Berühmte und teure Weißweine Italiens (2)

Einheimische Rebsorten und Sauvignon blanc

Foto: Vertikale des Ornellaia Bianco 2013-2014-2015-2016-2017-2018

Italienische Weißweine für mehr als 80 € pro Flasche? Unsere Recherche ergab, dass es mehr und mehr Weine dieser Preisklasse gibt oder anders gesagt, die bereits bekannten Weine nehmen leichtfüßig die ehemals fest zementierten Preisschwellen und erfüllen die große Nachfrage weltweit nach den Superpullen für viel Geld. Dass Rote wie Barolo, Brunello oder die Supertuscans Spitzenpreise im weltweiten Vergleich erzielen, ist nachvollziehbar, doch welche Region Italiens ist berühmt für herausragenden Weißweine? Die Winzer in den kleinen Regionen Friaul im Nordosten und Südtirol zeigen eindrucksvoll, dass Italien facettenreiche (und auch langlebige) Weißweine aus Burgundersorten bzw. einheimischen Sorten erzeugen kann. Und die Spitzenwinzer aus dem Piemont, Toskana und sogar Sizilien bitten mittlerweile auch für ihre Weißweine ordentlich zur Kasse.

Teurer Weisswein aus Sauvignon bzw. einheimischen Rebsorten

Name Weingut Preis € Rebsorten Region
Sanctissimus Kellerei St. Pauls 80  PB Südtirol
TWC Sauvignon St. Michael-Eppan 110 SB Südtirol
Saurint Miani 90 SB Friaul
Ornellaia Bianco Ornellaia 260 SB, Viognier Toskana
Alteni di Brassica Angelo Gaja 110 SB Piemont
Colore Bianco Bibi Graetz 250 Ansonica Toskana
Testamatta Bianco Bibi Graetz 95 Ansonica  Toskana
Derthona Timorasso Roagna 95 Timorasso Piemont
Sant' Andrea Etna Bianco Pietradolce 110 Carricante Sizilien
Pietramarina Etna Bianco Benanti 80 Carricante Sizilien
Fior d'uva Marisa Cuomo 80 Fenile, Ginestre, Ripoli Kampanien
Paleo Bianco Le Macchiole 70 Char, SB Toskana

Legende: PB - Pinot Bianco, SB - Sauvignon blanc, Char - Chardonnay

Die Italiener trauen sich was - Weißwein für 260 €

Aber beginnen wir mit der preislichen Spitze der Weißwein-Pyramide Italiens: ein Wein aus der Toskana. Im Online-Handel kostet eine Flasche Ornellaia Bianco - Sauvignon blanc mit etwas Viognier - derzeit 215 bis 260 €.
260 € für eine Flasche Sauvignon blanc aus der Toskana? Aus dem heißen und trockenen Jahrgang 2017? Ja, das geht! Ornellaia ist nämlich ein berühmtes Weingut und weltweit gibt es genug betuchte und neugierige Weintrinker, die diesen Wein probieren möchten. Klein ist die Menge (lediglich ein paar tausend Flaschen, so schätze ich) - zahlreich dafür die solvente Kundschaft aus aller Welt. In Südtirol sorgte vor sechs Jahren eine entsprechende Preisansage der Cantina Terlan für Diskussionen, manche sprachen gar von Tumulten unter den Kellermeistern. Doch andererseits waren sie froh, dass einer diesen Anfang machte; konnten sie doch so selbst einen weißen ICON-Wein an den Start bringen. Die Kellerei Terlan startete mit einem Preis im Einzelhandel (EVP) von ca. 140 € für den Terlaner Primo, einen Blend aus Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon blanc. Im Januar 2014 wurde der 2011er der Presse präsentiert, übrigens ein einer Vergleichsprobe mit französischen Burgundern… Die Zielgruppe für die rund 2.000 Flaschen sollten ausgesuchte Sternerestaurants in aller Welt sein. Der Plan ging auf, und heute kostet der 2016er im Handel bereits 215 € EVP, schätzungsweine erzeugt Terlan rund 3.000 Flaschen dieses Weines. Der Jahrgang 2015 kostete noch 200 € pro Flasche. 
Da wirkt der Sauvignon blanc von Angelo Gaja für 110 € wie ein Schnäppchen für die Etikettentrinkerkundschaft. Fairerweise sollte erwähnt werden, dass es auch etliche Weinliebhaber gibt, die sich das Geld vom Munde absparen, um dieses Weinerlebnis einmal im Glas zu haben und mitreden können. Vor allem bei der jungen Generation scheint Ruhm und Preis eines Weines wichtiger zu sein, als das Terroir oder die Geschichte vom Wein bzw. des Weingutes. 
Um das Collio, das Anbaugebiet für weiße Spitzenweine in den Neunzigern, im östlichen Friaul ist es ruhig geworden. Vielmehr bestellen nun die Südtiroler eifrig dieses Feld. 

Eigenständig bis ins Mark: Carricante oder Ansonica von der Insel

Etwas zutiefst Eigenständiges ist auch ein Weißwein aus Süditalien. Wie, was: im heißen Süditalien gibt es herausragende Weißweine? Ja, das gibt es. Und zwar am Etna in Sizilien. Der Sant‘Andrea von Pietradolce ist ein „nerviger“ Weißwein, der ohne üppige Fruchtaromen auskommt. Komponiert aus der dort heimischen, säurebetonten Rebsorte Carricante, begleitet von feinem Eichenholz und dem Ausdruck des Lavabodens bei Passopisciaro an der Nordseite des Vulkans. Er steht mit ca. 80 € für den 2016er im Buche - das ist für einen Newcomer zweifelsohne ein selbstbewusstes Statement. Mittlerweile kostet der 2020er schon 110 € pro Flasche. Auch hier läßt das rare Angebot von geschätzten 2.000 Flaschen gepaart mit der großen Nachfrage aus aller Welt alle Fragezeichen und Zweifel verstummen. Die Weinwelt braucht solche Weine. Nur fällt die Unterscheidung zwischen Weiß- und Rotweinen, die diesen Betrag wert sind, und solchen, die nur im Luxussegment mitspielen wollen, bei denen Besitzer und Wein ohne Herz und Seele unterwegs sind, nicht leicht. Wir helfen Ihnen dabei!

Foto unten: Es ist angerichtet im Sternerestaurant in München, Speisezimmer im Hof? 

Ornellaia Bianco in München - Ein exklusives Abendessen für 8 Personen

Eine Vertikale von 2013 bis 2018! Rozsika Farkas war für Weinwelten dabei

Axel Heinz, Weingutsdirektor von Ornellaia, präsentierte sieben Jahrgänge des Ornellaia bianco – und gab damit einen spannenden Einblick in seine Suche nach dem vollkommenen Weißwein.
1200 Kilometer trennen Bolgheri von Bordeaux – und doch ist das toskanische Städtchen in der Art seiner Weine der französischen Weinkapitale viel näher als den quasi in der Nachbarschaft gelegenen Weinpilgerstätten Montalcino oder Scansano. Denn nicht die Toskana-Rebe Sangiovese dominiert hier den Weinbau. Zu Ruhm gelangte das küstennahe Bolgheri vielmehr durch die roten Bordeaux-Sorten. 
Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot sind die Zutaten, aus denen der Ornellaia, einer der besten Rotweine Italiens, zusammengesetzt ist; zur Vollkommenheit geführt unter der Leitung des aus München stammenden langjährigen Weingutsdirektors Axel Heinz. Mit dem Masseto, einem reinsortigen Merlot, gewachsen auf einem kleinen Filetstück des Anwesens, das seit 2005 der traditionsreichen Weinfamilie Frescobaldi gehört, hatte Ornellaia noch einen draufgesetzt und damit das ebenbürtige Gegenstück zur Bordeaux-Legende Pétrus geschaffen. Allerdings ist der kleine Weinberg, der den monumentalen Wein hervorbringt, seit 2019 als Tenuta Masseto ein eigenes Weingut.

Gesucht: Ein großer Weißwein 

Was noch fehlte, war ein Weißwein von gleichem Kaliber. Toskanatypisch für Weiß wären die Rebsorten Vermentino sowie Vernaccia di San Gimignano. Vermentino, frisch und mineralisch, bringt schöne Ergebnisse, wie der Vermentino Bolgheri von Antinori beweist.
Ornellaia war mit seinem Poggio alle Gazze auf Sauvignon-blanc-Basis dagegen immer schon eher auf der französischen Seite. Denn der Sauvignon, allerdings nicht reinsortig, sondern im Verbund mit Sémillon, bildet in der Appellation Graves im Bordelais die Grundlage für einige der großartigsten Weißweine der Welt. 
Könnte es Axel Heinz gelingen, in Bolgheri, dieser Bordeaux-Exklave, für Ornellaia einen wirklich großen Weißwein zu kreieren? Der in der Zusammensetzung nicht identisch ist mit den Graves-Weinen? Womöglich mit einem Anteil Vermentino, um den Wein mehr mediterranen Schliff zu geben? Immerhin enthält der Poggio alle Gazze je nach Jahrgang einen stattlichen Anteil der Toskana-Traube, beim 2020er beispielsweise 22 Prozent.
Versuch macht klug, also machte sich der Weingutsdirektor ans Experiment. Die im Schwabinger Werneckhof vorgestellte Vertikale gab einen faszinierenden Einblick in die Annäherung eines großen Önologen an die Konzeption eines großen Weins.
Den Anfang machte der Ornellaia bianco aus dem Jahr 2013, bestehend aus 70 Prozent Sauvignon und 30 Prozent Viognier, mit dem Ornellaia gleich einen Volltreffer gelandet hat. Der in kleinen Holzfässern vergorene Wein, der ein volles Jahr auf der Hefe lag, bezauberte mit Feingliedrigkeit und Cremigkeit und zarten Anklängen von Tropenfrucht. 
Mit dem Viognier an sich hat Axel Heinz aber auch so seine Probleme. Sie ist ihm zufolge „eine mürrische, unzuverlässige Rebsorte.“ Seine Konsequenz: „Also habe ich mich dem Schicksal ergeben und doch Sémillion gepflanzt. Vielleicht sollte man ja akzeptieren, dass, was bei Rot funktioniert, auch bei Weiß passt.“ Noch allerdings ist keine klassische Bordeaux-Cuvée als Ornellaia bianco auf dem Markt, schließlich müssen die Reben erst ausreichend wachsen. 

Vertikale 2013 - 2018 des Ornellaia Bianco

Im Folgejahr wurde einer italienischen Sorte die Ehre zuteil, im Ornellaia bianco mitzuspielen: Neben Sauvignon blanc, Viognier, Petit Manseng kam auch Verdicchio zum Einsatz – allerdings nur dieses eine Mal. Danach war es immer Sauvignon blanc, entweder reinsortig oder mit einen Anteil Viognier – mal 9, mal 19 Prozent. 
Die Idee des italienisch-mediterranen großen Weißweins hat sich nicht verwirklichen lassen, „Vermentino und Verdicchio passen einfach nicht in unsere Cuvée rein.“ Aber: Axel Heiz hat seinen Frieden damit gemacht. „Ich kann heute leichten Herzens Sémillon anbauen, weil ich das andere ausprobiert habe.“ 
Jeder einzelne der vorgestellten Weine, vom cremig-feinen 2013er bis zum spannungsreichen, nach herben Kräutern duftenden 2019er, erwies sich bei der Verkostung als grandios: mit salziger Mineralik, lebendiger Säure, Frische, Schmelz und Finesse zugleich. Eher von Kräutern und feinen Würznoten als von Frucht geprägt. Immer zusammengehalten von einer inneren Kraft, die aber nie laut und auftrumpfend daherkommt. 
Der Ornellaia bianco aus Sauvignon und Sémillon, wie gesagt, ist noch nicht zu probieren. Aber auch so kann man Axel Heinz schon dazu gratulieren, mit dem Ornellaia bianco einen der besten, wenn nicht den besten Weißwein Italiens geschaffen zu haben. Oder sagen wir: einen großen europäischen Wein: gewachsen in Italien aus französischen Rebsorten, zusammengefügt von einem aus Deutschland stammenden Önologen.

Foto unten: Das Niveaus des Essens sollte mit der Klasse des Weines mithalten können...