Moscato d'Asti oder meine Weinreise ins süße Piemont!

Dagmar Wickert hat die Gegend, Braida und Marenco besucht und war begeistert

Foto oben: Andrea Costa mit Mama Michela und Tante Doretta vom Weingut Marenco, das Moscato, Barbera und Brachetto erzeugt

Barbera, Nebbiolo und Cortese (Gavi) fallen dem Weinliebhaber sofort ein, wenn er an Rebsorten aus dem Piemont denkt. Mein Focus lag dieses Mal jedoch auf der Rebsorte Moscato, die die im Small-Talk von Weinkennern meist nur am Rande vorkommt, obwohl sie mit etwa einem Fünftel der Rebfläche (ca. 10.000 ha) einen recht gewichtigen Platz im UNESCO-Welterbe Langhe-Monferrato einnimmt. 100 Mill. Flaschen werden jährlich mit den beiden DOCG-Weinen Asti Spumante und Moscato d‘ Asti abgefüllt. Interessant ist, dass der Asti Spumante weitgehend nach Russland (2021) gefahren wird, während der Moscato d’Asti vorwiegend nach Amerika geschippert wird. Die allermeisten Asti Spumante sind einfach Supermarktweine wie der auch in Deutschland bekannte Martini Asti Spumante, der in industriellem Maßstab erzeugt wird; hochprofessionell keine Frage.
Es lohnt sich, den Fokus beim Moscato auf die kleinen bis mittelgroßen Weingüter zu werfen, die das Handwerk der Moscato-Erzeugung im Drucktank mit etwas Kohlensäure verfeinert haben und damit zurecht sich in die Riege der Weine mit dem höchsten Qualitätssiegel (DOCG) für einen italienischen Wein einreihen. Die gezielte Unterbrechung der Gärung bei ca. 5% Alkohol und anschließender Kühlung auf ca. 0-4° C machen es möglich, die frische, üppige Frucht des Moscato und die Kohlensäure zu bewahren. 

Süße Entdeckungen im Asti-Gebiet

Moscato d‘ Asti ist ein Frischeprodukt, das traditionell vor Weihnachten und bis zum Frühjahr zu Süßspeisen und bei Festlichkeiten getrunken wird. Manche Typen wie der Scrapona von Marenco sind lagerfähig und machen sogar nach 5 Jahren noch Freude.
Einige Spitzenweingüter des Piemonts wie Ceretto oder La Spinetta , eher bekannt für rote Granaten, erzeugen ebenfalls den leckeren Moscato. Auch das Weingut Braida ist in erster Linie für ihren herausragenden Barbera bekannt. Der „Bricco del Uccellone“ ist ein Kultwein Italiens. Raffaela Bologna (heutige Besitzerin) ist eine quirlige Persona, deren Lebensfreude und Lebendigkeit immer wieder aufs Neue begeistert. Ihr Bruder Pepe (Giuseppe) ist der verantwortliche Önologe. Ihr Mann Norbert, ein gebürtiger Österreicher, verantwortet den Export in die ganze Welt.
Bereits im Alter von 8 Jahren, als der Vater sie die Saftigkeit und das Aroma einer reifen Moscato-Traube probieren ließ, wurde ihr berufliches Schicksal entschieden. Sie lebt den Wein und das steckt an. Vigna Senza Nome heißt ihr Moscato d’Asti, auf dem Etikett wird durch das hervorgehobene G in Vigna der Weinmacher-Tradition in der Familie gehuldigt. Giuseppe, der Großvater, Giacomo, der Vater und schließlich wieder Giuseppe der Bruder von Raffaela werden diese Ehre zuteil. 
Die Winzer beweisen mit ihren Einzellagen-Moscato, dass in bestimmten Momenten diese süßlich-frisch-fruchtigen Moscato-Frizzante ihre Berechtigung haben. Auf jeden Fall sollte dieses göttliche Getränk in den Small-Talk der Kennerszene von piemontesischen Weinen ab und zu eingebunden werden. 

Marenco – Sister Act im Monferrato

Meine Weinreise im Herbst 2022 führte mich auch zum Weingut Marenco. Das passt gar wunderbar ins Profil von Weinwelten, ist es doch ein Betrieb mit Historie und Tradition. Es sind Menschen am Hebel, die Natur und Wein gleichermaßen schätzen und einen einfach begeistern. 
Mitten in Strevi, einem kleinen malerischen Dorf mit knapp 2.000 Einwohnern, befindet sich das Weingut Marenco. Andrea Costa leitet den bereits im Jahre 1925 gegründeten Betrieb in der 4. Generation, er persönlich führte uns durch die „heiligen Hallen“. 
Mit viel Liebe zum Detail wird hier die Tradition gepflegt, denn im Dachstuhl über dem Verkostungsraum liegt das kleine, historische Museum, wo allerlei altertümliche Werkzeuge an die Zeit erinnern, in der jeder einzelne Schritt des Weinmachens Handarbeit mit nur wenig technischen Hilfsmitteln war.
Die Familie Marenco hat sich mit der Übernahme durch die 3 Schwestern Patrizia, Michela (Andreas Mutter) sowie Doretta in den frühen 2000er Jahren darauf geeinigt, der Nachhaltigkeit und naturnahen Weinproduktion mehr Raum einzuräumen. So sind die Rebzeilen wie vielerorts im Piemont nicht vertikal sondern horizontal zum Hang angepflanzt, um die gefährliche Erosionen der Böden zu vermeiden. Die Flaschen bestehen aus recyceltem Glas und sind möglichst leicht. Auf zusätzliche Bewässerung wird verzichtet und im Keller werden Betontanks zur natürlichen Konstanthaltung der Temperatur eingesetzt.
Das Flaggschiff des Weingutes Marenco ist der SCRAPONA, der aus der gleichnamigen Top-Lage gemachte Moscato d’Asti. Bei diesem Frizzante-Wein wird die Fermentation gezielt bei ca. 5 Vol% Alkohol unterbrochen, um die ideale Balance zwischen Säure, Aroma und Restsüße zu erhalten. Es ist für alle Erzeuger im Gebiet jedes Mal eine Herausforderung, diesen optimalen Zeitpunkt zu erwischen. Durch die Gärung im Drucktank bleibt die Gärkohlensäure im Moscato d‘Asti erhalten und verleiht dem Frizzante-Wein neben seinem wunderbaren Aroma eine erstaunliche Frische. Wird dieses fruchtig-süße Getränk Moscato d’Asti im Allgemeinen recht bald und in der Regel bis zum Frühjahr oder Sommer des nächsten Jahres getrunken, gibt es in dieser piemontesischen, ziemlich einzigartigen Weinherkunft im italienischen Kontext auch Ausnahmen. So lässt sich – wie ich mich überzeugen ließ - der SCRAPONA auch nach bis zu 8 Jahren trinken, ja er besitzt ein überraschend ausgewogenes, feines Aroma und Gesamtharmonie. 

Genusstipps für den Moscato

Wo können Sie den Moscato d’Asti einsetzen? Ein handwerklich erzeugter Moscato d’Asti von einem der rund zwei Dutzend bekannten Weingüter der Gegend – zu denen natürlich auch Marenco zu zählen ist – passt zum Abschluss eines guten Abendessens, z. B. mit Nusskuchen und Zabaione-Creme. Doch auch als Aperitiv zur Begrüßung mit leckerem Salzgebäck stimmte er uns beschwingt auf den Besuch im Weingut ein.
Die Marencos investieren viel, die weinbaulichen Voraussetzungen und Prozesse bei der Herstellung dieses Weines genauestens zu studieren und zu verbessern, um im gekonnten Zusammenspiel zwischen Säure, Aroma und Restsüße den optimalen Moscato d’Asti zu erzeugen. Da ist Wissenschaft und Begeisterung gefragt, nicht anders als beim Barolo oder Barbera-Wein.  
Das Piemont ist ein Weinanbaugebiet mit vielen Hügeln und die Weinberge des Moscato d’Asti gehören zweifelsohne zu den steilsten Weinbergen im Piemont. Obwohl sich die Weinberge von Marenco auf stolze 70 ha Reben verteilen, wird jeder einzelne Wein mit größter Sorgfalt gemacht. Innovation zu ermöglichen und Tradition zu bewahren ist dabei die Devise. 
Das Weingut erzeugt auch sehr erfolgreich Rotweine aus den bekannten Rebsorten Barbera und Dolcetto. Und aus der seltenen Traube Albarossa, eine Kreuzung aus Nebbiolo di Dronero und Barbera, einen eigenständigen Rotwein mit viel Finesse und fruchtig-würzigen Aromen. 
Die kleine Gruppe aus europäischen Sommeliers und Journalisten fühlte sich wohl auf dem ehemaligen Bauernhof Cascina Valtignosa mitten im UNESCO-Weltkulturerbe Monferrato, wo die Familie Marenco auf einer Anhöhe umgeben von vielen Weinreben ein kleines B&B betreibt. Die besondere Schwingung des Ortes und der Menschen fangen die Weine ein, und dies ist jedes Mal aufs Neue eine Faszination, die begeistert und trägt. 

Einige Erzeuger im deutschen Onlinehandel:
Tacchino Luigi (10-12 €)  - Ceretto (16 €) - Batasiolo (11 €) - Batasiolo Spumante (13 €) - I Vignaioli di Santo Stefano (13 €) - Terre da Vino (9 €) - Braida (11 €) - Bel Colle (9 €) - Paolo Saracco (12 €)
Da der Moscato ein Produkt ist, dass in Deutschland wenig nachgefragt wird, ist es ratsam, direkt bei Marenco anzufragen. 

Hard facts zum Konsortium Asti Spumante DOCG und DOCG Moscato d’Asti

Bei beiden DOCG-Varianten ist der Maximalertrag auf 10.000 kg/ha festgelegt! In 2021 waren es 60 Mill. Fl. Asti und (WOW) 42 Mill. Fl. Moscato d’Asti, von dem mehr als 70 % (!!) in die USA exportiert werden. Italien dagegen trinkt nur 8% bzw. nur rund 3 Mill. Flaschen pro Jahr.
Kommentar: Erfreulich niedrig der Ertrag für ein industrielles Produkt wie den Asti Spumante! Daneben wird erfreulich viel Moscato d’Asti erzeugt.
Mit 2017 und 2020 wurde das Spektrum deutlich erweitert. Nicht nur Asti Spumante mit rund 7 Vol% Alkohol durch Tankgärverfahren als süßer Sekt (Dolce) ist möglich, sondern alle uns bekannten Sektkategorien vom Extra dry bis zum Extra Brut und Flaschengärung (Metodo Classico). Auch wenn das auf Kosten des Profiles geht ...