische und Saftigkeit verleiht. Mit ihrem aromatisch-würzigen Geschmack ist Sie auch für Italienkenner mit keiner Rebsorte vergleichbar.  Im DOCG-Rotwein Cerasuolo di Vittoria ist der Frappato traditionell ein gleichwertiger Partner der Rebsorte Nero d’Avola. Wie in den meisten Ecken Siziliens zeichnet sich der Nero auch in Vittoria und Umgebung durch seine schmeichelnde und üppige Beerenfrucht und wenig Gerbstoffe aus.

Der Mix dieser beiden Sorten, der Cerasuolo von Judeka überzeugt durch seine einladende und warme Frucht, der Wein ist zweifelsfrei die Antipode zu einem schweren, gerbstoffbetonten Rotwein aus der Toskana oder dem Piemont.
Dennoch passt der Cerasuolo zu herzhaften Gerichten sehr gut, erst kürzlich habe ich ihn zur Gans mit Klößen und Rotkraut getrunken. Er war herrlich fruchtbetont und ließ dem Essen seinen Raum, eine sehr stimmige Kombination für diejenigen, die auch einmal etwas Neues wagen.