Spoleto Trebbiano und Montefalco Bianco DOC

Die Weißweine sind eine Entdeckung im Rotwein-Gebiet

Die Farbe goldgelb, der Duft von Mango und kandierten Früchten, Aromen von Orangenschale und Darjeelingtee, ein Hauch Mokka und Karamell, dazu auf der Zunge salzige Noten. Der üppige Wohlgeruch, der füllige Geschmack – komplex und vielschichtig, bei aller Trockenheit und Mineralität geschmeidig und cremig – entstammt einem zehn Jahre gereiften Weißwein aus Umbrien, aus einer Rebsorte, die gleichzeitig bekannt und unbekannt ist: Trebbiano einerseits, in Italien in vielen Regionen verbreitet und Lieferant überwiegend schlichter Alltagsweine. Aber hier eine spezielle, bislang wenig prominente Variante: Trebbiano spoletino, autochthone Sorte im Zentrum Umbriens, benannt nach der Stadt Spoleto, die ein Stückchen südlich von Montefalco liegt. Wobei es der Begriff „Variante“ nicht wirklich trifft: Der Trebbiano spoletino ist eine eigene autochthone Rebsorte und nicht verwandt etwa mit dem Trebbiano toscano. Wie auch der rote Sagrantino, war der Spoletino noch vor ein paar Jahrzehnten fast völlig verschwunden, jetzt ist er einer der jüngsten Stars der italienischen Weißweinszene. Sowohl in einem Montefalco bianco wie auch in einem Spoleto Trebbiano spoletino müssen mindestens 85 Prozent Trebbiano spoletino enthalten sein.

Nicht nur jung ein Genuss

Weißweine, heißt es, wollen frisch getrunken sein, italienische zumal. Doch wer den Spoletino ausschließlich im blutjungen Stadium trinkt, verpasst etwas. Gewiss, auch ganz frisch macht er Spaß. Mit seinen spritzigen Zitrusnoten, dem Duft von weißen Pfirsischen, den nussigen Aromen und seiner appetitlichen Säure ist er leicht und elegant, ein herrlich erfrischender Terrassenwein wie auch ein feiner Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten, zu Gemüse- und Eierspeisen wie auch zu frischem Ziegenkäse. Nie ist er langweilig oder ermüdend, immer wirkt er in seiner Jugend tänzelnd frisch. Und doch sollte man es auch schon mal darauf ankommen lassen und ihn ein Weilchen liegen lassen. Denn das Verblüffende an ihm, das, was ihn über die große Mehrzahl italienischer Weißweine hinaushebt, ist sein Reifepotenzial, die er seinem kräftigen Rückgrat und der lebhaften Säure verdankt. Der Gedanke an Riesling drängt sich auf, wenn sich die anfänglichen Noten von weißen Pfirsichen zu Duft von tropischen Früchten entwickeln, bisweilen unterlegt von einem Hauch Petrol.

Ideal für hochwertige Spumanti

Klar, dass sich so ein säurestraffer Wein hervorragend zur Herstellung von Schaumwein eignet. Immer mehr Winzer in der Region gehen dazu über, einen Teil ihrer Spoletino-Lese zu versekten. Mit sehr erfreulichen Ergebnissen. Sorgfältig verarbeitet, in traditioneller Flaschengärung produziert, ausreichend lang auf der Hefe gelagert, ergibt sie lebhaften Spumante, der mit frischem Zitrusnoten und feinem Blütenduft, mit Pfirsicharomen, aber auch Anklängen von Brotkruste, Karamell und Brioche aufwartet. Wie beim Stillwein gilt auch für den Spumante: der Mindestanteil an Trebbiano-spoletino-Trauben liegt bei 85 Prozent. 
Mit ihren Vorzügen, was Aromatik und Reifepotenzial betrifft, ist der Trebbiano spoletino eigentlich jede Mühe wert. Umso erstaunlicher, dass die Rebsorte in Vergessenheit geraten, ja, fast verschwunden war, denn sie bringt nicht nur großartigen Wein, sondern bietet auch im Anbau große Vorteile: Sie ist eher robust und resistent gegenüber Pilzerkrankungen. Dazu bringt sie guten Ertrag. Möglicherweise ist es genau das, so zumindest eine Hypothese, was alle – sonst untereinander kaum verwandten – Trebbiano-Varietäten gemeinsam haben: dass sie hohe Erträge bringen und dass der Name von der Herleitung her nichts anderes bedeutet als wuchsstark.

Die Autorin Rozsika Farkas besuchte Montefalco mehrere Male in der jüngeren Vergangeneheit, aus ihrer Feder stammen diese 3 Übersischtsartikel zum Sagrantino, Montefalco und dem Weißwein Spoleto Trebbiano.

Foto unten: Montefalco Weinberge im Herbst - Foto oben: Trebbiano Spoletino Trauben vor der Ernte