Der Sommelierkurs Italienischer Wein - Adria, Rom und eine Insel

Lektion 8 - Marken, Abruzzen, Umbrien, Latium und Sardinien

8 Mittelitalien

Wo hört Norditalien auf, wo fängt der Süden an? In der Mitte! Entegegen anderer Einordnungen zählen für uns die politischen Regionen Marken, Abruzzen, Umbrien, Latium und auch die Insel Sardinien zu Mittelitalien. Und natürlich die bereits behandelte alle überstrahlende, berühmte Toskana. 

KLICK zu den Landkarten mit den Anbaugebieten, den zentralen Städten, Autobahnen, Bergen und Flüsse, die als Bezugspunkte dienen.

8.1 Die Marken 

Die Marchegiani sind jedoch ein landverbundenes Völkchen mit einer Vielzahl erfolgreicher, mittelständischer Unternehmen von Mode bis Möbel. Die geschätzten Weine wachsen in den sanften Hügeln im Hinterland. Ancona ist die Hauptstadt, ein bedeutender Hafen an der Adria. Nördlich grenzt die Region an die Romagna und im Süden an die Abruzzen.

8.1.1 Verdicchio aus Jesi und Matelica

Der Verdicchio aus Jesi und den benachbarten Ortschaften ist der bekannteste Wein der Marken. Die bauchige Amphorenflasche von Fazi Battaglia machte ihn in den 1950ern unverwechselbar und erfolgreich. Heute ist es ein von vielen Weinliebhabern unterschätzter Weißwein. Denn er passt mit seinem Geschmack (mineralisch salzig und angenehm bitter) besonders gut zu kräftigen Meeresfrüchten, und die Riserva-Qualitäten aus dem großen Holzfass haben für einen italienischen Weißwein ein sehr gutes Lagerpotenzial (7-10 Jahre und mehr). Bekannte Weingüter sind Fazi Battaglia, Garofoli und Santa Barbara. Ein zweites, kleineres Gebiet für den Verdicchio ist Matelica, das weiter im Landesinneren an den Bergen liegt. Hier beweisen einige, wenige Winzer die Klasse des Verdicchio mit finessenreichen Weinen. 

Bedeutung Rebfläche: Verdicchio Jesi 2.100 ha - Verdicchio Matelica 240 ha - Rosso Piceno 1.300 ha - Offida 430 ha - Lacrima 250 ha - Conero 180 ha.

8.1.2 Weitere Weine - Rotweine

In einem weitläufigen Gebiet nördlich und südlich von Ancona wird der Rosso Piceno und Rosso Piceno Superiore angebaut und im Süden an der Grenze zu den Abruzzen wächst der Offida Rosso. Basis ist immer ein Mix aus den Sorten Montepulciano und Sangiovese in variierenden Anteilen. Klein ist dagegen die Menge des Conero DOCG und Rosso Conero Rotweins aus der Sorte Montepulciano in der Nähe von Ancona, genauer gesagt im meernahen Hinterland der Kreidefelsen des Monte Conero. Vorzeigeweingut ist Umani Ronchi, die in Qualität und Quanität herausragen. Vergleichsweise sehr klein (ca. 15 Winzer) ist die Zahl der Winzer, die Rosso Conero überhaupt erzeugen. 

Etwas vollkommen Ungewöhnliches für einen Rotwein ist die würzig-duftende Spezialität des Lacrima di Morro d’Alba aus der Rebsorte Lacrima, der im Örtchen Morro d'Alba seine Bestimmung gefunden hat. Weitere Weißweinherkünfte im nördlichen Teil der Region Marken spielen keine Rolle im Vergleich zum Verdicchio. 

Übung 8.1: Verdeutlichen Sie sich die Lage der einzelnen Anbaugebiete in den Marken und den Abruzzen und erinnern  Sie sich an die benutzte Rebsorte.

8.2 Die Abruzzen

An die Marken grenzt im Süden die Region Abruzzen. Die Geographie der Marken mit Adriaküste und Bergkette im Inland setzt sich hier nahtlos fort. Die Region besitzt mit dem Gran Sasso und Majella zwei ca. 3.000 m hohe Berge, auf denen man im Winter Ski laufen kann. Haupstadt ist Pescara, die Weinhauptstädte sind Ortona und Chieti im Süden mit einer der größten Anbaufläche und hohen Genossenschaftsdichte in Italien. Die Provinz L'Aquila und deren Weinberge liegen als einzige weit im Landesinneren.

8.2.1 Der Montepulciano d’Abruzzo

So wie die Berge das Land im topografischen Sinn dominieren, dominiert der Rotwein Montepulciano d’Abruzzo die Weinlandschaft. In riesigen Mengen erzeugt, ist er mit seinem günstigen Preis in Deutschland ein beliebter Ausschankwein der italienischen Restaurants. Im Preisbereich oberhalb von 10 € gibt es auch ausdrucksstarke Rotweine von etwa zwei Dutzend Weingütern, wie Masciarelli oder Nicodemi, oder Kellereien, wie Cantina Tollo oder Farnese Vini.
Colline Teramane und DOC Controguerra liegen im Norden der Region und sind vom Gesetzgeber herausgehobene Herkünfte für hochwertigeren Montepulciano, wobei ersterer ab 2003 als DOCG-Wein geführt wird. Die Winzer der Colline Teramane haben sich zusammengeschlossen, um mehr für ihren Rotwein zu werben, was erste Früchte trägt. Nach Aussage der Winzer verleiht der vom Kalkstein geprägte, hellere Boden den Weinen mehr Eleganz und Definition als in den Provinzen Chieti und Ortona im Süden der Abruzzen.

BEDEUTUNG: 160 ha DOCG Montepulciano Colline Teramane sind es im Vergleich zu den 9.200 ha DOC Montepulciano d'Abruzzo.
GESCHMACK: Im Gegensatz zum Sangiovese mit seiner Beerenfrucht besitzt der Montepulciano eine eher zurückhaltende Frucht mit etwas Bitterschokolade und baut auf seine abgerundeten Gerbstoffe und die Säure. 

8.2.2 Weitere Weine in den Abruzzen und Molise

Die Bedeutung des zweiten in großen Mengen angebauten Weines, des Weißweines Trebbiano d’Abruzzo, ist für den deutschen Markt gering. Rebsorten sind Trebbiano und in kleinen Teilen der hochwertigere Bombino Bianco. Ebenfalls geringe Marktdurchdringung im deutschsprachigen Raum besitzt die Rose-Variante Cerasuolo d’Abruzzo aus der Rebsorte Montepulciano, der im Zuge der Wiederentdeckung des Rosato in Italien an Beliebtheit gewinnen könnte.

BEDEUTUNG: 700 ha Cerasuolo und 2.000 ha Trebbiano führt die federdoc in der Rebflächenstatistik der DOP-Weine.

HINWEIS - Die italienische Region Molise ist mit seinen wenigen Erzeugern ein bergiges Randgebiet, das wenig Identität besitzt. Hier werden Rot- und Weißweine als DOP Molise Rosso und Bianco erzeugt, die kaum bei entfernteren Weintrinkern ankommen, wenn sie nicht gerade von Discountern über eine Wein-Aktion angeboten werden. Ein bekannter Winzer mit preiswerten Weinen ist Di Majo Norante.

8.3 Umbrien und Latium 

Zwei mittelitalienische Regionen, die eng miteinander verwoben sind. Umbrien grenzt an die Toskana, die Marken und Latium und besitzt als einzige Region keine Meeresküste. Perugia ist die Haupstadt, prägend sind die beiden großen Seen Bolsena und Trasimeno. Im Latium dreht sich fast alles um die Weltstadt Rom, was nicht überraschen mag. Dabei ist die Region vom Norden bis zum Süden weintechnisch sehr abwechslungsreich.

8.3.1 Die Weißweine Orvieto und Frascati

Im Umbrien ist zum Einen der historische Weißwein Orvieto aus Grecchetto und Trebbiano, der in den 70ern und 80ern seine Erfolge in Deutschland feierte, und heute wenig gefragt ist, zu nennen. Er wächst in den Weinbergen um die Tuffsteinstadt Orvieto. Ebenso wenig gefragt ist in Deutschland der bekannteste Weißwein des Latiums. Der Frascati, aus gleichnamigem Ort, ist von den Weinkarten weitgehend verschwunden, weil er ein einfach gestrickter Weißweintyp ist, der zudem in der Flasche rasch altert. Irgendwie ist hier in Rom die Zeit in den letzten 40 Jahren irgendwie stehen geblieben. Verwendet werden die Rebsorten Malvasia und Trebbiano für den Frascati ebenso wie für die verschiedenen Appellationen der Castelli Romani, einem Hügelgebiet erloschener Vulkane. Eine rühmliche Ausnahme sind die guten Frascati-Weine der Kellerei Fontana Candida im Verbund der Gruppo Italiano Vini. 

8.3.2 Die Rotweine

Die Geschichte des Rotweins Sagrantino di Montefalco (bzw. dem einfacheren Montefalco Rosso) begann erst Ende der 90er Jahre, als viel Geld von außen in Weinberge investiert wurde. Die Sorte Sagrantino besitzt sehr kräftige Gerbstoffe und eine markante Säure, weshalb sie in der Vergangenheit als Süßwein auch vom Papststaat geschätzt wurde. Ob er sich als trockener Rotwein aus der Nische des Kennerweines herausarbeiten kann, bleibt abzuwarten. Bekannte Weingüter sind Arnaldo Caprai und Antonelli. Zuhause ist auch Riccardo Cottarella mit seinem eigenen Weingut im Latium. Der berühmteste Weinmacher, schon mal als Mister Merlot bezeichnet, verkauft seine Falesco-Weine in aller Welt.
Winzig ist die Menge des einzig nennenswerten Rotweins im Latium aus der einheimischen Sorte Cesanese. Im Wein, den nur eine Handvoll Winzer mit Sorgfalt erzeugen, dominieren eine gewisse Pfeffrigkeit und das dichte Gerbstoffgerüst.

Übung 8.2: Vergegenwärtigen Sie sich die Lage und Ausdehnung der Anbaugebiete in Mittelitalien anhand der Karten auf weinwelten.

8.4 Sardinien ist eine weit entfernte Insel

Die Sarden sind gerne für sich, ein sehr verschlossenes Völkchen, das auch wenig Exportambitionen zu haben scheint. In Sardinien gibt es viele einheimische Sorten, doch maßgeblich sind nur zwei bis drei Weine, die eine Eigenständigkeit im Geschmack und ausreichende Mengen für den Export vorweisen können. Dennoch schafft es keiner dieser Weine in die Bundesliga, sie spielen eher zweite Liga.
Die Sorte Vermentino wird als Vermentino di Gallura im Nordosten und aus einem anderen weitläufigen Gebiet als Vermentino di Sardegna verkauft. Bedauerlicherweise sind – ungleich der Lagen in Apulien oder Sizilien - Investitionen von außen, die rasche Fortschritte ermöglicht hätten, bisher weitgehend ausgeblieben.

Doch heute gibt es auch im genossenschaftsdominierten Weinland mehr als ein Dutzend junger kleiner Familienweingüter, die gute bis sehr gute Qualität erzeugen. Sella & Mosca im Besitz eines weltweit agierenden Getränkekonzerns und die Genossen von Santa Maria La Palma sind die Platzhirsche. Bekannte Weingüter sind Argiolas oder Cantina Santadi. Diese Kellereien stehen auch für guten Cannonau, der zweifelsohne charismatischeste Rotwein Sardiniens, bei dem Sie die Hitze des Sommers und die Trockenheit förmlich im Glas riechen können. Wie der Carignano, der im Südwesten der Insel im Sulcis angebaut wird, ist auch der Cannonau (Synonym Grenache) aus Frankreich bzw.Spanien auf die Insel gekommen. 

Vor Ort findet der interessierte Weintourist ein Dutzend spannender, kleiner Familienweingüter, siehe Artikel von Herbert Heil, mit moderner und der Kultur Sardiniens dennoch treu bleibenden Weinstilistiken. Für einen solch starken Touristenmagnet Sardinien gelangen relativ wenige Weine in die deutschen Regale, erst in den letzten Jahren hat sich mit jungen Betrieben das Angebot vergrößert.

Bedeutung Rebfläche: Cannonau di Sardegna 1.100 ha - Vermentino di Sardegna 760 ha - Vermentino di Gallura 630 ha - Carignano del Sulcis 310 ha - Monica di Sardegna 180 ha.

Schlussbetrachtung Kapitel 7 und 8 - Die Toskana ist auch weintechnisch von großer Bedeutung; die meisten der bekannten Rotweine werden aus der Sorte Sangiovese erzeugt. An der Küste, der Maremma, haben sich die französischen Sorten etabliert. Die Dichte an sehr guten Winzern ist hoch und die Faszination Toskana tut ihr übriges. In Mittelitalien kommen wenige Weine an diese Bedeutung und Faszination heran. Am ehesten gelingt dies dem Montepulciano aus den Abruzzen mit seiner großen Menge und dem Verdicchio aus den Marken mit seinem eigenständigen Charakter. Sardinien ist weintechnisch ein Kontinent für sich, der mit eigenen Maßstäben misst.