Vermentino in Sardinien - Ist „Gallura“ ein Qualitätsmerkmal? 

Herbert Heil beantwortet die Frage und liefert Restaurantipps für ihren Urlaub

Foto oben: Bestens geschützt: die Weinreben vom Weingut Siddura in der Gallura sind von Bergen umgeben.

Denkt man an Sardinien, dann fallen einem sofort die traumhaften Strände ein, das glasklare Meer, der spröde Reiz der Landschaft, die archaischen Orte, die Nuraghen, die geschichtsträchtigen Steintürme und nicht zu vergessen die unzähligen Schafe. An Wein verschwenden die Wenigsten einen Gedanken. Ein Fehler, denn Sardiniens Weine sind jederzeit eine Reise auf die wunderschöne Insel wert. Eine Vielzahl verschiedener Reben, meist autochthoner Sorten, wachsen hier: Nuragus, Malvasia, Semidano, Cannonau, Monica, Carignano, Bovale, Giro und der beliebte Vermentino.
Auf einer mehrtägigen Pressereise zum Thema Vermentino stand diese weiße Rebsorte von besonderem Reiz im Mittelpunkt und wir konnten unser Weinwissen auf den neuesten Stand bringen. Nach etlichen Weingutsbesuchen, Hunderten von Kilometern, einigen Workshops und Restaurantbesuchen (Tipps am Ende des Artikels) sind wir um einiges schlauer. 
Vermentino-Weine sind typischerweise vollmundige Weißweine mit einer frischen Säure, die meist strohgelb im Glas schimmern und deren fruchtiges Bouquet Apfelaromen beherrschen. Aber auch Kräuternoten und Anklänge von tropischen Früchten wie Ananas, Limetten oder Akazien werden dem Duft des Vermentino häufig zugeschrieben. Zum intensiven fruchtigen Geschmackserlebnis gehört bei diesem Wein auch ein dezent bitterer und mineralischer Unterton, der ihm Struktur und Länge verleiht. Vermentino gilt unter Weinkennern als eine der anspruchsvollsten und charakterstärksten mediterranen Weißweinsorten. Es gibt sowohl einfache Tischweine, aber auch anspruchsvolle Tropfen von hoher Qualität. Aufgrund seiner Komplexität passt der Vermentino zu vielen Gerichten der mediterranen Küche. So ist er ein exzellenter Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten, sommerlichen Salaten und weißem Fleisch. Auch als frischer Aperitiv macht der Vermentino eine „bella figura“! Für manche ist er gar der beste Weißwein Italiens. Es wird vermutet, dass die Rebe ihren Ursprung in Spanien oder auf der portugiesischen Insel Madeira hat. Dass sie nach Sardinien gelangt ist, verwundert ob der wechselvollen Geschichte der Insel nicht. Gesicherte Belege für die Herkunft der Vermentino-Rebe gibt es allerdings keine. 

Einen informativen, weiterführenden Artikel zu den besten Weingütern in Sardinien und den Entdeckungen des Sardinien-Experten Herbert Heil finden Sie hier.

Top 10 der Restaurant-Tipps für Ihren Sardinienurlaub

OLBIA
Ristorante Bacchus, Via degli Astronauti, im Erdgeschoss des Jazz-Hotels - www.jazzhotel.it
Ristorante Dolceacqua, Via Giacomo Pala, Sardinien trifft Ligurien - www.ristorantedolceaqua.com
Trattoria dei Lidi, Via dei Lidi, nahe beim Hafen
ALGHERO
Il Corallo, www.ilcoralloristorante.it
La Lepanto, www.lalepanto.com sowie Il Pavone, La Bifora und Trattoria Marco Polo
CAGLIARI
Cucina.eat ist stylish eingerichtet, serviert werden köstlich Speisen. Das Konzept: Restaurant, Weinbar, Weinshop gefällt auf Anhieb. Unbedingt empfehlenswert - www.shopcucina.it
I Sarti del Gusto ist ein weiteres Glanzlicht der gehobenen Küche und dabei völlig unprätenziös - www.isartidelgusto.it
STERNE - Ristorante S’Apposentu Di Casa in Siddi gehört dem Sternekoch Roberto Petza. Er leitet dort auch eine Kochschule. Zudem bietet er drei komfortable Zimmer an - www.sapposentu.it

Olbia ist die Stadt mit dem direkten Bezug zum Anbaugebiet Gallura. Im weitläufigen Hinterland darf in 21 Gemeinden der Vermtino di Gallura DOCG angebaut werden. Die Gallura liegt im äußersten Nordosten Sardiniens und ist vor allem touristisch bekannt durch die berühmte Costa Smeralda mit ihren weißen Stränden, glasklarem, in verschiedenen Blautönen schimmernden Buchten und vom Meer bizarr gestalteten Granitformationen. Hinter der Küste fährt man durch die Weinberge und Korkeichenwälder der Gallura. Hier findet die Vermentino-Rebe ideale Bedingungen.

Die Böden bestehen aus Granitverwitterungen, sie sind wasserdurchlässig, mit steinigem, fast felsigen Untergrund. Die Weinstöcke müssen sehr tief wurzeln, um ihre Wasser- und Nährstoffversorgung sichern zu können, was ihren einmaligen Terroir-Charakter ausmacht. Wichtig ist auch das Klima: Es ist hier kühler als im übrigen Sardinien. Das Limbara Massiv im Westen sorgt mit seinen Fallwinden für kühle Nächte und einen großen Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht, für Weißweine ideal wegen der dadurch vorhandenen Aromendichte. Dadurch unterscheiden sich die Weine von den zahlreichen Vermentino di Sardegna, die auf der Insel erzeugt werden. Bereits seit dem Jahre 1996 besitzt der Vermentino di Gallura den DOCG-Status, 10.000 kg/ha ist der Höchstertrag für diesen Weißwein, der zu mind. 95% aus Vermentino erzeugt werden muss.

3 x Erlesenes: Die Weinguts-Tipps von Herbert Heil

Geheimtipp - Das kleine Weingut: Tenute Olbios, Gallura

Daniela Pinna ist eine Frau mit Weitblick und Visionen in der Gallura. Ihr Weingut Tenute Olbios liegt in unmittelbarer Nähe der mittelalterlichen Festung Castello Pedres bei Olbia. Seit 2005 ist sie mit eigenen Weinen erfolgreich. Früher lieferte ihre Familie die Trauben an die Kellereigenossenschaft in Tempio sowie an den Wein-Giganten Sella & Mosca. Und auch heute noch wird ein Teil der Ernte verkauft. Der Name Olbios ist griechischer Abstammung und steht für glücklichen, reichen und fruchtbaren Boden. Olbios produziert charaktervolle, grandiose Weine. Die sortentypischen Weine dieser Kellerei gehören zu den Besten in Sardinien.
Die sympathische, studierte Agronomin Daniela Pinna hat lange in der Forschung gearbeitet, bis sie vom Weinvirus befallen wurde. Inzwischen ist sie sogar Präsidentin des Schutzkonsortiums des Vermentino di Gallura. Ein schwieriger Job, denn sie muss die Anliegen vieler Winzer unter einen Hut bringen. Das Konsortium, 2008 gegründet, steckt noch in den Anfängen, wie sie uns erzählt. Das Gemeinschaftsgefühl unter den Weinmachern sei anfangs wenig ausgeprägt gewesen, dabei sei ein starker Zusammenhalt unter den Winzern so wichtig um die Appellation voranzubringen; davon ist sie überzeugt. Der Vermentino, vornehmlich aus der Gallura, ist nach zahlreichen Verkostungen ein bemerkenswert guter Weißwein. Bisher hielt sich die Produktion in Grenzen. Doch seit ein paar Jahren hat ein Boom eingesetzt. Eine neue Winzergeneration zeigt großes Interesse an diesem Wein. Sowohl frühere Traubenlieferanten von Genossenschaften als auch einige Quereinsteiger haben sich dieser Rebsorte verschrieben. 
Pinna bestätigt, dass der Vermentino di Gallura zurzeit großen Erfolg hat. „Er verkauft sich sehr gut im italienischen Einzelhandel und erfreut sich inzwischen auch international großen Zuspruchs“. Sie ist überzeugt, dass nur wenn die Gesamtproduktion steigt, die Appellation auf dem Markt ein gewisses Gewicht bekommt. Früher konnten die Kellereien die Nachfrage an Qualitäts-Vermentino kaum befriedigen. Heute werden bereits an die fünf Millionen Flaschen Vermentino di Gallura abgefüllt. Das Konsortium rechnet mit einer Verdoppelung dieser Menge bereits in den nächsten Jahren. 
Aktuell gibt es rund 1500 Hektar Vermentino di Gallura, ein Pflanzstopp ist nicht in Sicht. Auf einen Nenner gebracht: Die Gallura ist die einzige Appellation, die auf Sardinien immer an Anbaufläche hinzugewonnen hat. Neben den sardischen Winzern gibt es auch einige nationale und internationale Investoren, die die Gallura für sich entdeckt haben.

Der smarte Unternehmer: Siddura, Gallura

Zum Beispiel Nathan Gottesdiener, erfolgreicher deutscher Spross aus der Modedynastie (OUI-Gruppe) ist eher ein scheuer Mensch. Fotos von ihm oder seiner Frau haben Seltenheitswert. „Ich bin nicht der Hauptakteur", hat er kürzlich in einem Interview gesagt. „Das ist der Wein und mein Team, das diese Qualität erreicht.“ Das Thema Mode hat Gottesdiener, der sechs Monate im Jahr auf Sardinien lebt und die anderen sechs Monate in Tel Aviv verbringt, längst durch das leidenschaftliche Thema Wein ersetzt, seine neue Passion. Siddura, sein Weingut, benannt nach der kleinen Ortschaft Siddura nahe des mittelalterlichen Städtchens Luogosanto, produziert nur 100.000 Flaschen pro Jahr und ist noch immer ein Geheimtipp. Seine Weine sind die Stars. Sie heißen Maia, Bacco oder Tiros. Und Siddura-Weine heimsen inzwischen Preise en masse ein, Goldmedaillen für Maia, Silber für Beru, Punkte, Gläser, Trauben... eine endlose Liste an Auszeichnungen. Wir verkosten drei Vermentinos. Unser Favorit: der Maia. Die Trauben von Hand gelesen reifen im Stahltank. Seidig kommt er daher und er passt ausgezeichnet zu Meeresfrüchten oder Pecorino. Der Beru, ebenfalls 100 Prozent Vermentino, liegt länger auf der Hefe und reift neun Monate in kleinen französischen Eichenfässern. Das Ergebnis: Intensives Aroma, Noten von Brotkruste und Honig, Thymian und Vanille. Die Preise: 16 Euro für den Spera, 21 Euro für den Maia und 32 Euro für den Beru. 

Unausprechlich gut: Unmaredivino, Gallura

Unmaredivino (zu deutsch: „ein Meer von Wein“) ist ein Weingut unter familiärer Führung und befindet sich in Berchidda, einer kleinen Gemeinde in der Provinz Olbia-Tempio. Ungefähr vier Hektar des insgesamt zirka siebzehn Hektar großen Landbesitzes machen die Weinberge aus. Es war Gioacchino Senior, der erstmalig im Jahr 1949 mit seinen beiden Söhnen Pietrino und Pasqualino den Familienweinberg angelegt hat. Seinerzeit wurde Wein aus Freude und Genuss und zur Ernährung der Familie, aber nicht für kommerzielle Zwecke, hergestellt. Fest steht: die Vermentino von Giocchino Sini gehören zum Besten, was auf Sardinien in Sachen Weissweinen angeboten wird. Der „Terra e Mare Vermentino“ ist einer der wenigen Weine der Region, welche mit dem DOCG-Siegel versehen ist. Ein strohgelb leuchtender Weisswein mit intensiven Aromen von Zitrus, weissem Pfirsich und gelben Blüten, welcher am Gaumen mit viel gelber Frucht, floralen Akzenten und einer mineralischen Salzigkeit begeistert. Unmaredivino-Weine heben sich ab vom Gros der übrigen Produzenten. Es sind ohne Übertreibung Unikate, die man getrunken haben muss.
Nachdem wir die Gallura ausführlich vinologisch gewürdigt haben, machen wir uns auf den Weg in den Süden der Insel mit seiner Hauptstadt Cagliari und der fruchtbaren Gegend nördlich davon. Auch hier bleiben wir dem Objekt unserer Begierde, dem Vermentino, treu, allerdings dem Vermentino di Sardegna. Er hat weniger Säure und wirkt daher etwas leichter, fruchtiger und runder im Geschmack.

Weiter geht es im zweiten Teil mit den jungen Wilden in Sardinien, zumeist Frauen wie ihr gleich erfahrt....