Dolcetto im Fokus - Oh wie schön ist... Ovada!

Weg mit den Vorurteilen! Es tut sich was im Alto Monferrato!

Es war auch höchste Eisenbahn, sich mit dem Rotwein Dolcetto im Piemont neu auseinander zu setzen. Die Weinzeitschriften umschiffen das Thema seit Jahren. Zu wenig Marketingdollars mögen dafür ein Grund sein und im „world wide wine web“ liest man wiederholt die gleichen abgedroschenen Phrasen. 
„Dolcetto ist der Alltagswein des Piemonts, ist nicht süß, aber sanft in Gerbstoffen und Säure und dazu noch fruchtbetont“, liest man auf Webseiten zum Thema. Etwas Genaueres zur Abstammung und den Synonymen taucht auf - aber ist das der Stoff, der das Interesse weckt und Lust auf diese Rebsorte macht? 
Bedauerlicherweise für die Dolcetto-Winzer steht der König Barolo in der attraktiven Langhe voll im Rampenlicht. Daneben beschränkt sich das Geschriebene auf die Rebsorten Nebbiolo und Barbera und den bekannten Weißen Gavi und noch ein paar Worte zum Arneis. Überraschenderweise ist relativ wenig über den süßen Asti Spumante zu lesen, der mengenmäßig eine sehr prominente Rolle spielt. Weinwelten erklärt das Piemont im Artikel „Weine im Piemont“ etwas ausführlicher.

In der Region Piemont gibt es seit Jahren allerhand Kritik an der Agrar- und insbesondere an der Weinförderungspolitik der Regionalregierung; das wollen wir nicht weiter thematisieren... Immerhin haben die Verantwortlichen in 2019 eine Initiative gestartet und das „Jahr des Dolcetto“ ausgerufen. Federführend war die Enoteca Regionale di Ovada; ein Ort, der Dolcetto im Blut hat. Denn die Kleinstadt Ovada an der südlichen Grenze des Piemonts zu Ligurien beherbergt die einzige DOCG dieser Rebsorte, die nicht im Dunstkreis der berühmten Langhe liegt. Ansonsten wird die Rebsorte natürlich als DOC-Rotwein - wie die Sorte Barbera – im gesamten, weitläufigen Monferrato angebaut. https://enotecaregionaleovada.com 

Dolcetto neu bewertet

Steffen Maus folgte der Einladung zu einem Austausch mit Winzern, einer Verkostung und einigen Weingutsbesuchen. So konnte er sein ebenfalls in die Jahre gekommenes Bild vom Dolcetto auffrischen. Jeder braucht von Zeit zu Zeit den Reality Check! Gesagt! Getan! Und diese Artikelreihe ist der Erfahrungsbericht von Steffen Maus, dem Weinreisenden und Weinschreiber, der sich seit 20 Jahren stets aufs Neue motiviert auf den Weg zum italienischen Wein macht. 

THESE - Dolcetto ist authentisches Piemont – ein Wein aus der zweiten Reihe, den die unvoreingenommenen Weintrinker neu erleben können. Vor allem die jungen Weintrinker können hier etwas Eigenes entdecken, sie möchten sicher keinen sperrigen Barolo trinken. 
Dolcetto ist ein interessanter Wein auch für die erfahrenen Weintrinker, die der Langhe überdrüssig geworden sind und im Monferrato Neues und Ursprüngliches entdecken. Dogliani ist bekannter, Ovada hat viel Potenzial!

Dolcetto - Die wichtigste Frage überhaupt

Wo wächst diese Rebsorte im Piemont (und welchen Stellenwert besitzt sie dort)? Diese Frage ist die Wichtigste, denn Dolcetto schmeckt unterschiedlich; der aus Alba anders als der aus Ovada. In der berühmten Langhe ist der Dolcetto auf dem Rückzug, wurde durch Nebbiolo ersetzt, weil der viel mehr Geld bringt. Es gibt nur wenige Barolo-Winzer, die ihn mit Augenmaß und Respekt behandeln. Selbst die Sorte Barbera besitzt vielerorts mehr Wertigkeit als der Dolcetto für die Winzer.
Auf Konsumentenseite kennen die meisten Piemontfreunde den Dolcetto aus Alba, weil es dort Hunderte von bekannten Winzern gibt, die im Export erfolgreich sind. Beim Alba steht die Frucht im Vordergrund - der Wein ist auf ein junges Leben ausgelegt. Neben Barolo, Barbaresco und Roero ist es traditionell DER Wein zum Mittagessen, für jeden Tag…
Auch in der weitläufigen Provinz Asti (und in der Gemeinde Aqui Terme) besticht der Dolcetto nicht durch Marktpräsenz. Die Kellereien und Winzer setzen auf den perlenden Moscato und den allgegenwärtigen Barbera - Nizza (Monferrato) lässt grüßen (die mit großen Hoffnungen verbundene, junge DOCG für den Super-Barbera)! Wo wird er überhaupt noch mit Respekt behandelt? Glücklicherweise sieht es in den DOCG-Anbaugebieten Dogliani, Diano d‘Alba und Ovada anders aus. Hier blitzt die vom Gesetz definierte Brillianz des Rotweines Dolcetto auf, denn dort spielt er die erste Geige!

Foto oben: Verkostung der Weine in der Enoteca, Foto unten: Winzergruppenfoto in Ovada nach der Podiumsdiskussion - Foto zu unterst - Ovada kann reifen und erreicht erst nach 4-5 Jahren seinen Höhepunkt