Italiens Perlen (bollicine) - Angesagte Dauerbrenner und süße Geheimtipps

Ein prickelndes Vergnügen - Italiens bekannte Spumante und frizzante

FOTO: Franciacorta-Perlen im Glas, Chardonnay und Pinot Noir Trauben bilden die Grundlagen dieses flaschenvergorenen Sektes.

Dezenter Blütenduft, munteres Perlen, fruchtig-leichte Frische, moderater Alkohol, das ist Prosecco. Streng genommen nichts Besonderes – doch das unspektakuläre Getränk aus dem Nordosten Italiens hat es geschafft, bei uns zum Synonym für Party und Feiern zu werden. Es hat, zumindest inoffiziell, das Wort Sekt als Gattungsbezeichnung für schäumende Getränke abgelöst. Es ist sogar schon vorgekommen, dass in einem Fünf-Sterne-Hotel der weißbehandschuhte Kellner edlen Jahrgangs-Champagner offerierte mit den Worten: „Möchten Sie einen Prosecco?“
Der Erfolg dürfte nicht zuletzt auf den Namen zurückzuführen sein. Wortdesigner hätten sich keinen besseren ausdenken können, um ein prickelndes Spaßgetränk optimal zu vermarkten. „Prosecco“, das klingt so zischend frisch, so unwiderstehlich positiv. Wen interessiert da schon, dass das eigentlich nur der Name einer wenig ausdruckstarken Rebsorte war. Bis 2009 jedenfalls. Seitdem nämlich gilt aufgrund einer kuriosen gesetzgeberischen Volte der Name der Traube auf einmal als Bezeichnung für das Anbaugebiet in der Provinz Treviso, die Traube darf sich jetzt nur noch Glera nennen. Außerhalb des streng geschützten Prosecco-Gebiets kann also niemand mehr mit dem lukrativen Namen Geschäfte machen.
Ein weiterer Grund für den rasanten Erfolg des Getränks aus der lieblichen Hügellandschaft um Conegliano und Valdobbiadene liegt wohl ausgerechnet in seiner Mittelmäßigkeit. Er ist kein kompliziertes Luxusprodukt, seine Herstellung kein aufwendiges Handwerk. Er bietet unbeschwerten Genuss, schlicht und erschwinglich. Und er ist teamfähig: Kein eitler Solist, passt er sich in Mixgetränken bereitwillig anderen Zutaten an. Dabei lässt er sich auch, ohne beleidigt zu sein, von dominanteren Aromen die Schau stehlen, etwa vom Holunderblütenduft im unvermeidlichen Sommerdrink „Hugo“.

Prosecco ist der Beliebteste

Besonders preisgünstig ist Prosecco frizzante, ein Perlwein mit schwacher Kohlensäure, äußerlich meist erkennbar am tief in den Flaschenhals gerammten Korken, der sich nur mühsam herausdrehen lässt. Deutlich mehr Druck und üppigere Perlage hat der höherwertige Prosecco spumante, die Schaumwein-Variante, der sich zusätzlich dadurch verteuert, dass auf ihm die Sektsteuer von gut einem Euro pro Flasche lastet. Von süßlich bis staubtrocken sind alle Geschmacksvarianten im Angebot. Mit der winzigen Restsüße eines „extra dry“ kommt die Traube am besten zur Geltung.
Sein alles überstrahlender Erfolg könnte fast vergessen lassen, dass Italien weiß Gott mehr zu bieten als Prosecco: hochwertige Schaumweine nämlich, hergestellt nach dem „metodo tradizionale“, dem Prinzip der traditionellen Flaschengärung. Das aufwendige Verfahren ist das gleiche, wie es für vornehmen Champagner zum Einsatz kommt. Grundwein kommt, zusammen mit Zucker und Hefe, gleich in die Flasche, erst dort findet die zweite Gärung statt. Anders als bei der Gärung im großen Tank, die nach spätestens vier Wochen abgeschlossen ist, darf der Schaumwein bei der Flaschengärung in aller Ruhe reifen – und zwar über Jahre hinweg. Die Perlage wird in dieser Zeit allmählich immer feiner.

Südtirol, Trentino und Franciacorta mit Flaschengärung

Ihre Eleganz und Finesse verdanken diese noblen Erzeugnisse auch der in den Grundweinen enthaltenen Säure. Lebhaft und frisch, gleichzeitig fein und verspielt soll sie sein. Gefragt sind also Trauben, die von Haus aus ordentlich Säure mitbringen, sowie ein kühles Klima, das ebenfalls für die nötige Fruchtsäure sorgt. Gute Voraussetzungen bietet die norditalienische Region Trentin. Um sich Trento DOC nennen zu dürfen, muss ein Schaumwein hergestellt sein wie Champagner, und es werden hauptsächlich Trauben der Burgunder-Familie – Chardonnay und Spätburgunder – verwendet. Platzhirsch im Trentin ist Ferrari, der mit mehr als fünf Millionen Flaschen pro Jahr den Markt beherrscht. Klein und fein ist die Produktion in Südtirol, die ganze Region bringt es auf gerade mal zweihunderttausend Flaschen Südtiroler Sekt im Jahr.
Erste Adresse für Hochkaräter ist aber die Franciacorta in der Lombardei. Nicht nur das Herstellungsverfahren, auch die verwendeten Rebsorten – Chardonnay und Pinot noir – hat der nach seiner Herkunft benannte Franciacorta mit dem Champagner gemeinsam. Die anspruchsvolle Qualität hat ihren Preis, die edelsten Tropfen aus der Franciacorta kosten soviel wie richtig guter Champagner. Das macht den Export nicht eben leicht. Man muss schon sehr italophil sein, um für vierzig Euro Spumante statt hochklassigen Champagner zu kaufen. Doch die sehr guten Basisqualitäten, die Brut-Versionen ohne Jahrgang mit 18 Monaten Hefelagerung, kosten nur wenig mehr wie die besten, tankvergorenen Prosecchi aus Valdobbiadene. Als Besonderheit ist der Weissburgunder in der Franciacorta im Rebsortenmix erlaubt. Die Kategorie Satèn wird aus 100% Chardonnay erzeugt und mit rund 1 bar weniger Druck in die Flasche gefüllt; die weichere Perlage soll vor allem den Frauen schmecken...

Eviva Lambrusco und Moscato

Bei allem Respekt, spannender als die Edelschäumer sind deshalb die originären Prickler, die es so nur in Bella Italia gibt. An einem heißen Sommernachmittag im Schatten einer Platane sitzen und ein Glas duftig-süßen Moscato d’Asti schlürfen – wunderbar! Die besten Winzer der Region Asti im Piemont, zum Beispiel Giorgio Rivetti von La Spinetta, haben ein Faible für das anmutig-verspielte, mit gerade mal füneinhalb Prozent nur schwach alkoholische Erfrischungsgetränk aus der aromaintensiven Muskateller-Traube. Bitte keinesfalls mit der Fabrikbrause namens Asti Spumante verwechseln!
So etwas wie der rote Bruder des Moscato ist der Bracchetto. Rot und aromenschwer, wächst diese Rebe vor allem im Piemont. Für noblen trockenen Rotwein ist sie mit ihrem Erdbeerduft so gar nicht geeignet, als schäumender Gute-Laune-Tropfen hingegen macht sie bella figura. Erst recht, wenn der Spaßwein aus bestem Hause kommt wie etwa der „Bracchetto d’Acqui“ von Braida, der den ursprünglich rustikalen Prickelwein zum niveauvollen Vergnügen aufwertet.

Auch der häufig geschmähte Lambrusco hat durchaus seine Berechtigung. Originell ist der rote Schäumer ohne Frage, und wenn der Winzer sorgfältig arbeitet, auch gut zu trinken. Knoblauchduftende Mortadella, in Würfel geschnitten, dazu halbwegs trockener Lambrusco – das ist Genuss der rustikalen Art, dafür braucht es kein Feinschmecker-Abitur. Einfach runter damit und Spaß haben!
Entstanden ist Lambrusco auf die gleiche Weise wie Prosecco. Als die Bauern dem Temperaturwechsel zwischen den Jahreszeiten noch ohne technische Gegenwehr ausgeliefert waren, passierte nämlich Folgendes: Bei Wintereinbruch stellten die wilden Hefen, die von der Beerenhaut in den Most gelangten, ihre Arbeit ein, bevor aller Zucker aus der Frucht vergoren war. Wurde es im Frühjahr wärmer, nahmen sie ihre Tätigkeit wieder auf, eine zweite Gärung setzte ein, der Wein begann zu prickeln. Wie gut das Ergebnis wurde, war war Glückssache. Auf den Zufall mag man sich heute nicht mehr verlassen, statt dessen packt man den fertigen Stillwein in große Stahltanks, fügt Zucker und Reinzuchthefe hinzu und lässt, bei akkurat geregelter Temperatur, den Wein Kohlensäure entwickeln. Die Methode hat nicht nur ökonomischen Charme, weil sie im Vergleich zur traditionellen Flaschengärung jede Menge Arbeit, Platz und Material spart. Für die Prosecco- pardon, Glera-Traube mit ihrem zarten blümchenhaften Duft ist sie die adäquate Verarbeitung, die ihre fruchtig-frische Note perfekt bewahrt.