Der Casalferro Merlot aus Gaiole im Chianti

Francesco Ricasoli adelt seinen Spitzenrotwein aus der Toskana

Casalferro ist ein distinguierter Franzose mit Esprit und toskanischem Akzent bzw. ein neuer Wein mit altbekanntem Namen,

Kennen Sie einen reinsortigen Merlot aus der Toskana, den kühlen Hügeln des Chianti? Genauer gesagt aus den Weinbergen der Gemeinde Gaiole unterhalb des berühmten Castello di Brolio, zweifellos einem der historischen Hotspots der Toskana? An diesem Ort arbeitet und lebt ein Mann, der so einen Wein geschaffen hat und zu dem weiterentwickelt hat, was Sie heute im Glas haben können. Sein Name ist Francesco Ricasoli, Baron Francesco Ricasoli um präzise zu sein. In einem ausführlichen Artikel kommt er zu Wort und Sie erfahren mehr über sein Weingut und sein Wirken der letzten 30 Jahre. LINK

100% Merlot – Gefragter Rotwein 

Fokussieren wir auf die Sorte Merlot, die eine besondere Faszination auf Weintrinker wie auf Weinmacher ausübt. Denn Sie ist anspruchsvoll, weil vergleichsweise frühreifend, einzigartig in den Aromen, wenn, ja wenn sie in der passenden Lage angebaut wird. Das verlangt Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Zu sonnig und heiß sollte die Weinbergslage nicht sein. Andererseits stammen zwei der berühmtesten Weine von der heißen, toskanischen Küste, aus Bolgheri und Suvereto. Der Merlot Masseto wird mittlerweile nur noch versteigert und ist mit mehr als 800 € pro Flasche für die meisten Weintrinker unerschwinglich. Selbst der relativ junge Zweitwein Massetino kostet stolze 280 € (mit einem kleinen Anteil Cabernet Franc). Bedauerlicherweise haben in den letzten fünf Jahren etliche Winzer von Topweinen jenseits der 50 € ihre Preise ungefähr verdoppelt. Der Redigaffi kostet heute 240 € und, wenn wir von der Küste ins Landesinnere wechseln, der L’Apparita rund 230 € pro Flasche - beleibe kein Schnäppchen mehr. Darüber hinaus kennt der erfahrene Weintrinker zwei Rotweine mit Namen Siepi und Luce, die jedoch zur Hälfte aus Sangiovese bestehen, und (nur) rund 100 € pro Flasche kosten. Doch ich will hier jetzt nicht über gestiegene Weinpreise jammern. 

Casalferro - Preiswert bis zum Anschlag

Der Casalferro kostet knapp die Hälfte, seine Geschichte ebenso bewegt wie illuster. Mit einem 100%-tigen Merlot aus den kühlen Hügeln des Chianti konnten die Weinmacher des Weingutes Ricasoli über mehr als 30 Jahre ihre Erfahrungen sammeln. Denn mit der groß angelegten Neupflanzung der Weinberge nach dem Rückkauf des Anwesens durch die Familie Ricasoli erhielt der Merlot neben dem einheimischen Sangiovese eine wichtige Stellung in der Neuausrichtung für die Zukunft. 

„Back 2 the future“ mit Casalferro

Anfangs – im Jahre 1993 – war es ebenfalls ein Blend aus den beiden Rebsorten Sangiovese und Merlot, doch mit dem Jahrgang 2007 entschied sich Francesco Ricasoli für den Schritt zum reinsortigen Merlot. 
Schon bei der Präsentation des 2013er Jahrganges vor einigen Jahren erklärte Ricasoli: „Es ist ein Merlot, der nach dem Chianti schmeckt. Rassig und elegant! Seine Unverwechselbarkeit garantieren die wohlüberlegte Auswahl der Klone und der einzigartige, gesteinsreiche Boden im Chianti.“

Nun präsentiert er den 2018er (2019er Jahrgang im Februar 2023). Beides sind großartige Jahrgänge im Chianti. Und dabei wird eines ganz deutlich: Francesco ist kein Mensch, der auf einer Welle surft, nur weil die Welle zur Zeit des lockeren Geldes den Weinmarkt durchflutet. Er ist ein Überzeugungstäter. Anstatt den Preis für seinen Casalferro großzügig anzupassen, hat er erst einmal die produzierte Menge von 25.000 Flaschen auf 9.000 Flaschen reduziert. Das ist kompromisslos hoch zehn. Die Selektion ist demnach noch strenger, der Raum für Kompromisse sehr klein. Heute werden die Trauben nur aus drei Weinbergsparzellen, dem Vigna Casalferro, Vigna Pecchierino und Vigna Sodacci zwischen 400 und 500 m Höhenlage mit insgesamt 12.5 ha Rebfläche selektioniert. Was bringen die einzelnen Lagen mit? „Casalferro steht für Eleganz und samtige Tannine, Pecchierino für Struktur respektive Kraft und Sodacci für Frische und Säure“, erklärt der Hausherr. Daraus resultiert ein komplexer, doch eleganter Rotwein mit reifem und mediterranem Profil, geschmacklich harmonisch im Spiel mit Frische und intensiver Frucht mit viel Raum für Strukturtiefe.

Die gewachsene Erfahrung mit der Interpretation der einzelner Weinbergslagen zeigt sich bereits seit Jahren in der Güte der Sangiovese-Einzellagen und Gran Selezione-Weinen Colledilà, Roncicone und Ceniprimo. Link zum Artikel

Der Aufwand und die Erfahrung zahlen sich aus 

Schon im Weinberg wird übers Jahr viel Aufwand für die entsprechende Qualität betrieben und zur Ernte peinlichst genau auf die optimale Reife geachtet. Wichtig ist unter anderem für die Weinmacher das stimmige Verhältnis von Säure und ph-Wert, welches beim Casalferro 2018 (5.65 g Säure zu 3.4 ph-Wert) den präzisen Rebsortencharakter der Sorte Merlot ermögliche. Keine Überreife wird geduldet, nicht in den Aromen, nicht am Gaumen. So steckt der Casalferro den Ausbau in Tonneaux- und Barrique-Fässern - wie im Bordeaux - gut weg und verfeinert sich Monat für Monat, ganze 21 Monate für perfekte Aromen-Harmonie und Phenolstruktur. Erst nach einem Jahr Flaschenreife wird er der Öffentlichkeit präsentiert. 

Diesen wiederholten Neubeginn bei der Interpretation des Casalferro demonstriert auch das neue, fast schlichte, weiße Etikett, das mehr Feinheit und Eleganz als Wucht und Dominanz vergangener Jahre symbolisieren soll. 
Die Verpackung des Casalferro 2018 zeugt von der Sensibilität für Nachhaltigkeit. Das Seidenpapier fertige ein kleinen Handwerksbetrieb von Hand. In das Papier sind Fragmente der Triebe der Merlot-Rebe aus den drei Weinbergen eingearbeitet. „Das Papier umhüllt die Casalferro-Flasche wie mit einer symbolischen Umarmung zwischen Natur und menschlicher Kreativität,“ ergänzt Ricasoli fast philosophisch anmutend.
Denn Casalferro ist ein Typ, der seine Stärken kennt; der weiß, wo er zuhause ist. Kein Blender, der wetteifern muss. Casalferro zeigt sich mit dem, was er ist: Brolio, Ricasoli und ein wenig auch wie Francesco.