Die berühmten und (teuersten) Rotweine Italiens

Monfortino Barolo, Masseto Merlot, Sassicaia, Biondi-Santi und Soldera Brunello ... 

Lassen Sie das kurz auf sich wirken: Masseto 2016 für 1.000 €, Monfortino 2013 für 1.100 €, Soldera 2015 für 1.100 €; so gefunden im Mai 2020 auf der Webseite eines namhaften Bremer Weinhändlers mit sicherlich betuchten und weinverrückten Weinkunden. Interessiert da eigentlich noch die Herkunft? Es ist ein Toskana IGT, ein Barolo und ein Brunello. Überzogene Summen rufen auch andere Weine auf, wie der Vigneto Arborina des bekannten Barolo-Winzer Elio Altare bzw. der Barbaresco Riserva des wenig bekannten Weingutes Roagna, jeweils 800 € pro Flasche wohlgemerkt.

Monopoly mit den Einzelflaschen 

Überraschend ist - für die Nichteingeweihten - die glatte Verdopplung des Preises - wohlgemerkt für eine Flasche - für den Brunello von Gianfranco Soldera von 550 € des Jahrganges 2013 auf 1.100 € des Jahrgangs 2015! Wenn man die exorbitant hohen Bewertungen für den Jahrgang 2015 (von James Suckling z. B.), die wenigen zugeteilten Flaschen, den bedauerlichen Tod des Besitzer im letzten Jahr - übrigens just zum Benvenuto Brunello im Februar 2019 - als Argumentation hernimmt, dann verwundert das nicht mehr so sehr, oder doch? Weltweit gesehen ist so eine Flasche ein rares Gut, wird streng rationiert, geschätzte 100 Flaschen kommen davon in Bremen an. Und der exorbitant hohe Preis ist dann weniger gewinnmaximiert ausgerichtet, sondern reguliert vielmehr die Nachfrage.

Der Markt des teuren Pullen-Segments ist in Bewegung 

Das Preistuning beim Brunello – das auch viele preiswerte Brunello-Weine um die ehemals 30-40 € erwischt hat – zieht seine Kreise. Auch die berühmten Winzer im benachbarten Chianti Classico drehen an der Preisschraube für ihre Topweine jenseits der 100 € Schallgrenze. So hat das Castello di Ama seine beiden Weinbergsweine Vigneto Bellavista und Vigneto Casuccia von 140 € VK pro Flasche des Jahrgangs 2011 auf eine neue Preisstufe angehoben. Rund 200 - 260 € (im Online-Handel variiert das dramatisch) werden mit dem aktuellen Jahrgang 2016 aufgerufen. 
Im Fall von Castello di Ama spricht Besitzer Marco Pallanti von einer wachsenden Nachfrage weltweit und dem Bemühen, die Erlöse im Weingut zu halten und nicht den Spekulanten und Händlern zu überlassen. Das ist schon nachvollziehbar, können sich aber nur berühmte Winzer leisten... 
Die Familie Mazzei des Castello di Fonterutoli mischt mit dem ersten Jahrgang des Chianti Classico Gran Selezione Ipsus 2015 für 295 € VK eifrig mit, man möchte wohl der teuerste Gran Selezione-Erzeuger sein. Das Weingut Isole e Olena von Sangioveseinreinformpionier Paolo de Marchi setzt mit seiner Gran Selezione für 220 € ein deutliches Zeichen im Wettbewerb der teuersten, italienischen Rotweine. Paolos Sangiovese-Kultwein Cepparello kostet im Vergleich sehr preiswerte 80 € VK pro Flasche.
Vor einigen Jahren wurde das berühmteste Brunello-Weingut, Biondi-Santi, an die französische Gruppe Epi der Familie Descours verkauft. Der Aufschrei hielt sich in Grenzen, angesichts des Ausverkaufs einer Institution und Denkmals des hochwertigen, italienischen Weins. Wie der Preis sich angesichts der neuen Rahmenbedingungen entwickeln wird, bleibt abzuwarten, denn die Riserva von Biondi-Santi ist seit Jahrzehnten einer der teuersten Weine der Toskana – für rund 500 € pro Flasche!

Biondi-Santi, Masseto oder Monfortino - Nur einer gewinnt das Rennen

Doch der Monfortino Barolo von Giacomo Conterno pulverisierte alle Preis-Rekorde der Vergangenheit, dank der reichen Kundschaft aus Russland und China (so wird gemutmaßt). Für solche Kunden ist Angelo Gaja bereits ein alter Hut. Man kauft das, was am teuersten ist!

Beim Besuch im Weingut öffnete Roberto Conterno für einen einzelnen Journalisten auch keinen Monfortino... Lediglich zwei Jahrgänge aus dem Großen Holzfass durfte ich verkosten, ich hatte mich wohl lange nicht mehr im Piemont blicken lassen. Dagegen durfte ich bei meinem Besuch an der toskanischen Küste den 2012er und 2013er Masseto aus der frisch geöffneten Flasche verkosten. Selbst für einen erfahrenen Weinjournalisten ist das ein Gänsehautmoment, und im Vergleich zu den Jahrgängen 1999 und 2000 hat Masseto sich weiter entwickelt, hat einen nachvollziehbaren Stilwechsel vollzogen. Gemäß dem Zeitgeist brauchen die Weine keine breiten Schultern mehr, überdeutlicher Holzeinsatz und konzentrierteste Frucht sind passé. Vielmehr glänzen die Rotweine durch Zurückhaltung und Finesse.

Die Nobilität des Weines wird nicht angezweifelt!

Aus gutem Grund haben sich die Marchesi Frescobaldi, die Eigentümer von Ornellaia und Masseto, schon vor Jahren entschieden, ihren reinsortigen Merlot-Kultwein Masseto nur am Place de Bordeaux zu verkaufen, wo die großen Chateaux-Weine gehandelt und die Begehrlichkeiten einer internationalen, reichen Kundschaft befriedigt werden. Wie das Vorbild Petrus wird der Masseto übrigens in einer Dreierholzkiste angeboten. 
Frescobaldi hat auch für den Masseto einen eigenen Keller an den wertvollen, mittlerweile 11 ha kleinen Weinberg gebaut. Ein Ort des Kultes und eine Pilgerstätte für diejenigen, welche die Weinfaszination am Preis festmachen. Sicher gibt es auch einen Hubschrauberlandeplatz, damit die Reichen und Schönen, die Araber und Russen nicht den mühsamen Weg über die holprige Staatsstraße der nördlichen Maremma nehmen müssen. Ist eben eine Welt für sich, dieses Segment des Weinverkaufens,. Es hat wenig mit dem Anspruch von Weinwelten zu tun, aus den besten Ecken Italiens diejenigen Weine auszuwählen, die nach Rebsorte und Gegend schmecken oder die als Anbaugebiet eine Geschichte geschrieben haben.

Sassicaia schreibt eine weitere Geschichte

Natürlich darf der Kultwein Sassicaia in einer derartigen Erörterung nicht fehlen. Die bewegte Geschichte des Weines zeigt, dass es bei aller Berühmtheit auch Schattenseiten gibt. Nach der offiziellen Markteinführung Ende der Sechziger und dem Blindprobenerfolg gegen die großen Franzosen in den Siebzigern sind es vor allem die Jahrgänge aus den achtziger Jahren, wie der 85er, die den Ruhm begründet haben. Zu Beginn des neuen Jahrtausends prügelte der ein oder andere Kritiker auf das Urgestein der italienischen Rotweinelite unverblümt mit Worten ein. Mehrere Jahrgänge in den Jahren von 1991 – 2010 waren nicht auf der Höhe, gleiches gilt für den Brunello Riserva von Biondi-Santi in dieser Zeit.
Nun hat sich der Kritiker-Gegenwind in einen immensen Rückenwind gewandelt. Mit dem Jahrgang 2015 - und noch eklatanter mit dem 2016er - zogen die namhaften Kritiker und Weinmagazine die 100-Punkte – sie wetteiferten fast darum. So sangen sie das Lied des „Best wine of Italy and the world" aus voller Kehle…ausnahmslos Lobeshymnen... Fast zwangsläufig stieg der Preis des Weines von ca. 130 € VK innerhalb dreier Jahre auf mehr als 300 € pro Flasche. Ist dies angesichts der Preise der Konkurrenz aber so abwegig? 

Die Watch-List - Italienische Rotweine für mehr als 200 €, nicht selten 300, 400 bzw. 500 € pro Flasche

Il Maroneto Madonna delle Grazie Brunello 
Casanova di Neri Ceretalto
Antinori Solaia IGT
Bibi Graetz Colore Toskana IGT 
Tua Rita Redigaffi IGT Toscana
Le Pupille Saffredi Toskana IGT
Allegrini Fieramonte Amarone Riserva
Dal Forno Amarone della Valpolicella
Gaja Sori Tildin Barbaresco, San Lorenzo, Costa Russi (ehemals Langhe DOC)
Gaja Barolo Conteisa und Langhe Darmagi
Roberto Voerzio Barolo Sarmassa, Brunate, La Serra
Aldo Conterno Barolo Gran Bussia Riserva
Vietti Barolo Villero Riserva

Es bleibt festzuhalten, dass der italienische ICON-Markt der Rotweine vom 2012er zum 2015er einen steilen Weg eingeschlagen hat, der angesichts der weltweiten Nachfrage zum Ziel zu führen scheint. Glücklicherweise ist dies nur ein kleiner Teil der Faszination Italiens. Das eigentlich Entscheidende sind aus meiner Sicht die Rebsorten- und Terroirweine zwischen 8 und 18 €; diesem Credo bleiben wir weiterhin treu. Nichtstdestotrotz schauen wir in einem zweiten Aritkel auf die spannende Geschichte der weißen ICON-Weine Italiens. Denn die Kultweine befeuern auch das Interesse an der jeweiligen Region und den Alltagsweinen der Weingüter.

Foto oben: Vertikale des Brunello di Montalcino Riserva von Biondi-Santi anlässlich der Vinitaly 2019 in Verona. Fotos unten: Verkostung der Masseto-Jahrgänge mit Olga Fusari, der rechten Hand von Axel Heinz; berühmter Masseto-Weinberg im Februar.