Schnupperfahrt ins Prosecco-Gebiet, in eine malerische Natur-und Kulturlandschaft.

Benigna Mallebrein war in der Nachbarschaft des DOCG Prosecco unterwegs

Foto oben: Das Althea Resort der Familie Drusian, wo Marika ein kleines Paradies geschaffen hat. 

Erkundet man die Heimatregion des Prosecco, so ist die Verkostung des spritzigen Lieblings mehr als nur ein kulinarisches Erlebnis, denn das Ursprungland überrascht mit seiner reichen und vielfältigen Kultur und Natur. Der Prosecco ist nicht nur der gängige Schaumwein oder der «Spritz» beim Allrounder Aperitif «Aperol Spritz».  Er ist das lebendige Symbol einer vielfältigen Kulturlandschaft, die kulinarische Genüsse, aber auch Erholung, Sport und Abenteuer bietet. Wohin das Auge blickt, überall findet man zauberhafte Ecken, Reben reihen sich an Reben, klare Seen, Wälder, Grotten, Kirchen, Kapellen, alles mit dem Zweirad auf guten Wegen zu erkunden. 
Die Hügel des Prosecco - Gebiets (UNESCO Weltkulturerbe seit 2019) liegen in Venetien zwischen den malerischen Städten Valdobbiadene, Conegliano im Süden und Vittorio Veneto im Osten. In dieser spezifischen Landschaft wird der Prosecco DOGC produziert, d.h. es handelt sich um das garantiert kontrollierte Prosecco-Gebiet.  In den Gebieten ausserhalb dieser Region wird der Prosecco DOC produziert. 
Wir haben uns zu einer Schnuppertour aufgemacht und übernachten im wunderschönen, neu errichteten Agrotourismus Althea Relais SPA in Confin, in der Nähe von Vittorio Veneto, eingebettet in die Weinhügel des Conegliano Valdobbiadene, idealer Ausgangsort für Fahrradtouren.
Leihen kann man die E-Bikes in Vittorio Veneto. Diese Stadt entstand aus der Zusammenlegung zweier alter, historischer und künstlerisch bedeutender Dörfer, Ceneda und Serravalle an den Abhängen der Voralpen von Treviso.
Frau Marika Drusian empfängt uns mit einem Prosecco superiore DOCG-Brut Natur, einem interessanten Schaumwein, «denn die 2. Gärung erfolgt in der Flasche auf der Hefe nach einer alten herkömmlichen Methode. Er ist ausgewogen, elegant, trocken mit einer charakteristischen Note nach Brotkruste», erklärt die aus einer traditionsreichen Winzerfamilie stammende Besitzerin. Seit 2003 hat sie ihr eigenes Weingut Althea aufgebaut, wo sie nach 3 Jahren die ersten Weine kelterte. Heute besitzt sie 13 Hektar Land, produziert prickelnde feine Prosecchi, wobei sie auf Nachhaltigkeit setzt. Typisch für ein von Frauenhand geleitetes Weingut, kümmert sie sich um jedes Detail von der selektiven Weinlese bis zum Detail der Weinetiketten und kreiert einen ganz individuellen Wein. Sie lebt ihren Beruf mit Hingabe und Leidenschaft. Unter den vielfältigen Prosecchi probieren wir auch den Valdobbiadene Superiore Cartizze. Er entpuppt sich als ein Juwel, dessen Glera-Trauben auf dem exklusivsten Terroir gedeihen. «Es ist nicht möglich eine Stück Land im Gebiet des Cartizze zu erwerben, dieses Land ist so kostbar, da wird nichts verkauft, es umfasst gerade mal 107 Hektar insgesamt». Sie konnte die Trauben von ihrem Vater kaufen, der ein kleines Stück Land besitzt. Charakteristisch sind die langanhaltende Perlage, die Fragranzen nach Akazien-, Jasmin-Blüten, gelbem Pfirsich und Zitrusfrüchten. Das goldene Etikett spiegelt die Qualität und Finesse wider. Nach dem Besuch des Weinkellers und der Degustation schlägt Frau Drusian vor, am nächsten Tag, eine E-Bike Tour zu unternehmen, dem Meschio entlang nach Fregona.

Fregona und Torchiato

Durch Vittorio Veneto fliesst der Meschio, berühmt für seine gleichbleibende Temperatur von 11 Grad Celsius. Ab dem 12. Jh. hat er für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Serravalle gesorgt, denn die hier geschmiedeten Klingen, die «Lame di Serravalle» konnten im Fluss abgekühlt werden. Wir fahren den ebenen Fahrradweg entlang des Flusses, über Rebberge, durch historische Dörfer bis zu den Grotten von Caglieron, natürlichen Tropfsteinhöhlen aus Kalkstein, Sandstein und Marne aus dem mittleren Miozän (vor 16-10 Millionen Jahren). Die künstlichen Höhlen wurden im 16.Jh. gegraben, um den «Piera Dolza»  «den zarten Stein» abzubauen. Steinmetze zauberten aus dem Sandstein feinste Architrave, Pfosten, Säulen, Tür-und Fensterbögen, wie den Glockenturm in Fregona, Meisterwerke, die man noch heute in Vittorio Veneto und der Umgebung bewundern kann.
Das Fahrrad stellen wir am Zugang zu den Grotten am kleinen lehrreichen Museum mit Bar ab, und erleben dann zu Fuss auf einem Steg entlang des Flusslaufes die sprudelnden Wasserfälle, tibetanische Brücken und romantische Grotten, am Ende bezeugt das Mühlrad von 1549 die Kraft des Flusses. Es ist Zeit für einen Umtrunk, der Magen knurrt und so machen wir uns auf nach Fregona zur Verkostung eines Gläschens Torchiato di Fregona DOCG, einem Süsswein, der sich durch seine Säure und den Geschmack nach getrockneten Aprikosen auszeichnet.

Produziert wird er heute in der Genossenschaft, die den mühevollen Alleingang der Winzer durch die pragmatische kollektive Produktion vereinfacht. Aus den Trauben Glera (30%), Verdiso (20%) und der, die Säure betonenden Boschera (25%) und 25% nicht aromatischen Rebsorten kreieren die gestandenen Winzer diese himmlischen Tropfen nach althergebrachter Tradition, seit dem 16.Jahrhundert. Die Trauben werden auf den Hügeln um Fregona, Samede und Cappella angebaut, mit charakteristischem Mikroklima, wo immer ein frisches Lüftchen bläst, so dass sich keine Rebenkrankheiten oder Schimmel ansetzen können, was eine Vermeidung chemischer Spritzmittel ermöglicht. Viel Liebe und Handwerk stecken diese Weinbauern in ihr Schaffen. Die Trauben werden nach der Lese im Dezember auf Holzgitter getrocknet bis sie die Konsistenz von Rosinen erhalten.  Im Frühjahr presst der Bauer diese dann in der Kelter, wodurch er den Most erhält, der zuerst für die Gärung und dann für die Veredlung in gebrauchte Barriquefässer mit Sauerstoffkontakt gegeben wird. In kleine Fläschchen abgefüllt, wird der «Torchiato di Fregona», der «Piera Dolza» an Festtagen oder edlen Anlässen gereicht. 100 Kilogramm Trauben ergeben gerade mal 20 Liter Meditationswein. Tatsächlich ein göttliches Getränk: Köstliche Anklänge im Bouquet und am Gaumen an Akazienhonig, Trockenobst und Vanille. Seine Ausgewogenheit, was Säure und Zucker betrifft, unterscheidet ihn von den anderen Süssweinen, die oft pappig und zu süsslich den Gaumen nicht erfreuen. Bestens dazu passt der «Formaggio di grotta» aus der Käserei Soligo, der 60 Tage lang in den Grotten des Caglieron gereift wurde.
Wir erfahren auch eine weitere Kuriosität auf unserer Tour: Dieses Gebiet war auch reich an Maulbeerplantagen, sodass am Ende des 19. Jahrhunderts eine umfangreiche Seidenproduktion entstand. Zeuge ist das Museum, eingerichtet in der ehemaligen Seidenfabrik, das von der mühevollen Arbeit der jungen Spinnerinnen erzählt. Italien gehörte mit zu den besten Produzenten von Seidenstoffen bis vor wenigen Jahrzehnten die Chinesen wieder den Vorrang erlangen konnten.
Wir fahren vorbei an Olivenhainen, wo gerade vorzügliches «Olio d’oliva extra Vergine dei Colli Trevigiani» und «DOP Veneto del Grappa» produziert wird, das die 0,3 Gramm Säure pro 100 Gramm nicht überschreitet. Wir dürfen uns in kleinen Gläschen die tiefgrüne nach frischem Gras und nach grünem Apfel duftende «Olivenessenz» abfüllen und eine sensorielle Verkostung erfahren.

Am nächsten Tag strampeln wir auf die Hochebene des Gran Cansiglio. Dieses Gebiet auf einer durchschnittlichen Höhe von 1000 Meter liegt schutzgebend oberhalb des Weinbaugebietes des Torchiato. Diese Gegend besteht aus von Karsterscheinungen geformten Sedimentgestein marinen Ursprungs. Wir entdecken eine unberührte Umgebung mit grossen Birken, Lärchen-und Tannenwäldern und weitläufigen Weiden, und selten konnten wir so nahe Rehe und Hirsche beobachten, ein traumhaftes Areal für Wanderungen und Fahrradtouren. Interessanterweise heisst der uralte Wald des Cansiglio auch «bosco da reme» (Ruderwald) oder «bosco da doge» (Wald des Dogen), da hier ab 1420 für die Schiffswerft der Dogen die Ruder aus den hiesigen Bäumen angefertigt wurden. Sie brauchten mächtigere Schiffe mit grösseren Rudern um als Meermacht Venetien, der sogenannten «Serenissima» die Türken zu bekämpfen. Die über 140 Jahre alten Buchen mit einem Durchmesser von 50 cm waren ideal für die Produktion von starken Rudern.
Der Magen knurrt schon wieder und im Ort Tambre kehren wir in den Agrotourismus der Käserei «Tambre Spert Cansiglio-Bar Bianco» ein, wo man nur Bio-Produkte wie Rohmilchkäse, Joghurt und hausgemachte Spezialitäten, wie Ricotta-Gnocchi verkosten kann. Wir ergattern uns einen Platz im Freien und kaufen auch fürs Picknick am nächsten Tag ein. Der Besitzer Herr Mauro Quaia empfängt uns herzlich und erklärt uns die Spezialitäten und empfiehlt die passenden biologischen Prosecchi und Boschera-Weine.
Ein weiterer Ausflug führt uns zum See Santa Croce, dem grössten in der Provinz Belluno, in seinem Wasser spiegeln sich die Berge des Alpago und des Nevegal wider. International beliebte naturalistische Schönheiten sind die Oase von Sbarai mit Aussichtstürmen für das Birdwatching und die vielen weissen Trauerweiden. Eine immer variierende Brise gibt den Adrenalinschub für Windsurfen, Kitesurfen und Segelbootregatten. Wir begnügen uns mit dem 8 km langen Fahrradweg am Ufer entlang.  Weitere Ausflugsziele liegen an einer ehemaligen römischen Durchzugsstrassen, wie die Burgen von Monte Frascon, Castegna Maor, Sald del Casin und Revine bezeugen.  Weitere Seen mit Fahrradwegen sind Santa Maria e San Giorgio zwischen den Gemeinden Revine Lago und Tarzo. In Valsano besuchen wir archäologische Ausgrabungen, ein Pfahlbaudorf im archäologischen Park Livelet mit didaktischer Anleitung, sodass wir das damalige Leben näher betrachten können. «Gab es schon Prosecco?» Bei dieser Überlegung wird uns klar, dass wir heute noch nichts verkostet haben, mit einem letzten Blick auf die Dolomiten schwingen wir uns aufs Rad und suchen das nächste Weingut auf. Für die ganz Sportlichen: Ein Fahrradweg führt auf einer genussvollen 560 km langen Tour von München durch Venetien (Conegliano, Lago Santa Croce, Treviso) nach Venedig!

Benigna Mallebrein und ihre Tipps fürs WWW

www.veneto-rivers-holiday.com/it
www.relaisalthea.it
www.torchiato.com
www.museobaco.it
www.cansiglio.eu/ricettivita/bar-bianco

Die Attraktionen der Weinstrasse im Überblick

Die Weinstraße existiert bereits seit dem Jahre 1966 und bietet auf den modernen Zeitgeist abgestimmte Routen und Tourenvorschläge an, die neben den Weingutsattraktionen auch kulturelle und natürlich genussvolle Tipps für ein verlängertes Wohlfühlwochenende enthalten. Kein Konsortium in Italien verfügt über ein solch breites Informationsmaterial in deutscher Sprache, wie das pro-aktive Konsortium des Prosecco Superiore. Schon vor mehr als 10 Jahren begleitete ein reger Austausch zwischen der Weinregion Pfalz und dem Anbaugebiet des Prosecco DOCG die Grundlagen der deutsch-italienischen Weinverständigung, die im Schmecken, Riechen, Fühlen, Hören und mit den eigenen Augen sehen, sicher seinen hedonistischen Höhepunkt erlebt. Dazu soll dieses Spezial ermuntern und einmal den Blick über die reine Qualitäts- und Preisdiskussion hinaus, frei machen.

Der Wegweiser zu den Weinrouten im bezaubernden Anbaugebiet: www.prosecco.it/de/strada-del-prosecco

Foto unten: Marika Drusian in ihrem Althea-Garten.