Zahreiche neue Weingüter in Südtirol zum Entdecken

Mehr als 80 Weinbauern schreiben nun ihre Geschichte als "Eigenkelterer", Etliche mit Kleinstmengen, doch sind auch einige Ambitionierte Projekte darunter

Fotos oben: Johannes Khuen-Belasi, Josef Waldner
Fotos unten: Anton Longo, Hannes Baumgartner

Südtirols Weinszene ist in Bewegung: allein in den letzten 8 Jahren sind sage und schreibe mehr als 60 neue Weingüter entstanden. In allen Anbaugebieten ist die Anzahl der „Eigeneinkelterer“ gewachsen, einige sind Mikrobetriebe, wie der Pardellerhof Montin in Marling, der von seinem Vernatsch nur rund 1.000 Flaschen erzeugt. Bozen, Eppan, Kaltern, Tramin und Neumarkt sind die Hochburgen der Neuwinzer. Doch auch in Kardaun oder in St. Martin im Passeier Tal ist mit dem Bergkellerei Passeier von Konrad Pixner ein interessanter Betrieb hinzugekommen. 

Es war also höchste Zeit, über die berühmten Kellereien und Genossen hinaus zu schauen, die berühmten, freien Weinbauern außen vor zu lassen und sich einmal 4 Betriebe stellvertretend genauer anzuschauen. 

Tenuta Eichenstein bei Meran 

Sepp Waldner ist ein Tausendsassa, seiner Familie gehört der Oberwirt in Marling, eines der besten Häuser in Südtirol für gehobene Gastfreundlichkeit. Seit elf Generationen! Als Rosen- und Pferdezüchter hat er sich einen Namen gemacht, ist in der Textilbranche tätig und hat ein weitere Spielwiese mit der Tenuta Eichenstein angelegt. Ein Weingut & Chalet mit 6 ha Reben, dass oberhalb von Burgstall in Freiberg in Einzellage mit Blick auf das Ultental traumhaft gelegen ist. Seine Weine kommen an, seine Hotelgäste sind seit einigen Jahren dankbare Abnehmer für seinen Chardonnay Seppelaia oder den Sauvignon blanc. Hier testet er auch Neues: „Vor 3 Jahren war ich der Erste, der einen Vernatsch Rosé auf den Markt gebracht hat“, sagt er mit dem selbstbewußten Lächeln eines gewieften Unternehmers - weil er mehr Geld damit erlöst, als wenn er die Trauben bei der Meraner Kellerei abliefert. Weinberater, wie Luca d’Atoma oder Hartmann Dona, haben ihm geholfen, und ab Juni 2018 ist der junge Martin Pollinger sein Kellermeister. „Wenn es mit Ihnen gut geht, dann wird in 2-3 Jahren ein neues Topweingut entstanden sein“, dessen ist sich ein benachbarter Kellermeister im Etschtal sicher.

Strasserhof im Eisacktal

Ortswechsel - Aus den Meraner Hügeln in die kühlen Täler des bergigen Eisacktals zum Gespräch mit Hannes Baumgartner; wir treffen ihn in seiner Stube im Strasserhof in Vahrn/Neustift. Der Präsident der Freien Weinbauern hat bereits im Jahre 2003 begonnen, auf dem Hof der Familie oberhalb des Klosters Neustift selbst einzukeltern. Müller Thurgau, Grüner Veltliner, Sylvaner, Kerner, Riesling und Gewürztraminer wachsen auf 5 ha Rebfläche. „Sein 1000 Jahre alter Hof sei älter als das Kloster“, Hannes erzählt die klassische Geschichte vieler Südtiroler Landwirte: Wein gab es schon immer, in den 70iger Jahren kam Obst hinzu, dann hat der Vater das Vieh abgeschafft, nun gibt es Appartments und einen Burschenschank, wo Mutter und Schwester kochen. Hannes hat 1996 seinen Beruf gelernt, dann kontinuierlich umgestellt, von 4.000 auf ca. 50.000 Flaschen pro Jahr ausgebaut. 

Im Eisacktal hat sich die Zahl der Weingüter seit 2003 von 10 auf 22 erhöht. Die Atmosphäre sei gut, die Winzer unterstützen sich gegenseitig, eine Gebietsförderungsgesellschaft operiert seit 10 Jahren und organisiert beispielsweise auch Vorträge zum biologischen Weinbergs-Management. Eine feine Geste ist der Weißwein AnJo, die Selektion des Silvaners, mit der sich Hannes bei seinen Eltern Anna und Johannes dafür bedankt, dass sie ihm trotz ihrer Bedenken freie Hand gelassen haben. Die große Familie der Weinbauern zählt nun in ganz Südtirol 105 Betriebe, die rund 6% der Weinmenge verarbeiten.

Baron Longo in Neumarkt

Zum Kreis gehört auch der junge Anton Longo am anderen Ende Südtirols, im südlichen Neumarkt. Seine Familie steht für eine jahrhundertealte Tradition mit den Weinbergen rund um das Villner Schlössl. Das Weingut im Palais Longo ist schon für sich eine Sensation, wie auch die Entschlossenheit und Sorgfalt, die Anton bei seinem naturnahen Ausbau mit modernen, nachhaltigen Arbeitsmethoden an den Tag legt. Er ist mit seinen 16 ha Weinreben einer der großen Weinbauern in Südtirol, lediglich 6 ha verarbeitet er selbst, früher lieferte sein Vater die Trauben an die Cantina Tramin, heute an Hofstätter. Viel früher, im Jahr 1899 lieferte seine Familie schon nach Kärnten in großen Holzfässern; dorthin, wo sein Urgroßvater ausgewiesen wurde, als er nach dem Weltkrieg als Bürgermeister nicht die italienische Flagge aufhängen wollte. Auch das ist Südtirol. Im Palais Longo verarbeitete dann die Genossenschaft Neumarkt für eine ganze Weile die Trauben. Die heutigen Weine der Selektionslinie von Baron Longo, die alle mit Wachs verschlossen werden, und die Geschichte mit den Etiketten lebendig halten, sind ambitioniert und kompromisslos, was Anton Longo schon nach 3 Jahrgängen zu einem Geheimtipp in Südtirol gemacht hat. 

Schloss Englar in Eppan Berg

Ebensolches lässt sich auch über das Schloss Englar in Eppan (Berg) sagen, wo es ja beileibe eine hohe Dichte an Weingütern gibt. So hat Martin Abraham in wenigen Jahren den Schritt vom Geheimtipp zum gesuchten Weingut gehen können. Gleiches erhofft sich nun Johannes Khuen-Belasi, der in einem sehr pittoresken Schloss in Nachbarschaft zum Stroblhof zuhause ist, das seit 1600 im Familienbesitz ist. Ein Schloss mit Rittersaal, worin sich ein Boutique-Hotel mit 8 Zimmern befindet, Himalaya-Zedern im Innenhof, 80 freilaufende Hühner, 2 Pferde, großer Gemüsegarten und eine eigene Kapelle gehören ebenso zur Ausstattung wie 13 ha Reben rund ums Schloss und eine brandneue Kellerei für Chardonnay, Sauvignon, Riesling, Weißburgunder, Pinot noir und Vernatsch. Der junge Hannes Pichler vom kleinen Weingut Bergmannshof in St. Pauls ist verantwortlich und hat die ersten Jahrgänge wirklich in der isolierten Garage erzeugen müssen. Ab 2018 wird das anders sein, ab 2019 soll nichts mehr an die Kellerei Schreckbichl geliefert werden, ab 2020 nichts mehr an das befreundete Weingut Niedrist. Alles geht zack zack - 2012 beschlossen, 2014 angefangen, 2016 erstmals mit Weinen auf dem Markt, die Planung steht. 

Edelsteine in Südtirol

Jede Geschichte und jede Persönlichkeit ist für sich eine riesige Attraktion, die Lust auf die Weine, auf Südtirol, aufs Kennenlernen und Hinfahren macht, und das für alle Italienliebhaber ganz ohne Wörterbuch. Andi Sölva mit seinem Kalterer See und Riesling in Kaltern oder Hans-Jörg Dona mit Sauvignon und Chardonnay in Eppan in Kleinstmengen sind nur zwei weitere Beispiele für die begeisternde Vielfalt Südtirols, die in keinem Fachhandel zu finden ist.

Der Spaltenste – Mit dem Vernatsch Campil und dem Lagrein Laurenc ist Martin Gojer so etwas wie das Enfant Terrible Südtirols. Wo bei vielen Weingütern auf Kraft, Schmelz und Frucht Wert gelegt wird, sind seine Weine eher zarte, jedoch sehr eigenwillige Geschöpfe, mitunter finessenreich und feingliedrig, nie zurückhaltend. Martin arbeitet mit Maischegärung, all seine Weine zumindest teilweise auf den Beerenschalen vergoren, was für ein markantes Tannin am Gaumen sorgt. In der Aromatik sind sie eigenwillig, auch weil sie ungeschönt mit minimaler Schwefelgabe abgefüllt werden.

Der Angesehenste - Hartmann Donà, ehemals Kellermeister in Terlan, keltert den Blauburgunder, die Cuvées Donà Rouge und Donà Blanc. Für viele sind es besondere Weine des Rebenflüsterers, der zudem einige kleine Weingüter unterstützt und für seinen humanistischen Ansatz geschätzt wird. Auf seiner Webseite hartmandona.it erzählt er Ihnen mehr darüber.

Foto unten: Kellermeister Südtirols in einem Buch aus dem Jahre 1990 !!