Die Tenuta Luce in Montalcino – Glanz und Gloria für einen 100 € Wein

Ein Besuch in Montalcino und Florenz als Gast der Marchese Frescobald bzw. ein Einblick in die toskanische Weinkultur. Ein Gastbeitrag von Gesa Noormann aus Berlin

Foto ganz oben: Im neuen Weinkeller von Luce darf ein Showroom mit älteren Jahrgängen natürlich nicht fehlen. Von links nach rechts mit Lamberto Frescobaldi, "Franzosenlegende" Michel Bettane, Autorin Gesa Noormann, PR-Frau Ursula Thurner und Weinmacher Alessandro Marini. Fünf auf einen Streich!
Foto oben: Impressionen aus Florenz und Montalcino...

Der Abend senkt sich über Florenz, der spiegelglatte Arno reflektiert die Silhouette der Stadt: So oft erlebt, und doch zieht uns das Zentrum der italienischen Renaissance immer wieder neu in den Bann. Los geht’s für alle in Florenz mit einem Dinner, wen wundert das? Die Bollicine kommen - wie könnte es anders sein - vom Castello Pomino östlich von Florenz, das neben der Tenuta Luce und sieben anderen Weingütern im Besitz der Familie der Frescobaldi ist. Wir trinken Leonia Pomino Spumante Bianco DOC - Metodo Classico, für den sich Lamberto Frescobaldi von seiner gleichnamigen und wohl sehr mutigen Ururgroßmutter hat inspirieren lassen: „Sie war es, die in Pomino Reben aus Frankreich pflanzte. Auf der Pariser Weltausstellung 1878 wurde ihr dafür die Goldmedaille verliehen“ parliert der Marchese. Der besagte Sekt wird uns in den nächsten Tagen als Aperitif der Wahl der Frescobaldis begleiten. 

Als wir am nächsten Morgen zu früher Stunde in kleinen, weinbergtauglichen Bussen nach Montalcino aufbrechen, erleben wir auf 100 Kilometern die ganze Schönheit der Toskana mit ihren sanften Hügeln und den harmonisch Spalier stehenden Zypressen. Die Ausläufer von Siena, malerische Dörfer und die Weinberge ziehen an uns vorbei wie lässig aufgereihte Perlen einer kostbaren Kette. Als im Süden der Toskana schließlich der filmreif auf einem Hügel thronende Ort Montalcino vor uns auftaucht, wissen wir, dass es nicht mehr weit ist zur Tenuta Luce. 

Weites Land Montalcino – Hier im Westen, wo die Sonne versinkt

Das Weingut liegt südwestlich des Ortes, im Herzen des Naturparks Val d’Orcia. Als wir das Gutsschild erreichen, fahren wir noch 10 Minuten - schließlich umfasst das Gut stolze 249 Hektar Landbesitz mit ausgedehnten Waldflächen und Olivenhainen, 88 Hektar davon sind Weinberge. Das renovierte Haupthaus über dem Weinkeller, das von einem mediterranen, von Gartendesigner Richard Shelbourne entworfenen Garten, umgeben ist liegt wunderschön. Beseelt schweift der Blick über weite Felder und Wälder, bis am Horizont das nur 50 km entfernte Mittelmeer zu erahnen ist.
Es ist das Zusammenspiel aus einem fast blendenden Licht, frischen Wind und den unterschiedlichen Böden und Höhenlagen, die aus diesem Besitz in Montalcino eine Art „auserwähltes Land“ machen. Genau das hatte es den beiden Weinpersönlichkeiten Vittorio Frescobaldi und Robert Mondavi in der frühen 1990er-Jahren angetan. Nur, dass sie nicht den weltberühmten Brunello di Montalcino herstellen, sondern neue, eigene Wege für einen herausragenden Wein gehen wollten. Sie holten ihre Söhne Tim und Lamberto ins Boot und konzipierten mit dem Luce eine Cuvée, die die charakteristische Frucht der autochtonen Sangiovese-Traube mit der Rundheit und Fülle des Merlot als harmonische Fusion vereinen sollte. Jeder Aspekt von der Bewirtschaftung des Weinbergs bis zu den Kellertechniken wurde präzise durchdacht und geplant mit dem Ergebnis, dass bereits die ersten, 1997 vorgestellten Weine große Aufmerksamkeit bekamen. Mondavi stiegt 2004 aus dem Projekt aus, Lamberto Frescobaldi übernahm die Führung und konnte seinen Spitzenwein Luce fest in der internationalen Weinszene etablieren.
Nach den ersten beiden Jahrgängen des Luce 1993 und 1994 ergänzte ab 1998 der Zweitwein Lucente das Portfolio, 2003 folgte der Luce Brunello. Mit dem Jahrgang 2015 schließlich entstand aus einer unverwechselbaren Interpretation des gleichen Terroirs von Luce der auf wenige hundert Flaschen limitierte Lux Vitis, ein Cabernet Sauvignon von Format. Heute verteilen sich die 88 Hektar der Tenuta Luce auf 50 Hektar Merlot, 30 ha Sangiovese, 5ha eingetragen als Brunello und 3ha Cabernet Sauvignon. 

Zusammen mit dem Brunello-Weingut Castelgiocondo in unmittelbarer Nachbarschaft besitzt die Familie Frescobaldi stolze 1.000 ha Land in Montalcino und rund 200 ha Rebfläche, die größtenteils dem Brunello-Rotwein gewidmet ist.

Neuer technischer Direktor sieht Klimawandel als Herausforderung

Seit September 2019 hat die Tenuta Luce mit Alessandro Marini einen neuen Kellermeister. Seinen Master in Önologie machte der aus den Marken stammende Weinmacher an der Universität Bordeaux und war dort zuletzt als Kellermeister im Château Bellefont-Belcier in St. Emilion tätig. Nach sieben Jahren im Bordelais zog es ihn allerdings zurück in die Heimat, und er folgte dem Ruf von Frescobaldis Önologen Nicolò D’Afflitto - nicht zuletzt wegen seiner in Bordeaux entwickelten Affinität zur Merlot-Traube. Ob seine französische Prägung etwas an der Stilistik der Weine ändern wird? Er wolle den Wein nicht stören, sagt Marini: „Durch meine Arbeit in Bordeaux habe ich erkannt, dass die Hauptrolle bei einem großen Wein dem Terroir zukommen muss, und meine Aufgabe ist es, unser spezielles Terroir bestmöglich zum Ausdruck zu bringen.“ 
Zu seinen Herausforderungen gehört, sich dem Wassermangel und immer heißer werdenden Sommern als Folgen des Klimawandels anzupassen: „Aus diesem Grund verzichten wir in einigen unserer Weinberge auf das Beschneiden und bevorzugen das Triebkappen, bei dem die letzte Triebspitze manuell gedreht wird, so dass sie nicht mehr von selbst wächst. Dies senkt den Wasserbedarf der Pflanze und das Wachstum von Nebenzweigen, die mit ihren jungen Blättern zunächst Wasser verbrauchen und in einem zweiten Schritt Zucker produzieren, was zu einem noch höheren Alkoholgehalt in den Weinen führt. Desweiteren haben wir eine Tropfbewässerung in den jungen, mit ihrem oberflächlichen Wurzelsystem empfindlichen Weinbergen eingeführt.“

Gemeinsam mit Alessandro Marini fahren wir in eine der höchsten Lagen (bis zu 430 Meter über dem Meeresspiegel), in denen als Bodentyp Galestro mit tonhaltigem Schiefer und einem hohen, stark drainierenden Skelettanteil dominiert. Optimal für den wasserscheuen Sangiovese, der hier auch dank des geschützten Mikroklimas ideale Bedingungen für das reiche Wachstum seiner kleinbeerigen Früchte findet. Zwischen den Reben wachsen bis zu 13 verschiedene Pflanzenarten, die den Boden anreichern sollen. „Seit 2013 sind wir auf biologischen Anbau umgestiegen, um unsere Weinberge nachhaltiger zu bewirtschaften und die Artenvielfalt der Weinberge und der umgebenden Natur zu erhalten. Wir verzichten auf Chemikalien und Herbizide und verwenden stattdessen natürliche Produkte wie organische Düngemittel und natürlichen Gründünger“ erklärt Marini. „Es ist toll zu beobachten, wie im Frühling ein wahres Bienenfest im Weinberg stattfindet.“
Laut dem Rhythmus der Natur wird erst der Merlot und dann der später reifende Sangiovese geerntet. Die von Hand, Parzelle für Parzelle gelesenen Trauben werden nochmals selektiert, um nur die besten Beeren dem Vinifikationsprozess zuzuführen. Zurück im Weingut bewundern wir die in Luce-Rot gestrichenen, tulpenförmigen Zementtanks, in denen die Trauben getrennt mazeriert werden. Anschließend steigen wir in das Allerheiligste der Tenuta Luce hinab, den 2018 eröffneten unterirdischen Keller. Hier reift der Luce 24 Monate in Barriques aus französischer Eiche (80% neu und 20% Zweitbelegung), dann folgen weitere 6 Monate Reifelagerung auf der Flasche. 

Geleckter Weinkeller für den toskanischen Sonnenkönig

Eher wie in einem Tempel als in einem Gärkeller fühlt es sich zwischen den bordeauxroten Fässern und dem alles überstrahlenden Luce-Logo an. Mit seinem Kranz aus 12 Flammen ist es übrigens einer Darstellung vom Hauptaltar der Kirche Santo Spirito in Florenz nachempfunden, die auf einem von der Familie Frescobaldi gestifteten Grundstück erbaut wurde. Als Lamberto Frescobaldo unter dem beleuchteten Strahlen-Logo steht, wirkt er ein wenig wie die toskanische Variante des Sonnenkönigs. „We are so glad that you share this dream with us“ sagt der Marchese mit verhaltenem Stolz und der eleganten Selbstverständlichkeit einer Familie, deren Name seit 1000 Jahren eng mit Florenz und der Toskana verbunden ist. 
Und ja, wir freuen uns auch, dass wir an diesem Stück toskanischer Grandezza teilhaben dürfen. Als wir in den wie eine mittelalterliche Bibliothek anmutenden Weinkeller eintreten, erfasst uns eine gewisse Ehrfurcht. In dem komplett mit Schwarznussholz vertäfelten Raum mit intarsiertem Fußboden, einer Kassettendecke und klassischen Säulen sind alle Jahrgänge des Luce und seiner Geschwisterweine unter Glas aufgestellt. Dieser gedämpft beleuchtete, fast sakrale Ort zelebriert Weinkultur auf höchstem Niveau - und wir sind nun mehr als gespannt auf den kostbaren Inhalt der Flaschen.

Aufschlussreiches Lunch mit Luce 2019 und Luce 2016 und Luce 2013

Zum toskanischen Lunch, das der Küchenchef der Tenuta für uns zubereitet hat, stehen drei Jahrgänge des Luce, 2013, 2016 und 2019, zur Verkostung bereit. „Luce ist erwachsen geworden“ schrieb Steffen Maus, Italienkenner und Verfasser des Standardwerkes „Italiens Weinwelten“. (Zum Artikel über den Wein Luce) Und heute? „Mein damaliger Eindruck hat sich mehr als bewahrheitet. Die gerade verkosteten Jahrgänge gehen noch einen Schritt weiter in Richtung Reife und Ausdrucksglanz, wobei die Sangiovese-Traube mit den Jahren interessanterweise stärker durchkommt. Insgesamt hat der Luce eine unglaubliche Strahlkraft entwickelt.“ Und was sagt die Grande Dame des Weins zu den verkosteten Luce-Jahrgängen? Paula Bosch, erste deutsche Sommelière mit 35 Jahren Erfahrung in der Sternegastronomie, sitzt mir gegenüber und hat ihre Eindrücke für uns ganz wunderbar in sinnliche, geschmacksevozierende Worte gefasst. Lesen Sie dies auf Nikos Weinwelten.

Brunello in Florenz im Restaurant Frescobaldi

Nach einer köstlichen Zitronentarte und Espresso fahren wir zurück nach Florenz und werden auf der Piazzale Michelangelo mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt im Licht der Abendsonne belohnt. Jetzt schnell aufs Hotelfahrrad geschwungen, die Ponte Vecchio mit dem Handy eingefangen und den obligatorischen Negroni Sbagliato in Oltrarno getrunken. Was für ein Tag, was für ein Abend, was für eine Nacht! Uns erwartet ein Dinner im Restaurant Frescobaldi auf einem der schönsten Plätze der Stadt, der Piazza della Signoria mit dem Palazzo Vecchio, dem David von Michelangelo und Giovanni da Bolognas Raub der Sabinerinnen. Vor dieser Kulisse probieren wir schließlich den Luce Brunello, der Hommage der Tenuta an die Tradition von Montalcino. Die Trauben des Rebgartens Madonnino bringen die Eleganz und Struktur der Sangiovese-Sorte zu voller Entfaltung. Entstanden ist ein kraftvoller, rubinroter Wein mit milder Säure und Aromen von Zwetschgen, Kräutern und Tabak. Eine gelungene Balance aus reifer Frucht, fein verwobenen Tanninen und einem langen Abgang - so, wie diese Reise zur Tenuta Luce und den Marchesi Frescobaldi noch lange, und nicht nur am Gaumen, nachhallen wird.

Foto unten: Die Gäste von Marchese Frescobaldi mit Weinmacher Marini im Weinberg von Luce, im Hintergrund der Monte Amiata. Fachgespräche mit Journalisten und Influencern aus Italien und Europa.