Die Region Apulien - Des Stiefels heißer Absatz

Die Heimat der Rotweine Negroamaro im Salento und Primitivo

Er ist nicht so spitz wie viele high heels. Spitze ist der Absatz des italienischen Stiefels trotzdem. Mit abwechslungsreichen Küsten, vielen Kulturschätzen, raffinierten Genüssen und wunderschönen Unterkünften bietet Apulien nämlich diverse Highlights. Die Städte Bari und Brindisi sind Metropolen des Südens, die Landschaften wie der Gargano oder das Salento wollen entdeckt werden. Und dazu noch wunderbare, kraftvolle Weine mit verführerischen Fruchtaromen, die die ganze Sonne des Südens in sich tragen. 

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Die "Masseria" sorgt für Brot und Oliven

Olivenbäume, ohne Ende Olivenbäume. Tausende stehen auf dem Gelände der Masseria Il Frantoio nahe dem Städtchen Ostuni. Einige von ihnen waren schon dort, als sich die Spanier im Jahr 1503 Apulien unter den Nagel rissen. Ihre kleinen Blätter bilden ein endloses, silbern glitzerndes Meer, aus dessen Mitte das strahlend weiße Landgehöft auftaucht. Vorbei an einem Fiat-Oldtimer geht es in den idyllischen Innenhof, der einer Oase gleich hinter den hohen Mauern der Masseria wartet. Hier werfen die üppigen Blätterwedel schlanker Palmen ihre Schatten an die gekälkten Wände. Aus kleinen Gärten wehen die Düfte von Zitronen, Orangen und Mandarinen, von Rosmarin, Thymian hinüber. Und über allem liegt eine so tiefe Stille, dass man glaubt, man könne sogar den Flügelschlag der Schmetterlinge hören.

Erdverbundene Menschen

Am frühen Abend ist es aus mit der Ruhe. Dann empfängt Hausherr Armando Balestrazzi seine Gäste. Immer persönlich, immer mit Handschlag. Mit warmer Stimme erklärt der Graubärtige jedem neuen Besucher seine Geschichte. Dass er nach mehr als 20 Jahren als Top-Manager im Molkereibereich die Hightech-Massenproduktion nicht mehr ertrug. Dass er zurück zur Natur wollte und mit der biologischen Produktion von Olivenöl begann. Dass masserie einst die Gehöfte der feudalen Großgrundbesitzer waren. Dass er und seine Frau Rosalba zu den ersten gehörten, die eine Masseria in einen Landgasthof mit Gästezimmern verwandelten. Und dann führt er durch sein kleines Weingärtchen, wo in Reih und Glied die seltensten Rebstöcke stehen. Zeigt die einstige Ölmühle im urigen Gewölbekeller, wo heute feinste Olivenöle, köstliche Marmeladen, aromatische Liköre und andere selbst erzeugte Produkte verkauft werden.

Das Dessert darf nicht fehlen

Und dann tischen die Küchenfeen der Signora auf. Typische Gerichte aus dem Salento kommen auf die blanken Holztische, modern interpretiert, leicht, würzig, vor allem vegetarisch. Scheibchen des gesalzenen apulischen Brots mit knuspriger Kruste, dazu eine schmackhafte Paté von lampascione, den leicht bitteren wilden Zwiebeln. Ein duftendes Törtchen aus weißen Bohnen, süßen Tomaten und würzigem Ricotta aus Kuh-, Schaf- und Ziegenmilchgemisch. Zarte, in süßem Wein gekochte Artischocken, dazu ein köstliches Häufchen wilder Zwiebeln, in Orangenhonig karamellisiert. Die Nationalpasta orecchiette, kleine Öhrchennudeln mit bissfesten Zucchini, getaucht in eine goldfarbene Safransauce. Ein auf frische Kräuter gebettetes Lamm, das mit kleinen Kartoffeln ganz langsam im Ofen schmoren durfte. Und das Dessert namens quando il limone diventa – eine luftige Biskuitrolle, gefüllt mit zarter Zitronencreme. Zu jedem Gang wird ein anderes Olivenöl des Hauses gereicht – mal mild mit feinem Grasaroma, mal würzig-kräftig. Selbst das Dessert bekommt Olive ab in Form eines süß-herben Likörs aus Olivenbaum-Blättern. Ein spannendes Tröpfchen, wenn auch keine Konkurrenz zu den tiefroten Negroamaros oder Primitivos, die schmecken, als habe man die apulische Sonne in die Weinflasche gebannt.

Highlights fürs Auge

Die Provinz Apuliens zieht sich zwischen zwei Meeren entlang. Als ziemlich monotone Agrarlandschaft zeigt sich der Tavoliere, eine riesige flache Tiefebene zwischen der Provinzhauptstadt Foggia und dem Golf von Manfredonia sowie im Nordwesten von Lecce. Dem eher spröden Charme der endlosen Weizenfelder, Rebflächen und Olivenhaine unter einem meist strahlend blauen Himmel kann man wenig abgewinnen. Da präsentiert sich das Hinterland von Bari schon abwechslungsreicher. Hier ist so manches kleine Landschafts-Highlight zu entdecken. Das liebliche und hügelige Itria-Tal beispielweise, das sich im  Frühjahr in ein buntes Blütenmeer verwandelt. Oder die vielen Schluchten und Höhlen, die in der letzten Eiszeit entstanden.
Zu den reizvollsten Landschaften gehört der Gargano, der Sporn des Stiefels. Hier steigen die Felsen des Gargano-Vorgebirges abrupt aus der endlosen Ebene der Tavoliere auf. Das Herz des Gebirges ist der Foresta Umbra, Apuliens größtes Waldgebiet. Gesäumt ist der Stiefelsporn von mächtigen Kalksteinklippen mit Grotten und Labyrinthen, die steil aus dem azurblauen Meer ragen. Eine Berühmtheit ist der hohe Monolith Pizzomuno am Strand von Vieste, dem Touristenzentrum des Gargano.

Weltkulturerbe Castel del Monte

Das so imposante wie mysteriöse Castel del Monte, eine Kastell des Stauferkaisers Friedrich II., thront weit sichtbar über der karstigen Ebene nordwestlich von Bari – mit achteckigem Grundriss, acht Sälen, acht achteckigen Türmen. Die beeindruckende Burg bietet seit Jahrhunderten viel Stoff für phantastische Spekulationen. Wählte der Staufer die strenge achteckige Form wegen seiner ebenfalls achteckigen Kaiserkrone? Oder weil die Pfalzkapelle in Aachen, in der er gekrönt wurde, acht Ecken hat? Konzipierte er sie als gigantische Sonnenuhr? Oder als Zeichen des kosmischen Gleichgewichts? Was auch immer zutreffen mag: Das Wahrzeichen von Apulien, das auch die italienische Ein-Cent-Münze ziert, ist längst als Weltkulturerbe geschützt.

Trulliland

Im Dreieck Bari-Taranto-Brindisi locken die Zipfelmützendächer der Trulli die Besucher in Scharen ins grüne, von Weinreben und Olivenbäumen überzogene Itria-Tal. Tausende von Trulli bevölkern die bezaubernde Hügellandschaft. Rund 1.500 allein im Städtchen und Weltkulturerbe Alberobello. Wie steinerne Iglus mit spitzen Runddächern sehen sie aus. So putzig, als hätten sie die Schlümpfe höchstpersönlich gebaut.
Die kleinen Häuser, für die ohne Mörtel Stein auf Stein aufeinander geschichtet wurde, gehen zurück auf den Territorialfürsten Gian Girolamo. Als Gegner der kaiserlichen Steuerpolitik im Apulien des 17. Jahrhunderts befahl er dem einfachen Volk, seine Häuser ohne Mörtel zu bauen. Sie waren schnell wieder demontiert, wenn die Steuereintreiber über Land zogen, und wurden frech als steuerfreie Steinhaufen deklariert.

Wo das Leben pulsiert

Laut, quirlig, voller Leben, das ist Bari. Eine süditalienische Hafenmetropole, mit modernem Lebensstil, eleganten Geschäften und kulturhistorisch interessanten Bauwerken und seit der Antike ein Brückenkopf zwischen Orient und Europa. 
Das barocke Lecce, auch Florenz des Südens genannt, ist dagegen ein blitzblankes Örtchen mit wunderschönen Barockpalästen, deren Fassaden im Zuckerbäckerstil geradezu überschäumen vor Ornamenten, Putten, Tieren und Dämonen. 
Sehenswert auch die hinreißend schöne città bianca Ostuni, die mit einem pittoresken Labyrinth aus Gassen und Stiegen schneeweiß auf drei Hügeln nördlich von Brindisi erstrahlt. Und nicht zu vergessen Gallipoli, die Perle des Ionischen Meeres. Wie eine Seefestung liegt das von den Griechen gegründete historische Zentrum der Stadt auf einer Felseninsel im Meer, mit der Neustadt auf dem Festland nur durch eine Brücke verbunden. Mit archaischen hohen Mauern trotzt es den hohen Wellen der winterlichen Meeresstürme. Mit sandigen Buchten und kristallklarem Wasser lockt es die Strandurlauber.
Ganz unten im Süden des Stiefelabsatzes stößt man auf Otranto, einen der schönsten und schicksten Küstenorte der gesamten Provinz. Als antike Handelsstadt am Meer war sie einst die Pforte zum Orient. Hinreißend ist die gut erhaltene, verwinkelte Altstadt mit ihrem  orientalischen Flair.

Apropos Strand!

Die rund 800 Kilometer Küstenlinie entlang des Adriatischen und Ionischen Meeres ist nicht nur die längste Italiens, hier scheint auch oft noch die Sonne, wenn woanders die Strände schon hochgeklappt werden. Abwechslungsreich ist sie allemal. Schroffe Felsformationen und Grotten wechseln mit verschwiegenen kleinen Kies- oder Sandbuchten und weitläufigen Dünenlandschaften ab. Südlich von Otranto findet man auch fjordähnliche Küstenabschnitte. (Angelika Arians-Derix)