Die berühmten und teuren Weißweine Italiens

Schon gehört von Terlaner Primo, Ornellaia Bianco, Appius und Batàr?

Italienische Weißweine für mehr als 100 € pro Flasche? Wer kauft so etwas? Dass Barolo, Brunello und die Supertuscans Spitzenpreise im weltweiten Vergleich erzielen, ist nachvollziehbar, doch welche Region Italiens ist berühmt für herausragenden Weißweine? Die Winzer in den kleinen Regionen Friaul im Nordosten und Südtirol zeigen eindrucksvoll, dass Italien facettenreiche (und auch langlebige) Weißweine aus Burgundersorten bzw. einheimischen Sorten erzeugen kann. Gesetzt sind in diesem Segment weltweit nur die weißen Burgunder, bekommen doch bei Montrachet und Mersault Liebhaber exquisiter Weißweine feuchte Augen und sind bereit, 200 - 300 € pro Flasche für die in Kleinstmengen erzeugten Weine auszugeben.

Die Italiener trauen sich was - Weißwein für 260 €

Die Italiener sind in den letzten Jahren selbstbewusster geworden, wollen in dieser Liga mitzuspielen. Sie trauen sich (noch) nicht, diese Preise aufzurufen; doch hinter vorgehaltener Hand erzählen sie selbstbewusst, dass der eigene Chardonnay ebenso gut ist wie ein französischer Burgunder…  
Es ist ein günstiger Moment, denn der Markt für exquisite Weine ist in Bewegung. Die Nachfrage ist gestiegen und es gibt mittlerweile eine ganze Reihe an Chardonnay-Weinen, die im Preissegment von 60-80 € an die französischen Vorbilder heranreichen.
Aber beginnen wir mit der preislichen Spitze der Weißwein-Pyramide Italiens: ein Wein aus der Toskana. Im Online-Handel kostet eine Flasche Ornellaia Bianco -Sauvigon blanc mit etwas Viognier - derzeit 215 bis 260 €.
260 € für eine Flasche Sauvignon Blanc aus der Toskana? Aus dem heißen und trockenen Jahrgang 2017? Ja, das geht! Ornellaia ist nämlich ein berühmtes Weingut und weltweit gibt es genug betuchte und neugierige Weintrinker, die diesen Wein probieren möchten. Klein ist die Menge (lediglich ein paar tausend Flaschen, so schätze ich) - zahlreich dafür die flüssige Kundschaft aus aller Welt.

Südtirol ist eifrig dabei - Terlaner Primo und Appius

In Südtirol sorgte vor sechs Jahren der entsprechende Schritt der Cantina Terlan für Diskussionen, manche sprachen gar von Tumulten unter den Kellermeistern. Doch andererseits waren sie froh, dass einer diesen Anfang machte; konnten sie doch so selbst einen weißen ICON-Wein an den Start bringen. Die Kellerei Terlan startete mit einem Preis im Einzelhandel (EVP) von ca. 140 € für den Terlaner Primo, einen Blend aus Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon Blanc. Im Januar 2014 wurde der 2011er der Presse präsentiert, übrigens ein einer Vergleichsprobe mit französischen Burgundern… Die Zielgruppe für die rund 2.000 Flaschen sollten ausgesuchte Sternerestaurants in aller Welt sein. Der Plan ging auf, und heute kostet der 2016er im Handel bereits 215 € EVP, schätzungsweine erzeugt Terlan rund 3.000 Flaschen dieses Weines. Der Jahrgang 2015 kostete noch 200 € pro Flasche. 
Da wirkt der Sauvignon Blanc von Angelo Gaja für 110 € wie ein Schnäppchen für die Etikettentrinkerkundschaft. Fairerweise sollte erwähnt werden, dass es etliche Weinliebhaber gibt, die sich das Geld vom Munde absparen, um dieses Weinerlebnis einmal im Glas zu haben und dann auch mitreden zu können. Vor allem bei der jungen Generation scheint Ruhm und Preis eines Weines wichtiger zu sein, als das Terroir bzw. die Geschichte des Weines bzw. des Weingutes. 
Um das Collio, das Anbaugebiet für weiße Spitzenweine in den Neunzigern, im östlichen Friaul ist es ruhig geworden. Vielmehr bestellen nun die Südtiroler eifrig dieses Feld. 
Zwei weitere 100 €-Weißweine wachsen dort: Der Appius von Hans Terzer und „seiner“ Kellerei St Michael-Eppan (siehe Profil in den Nahaufnahmen) erblickte kurz nach dem Terlaner Primo das Licht der Welt; heute kostet er im Handel auch seine hundert Euro. Übrigens variieren die Rebsorten beim Appius von Jahr zu Jahr: es ist das Beste, was Kellermeister Hans Terzer im Keller hat. Beim 2015er waren es die gleichen Rebsorten wie beim Terlaner Primo, ein interessanter Vergleich also… In diesem Jahrgang hat Hans erstmals eine Selektion seiner Lieblingsrebsorte Sauvignon blanc lanciert, die als TWC (The Wine Collection) für 90 € EVP zu kaufen ist, aktuell ist der 2016er Jahrgang erhältlich.

Burgundischer Typ Chardonnay - Troy und Au

Beim Chardonnay wetteifern sie besonders eifrig. Lange Zeit war Lageders Löwengang der einzige ICON-Chardonnay, der seit mehr als 30 Jahren erzeugt wird. Nun haben auch Tiefenbrunner mit der Riserva Au und die Kellerei Tramin mit dem Chardonnay Troy ein heißes Eisen im Feuer. Erst vor zwei Jahren lancierte die Kellerei Tramin den Troy, der mit dem 2016er mit knapp 100 € EVP in der Liste steht, Löwengang und Au kosten derzeit ca. 65-75 € im Online-Handel. Das war zunächst auch bei Tramin die Preisvorstellung bei der Lancierung des Burgunders-Typs, d.h. Ausbauart in kleinen Barriquefässern und ein spürbares Säurerückgrat (siehe Profil in den Nahaufnahmen).
Doch aufgepasst, die Preistreiberei geschieht selten durch die Weingüter! Oftmals pushen die Online-Händler die Preise in diesem Luxus-Segment, nehmen hohe Punktbewertungen vom Amerika-Papst Robert Parker - für den die geschätzte Monica Larner seit einigen Jahren die italienischen Weine verkostet - oder James Suckling - der sehr freigiebig mit 100 Punkten ist und den asiatischen Markt mit seinem Einfluss nahezu zu kontrollieren scheint - und die ihnen zugeteilten, sehr kleinen Mengen zum Anlass, den Preis um 50 % zu erhöhen oder von einem Jahrgang zum Nächsten gar zu verdoppeln. Doch lassen wir ab von den Beurteilungen des Tuns, erzählen wir lieber von weiteren, herausragenden Weinen, die sich im Preisbereich von 60-80 € zu probieren lohnen. Mit 6 Weinfreunden verkostet, sind das auch nur 15 € pro Person…

Monteverro Chardonnay , Querciabella Batàr und Pietradolce Sant'Andrea

Für herausragende Rotweine steht der Monteverro Rosso mit ca. 150 € EVP. Dagegen kostet der weiße Spitzenweißwein des Haues, ein Chardonnay knapp 80 € im Handel. Unabhängig von der Rebsorte und der Farbe zeigt sich in den Weinen, die vorbildliche Arbeit von Georg und Julia Weber in dieser südlichsten Ecke der Toskana am Monte Argentario. Die großen Investitionen beginnen sich auszuzahlen und die selbst gesteckten, hohen Ziele – auch im Verkauf - in greifbarer Nähe.
Bleiben wir in der Toskana, ein bereits legendärer Klassiker der ganz feinen Art ist der biodynamisch erzeugte Weißwein Batàr von Querciabella aus dem Chianti Classico. Es ist einer wenigen ICON-Weißweine der Toskana, komponiert aus Chardonnay und Weißburgunder. Feinstes Holz, Finesse, Terroirausdruck und Langlebigkeit zeichnen diesen Wein aus, der sich gar nicht mit Burgundern messen will. 

Etwas zutiefst Eigenständiges ist auch ein Weißwein aus Süditalien. Wie, was: im heißen Süditalien gibt es herausragende Weißweine? Ja, das gibt es. Und zwar am Etna in Sizilien. Der Sant‘Andrea von Pietradolce ist ein „nerviger“ Weißwein, der ohne üppige Fruchtaromen auskommt. Komponiert aus der dort heimischen, säurebetonten Rebsorte Carricante, begleitet von feinem Eichenholz und dem Ausdruck des Lavabodens bei Passopisciaro an der Nordseite des Vulkans. Er steht mit ca. 80 € für den 2016er zu Buche - das ist für einen Newcomer zweifelsohne ein selbstbewusstes Statement. Auch hier löst das Angebot von geschätzten 2.000 Flaschen gepaart mit der Nachfrage aus aller Welt nach diesem raren Produkt alle Fragezeichen und Zweifel auf. Die Weinwelt braucht solche Weine. Nur fällt die Unterscheidung zwischen Weiß- und Rotweinen, die diesen Betrag wert sind, und solchen, die nur im Luxussegment mitspielen wollen, bei denen Besitzer und Wein ohne Herz und Seele unterwegs sind, nicht leicht. Wir helfen Ihnen dabei!