Rozsika trifft Weinnasen - Italiens Weinwelt und ihre Charakterköpfe 

Ein Römer, der sein Glück in der Toskana und Sizilien fand, und zwei waschechte Südtiroler.

VIVA IL CABERNET - Der „Tenuta di Trinoro“ gehört zu den großen Weinen Italiens. Andrea Franchetti, Inhaber des gleichnamigen Weinguts, brachte eine mit neun Jahrgängen großzügig bestückte Vertikale seines Flaggschiffweins nach München. Mit dabei: drei reinsortige Lagen-Cabernet-francs. Mit seinen Weingütern Tenuta di Trinoro in der Toskana und Passopisciaro in Sizilien gehört Andrea Franchetti in die allererste Liga der Weinerzeuger – nicht nur in Italien, sondern weltweit. Der in New York City geborene, in Rom aufgewachsene Spross aus dem Cinzano-Imperium hat seine Wahlheimat in Sarteano in der Provinz Siena und seine Bestimmung in der Erzeugung großer Weine gefunden. 
Ähnlich dem Hundert-Seelen-Dorf Bolgheri, wo mit Sassicaia, Ornellaia und Masseto drei der der besten Weine Italiens aus französischen Rebsorten entstehen, bildet auch Franchettis Tenuta di Trinoro eine französische Enklave in der umgebenden, vom Sangiovese dominierten Toskana. Nachdem er sich zu Beginn der Neunziger Jahre ausgiebig in Bordeaux umgesehen, hier und da ein bisschen mitgearbeitet und so viel wie möglich gelernt hatte, pflanzte er in den Folgejahren auf dem entlegenen brachliegenden Areal, das er Jahre zuvor gekauft hatte, rote Bordeaux-Reben: Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot – vor allem aber Cabernet Franc. Hier, südlich des Brunello-Gebiets, schon fast an der Grenze zu Latium, läuft die Rebsorte zu Höchstform auf – was zu einem guten Teil terroirbedingt sein mag, aber ohne den Einsatz des qualitätsversessenen Winzers nicht möglich wäre. 

Auf jeder Sommelier-Shortliste - Trinoro und Passopisciaro

In München, genauer gesagt: in Geisels Vinothek, hatten Gastronomen und Journalisten Gelegenheit, sich von der herausragenden Qualität der Weine zu überzeugen. 
Üblicherweise bekommt man einiges zu hören, wenn eine Region oder ein einzelnes Weingut zur Verkostung lädt. Dann lobhudeln erst mal die begleitenden Agenturvertreter, bevor auch die Protagonisten ihre Leistung ins rechte Licht rücken. 
Nicht so bei der Vorstellung der kostbaren Weine der Tenuta di Trinoro. Andrea Franchetti, der heute nicht mehr unter uns weilt, präsentierte seine „Campi“ – reinsortige Cabernet Francs aus drei verschiedenen Lagen – und eine großzügig bestückte Vertikale der Flaggschiffweine „Tenuta di Trinoro“: neun Jahrgänge bis zurück ins Jahr 1998 – ohne lärmende Anpreisung. Die Flaschen wurden bereitgestellt, die Kellner schenkten ein und trugen in loser Folge Köstlichkeiten aus der Küche herbei, Franchetti selbst hielt sich unaufällig im Hintergrund. Die Gäste nahmen es erstaunt zur Kenntnis. Mit jedem probierten Schluck wuchsen Anerkennung und Dankbarkeit dafür, diese Raritäten verkosten zu dürfen. Den unglaublich dichten, dunklen, dabei sehr feingewirkten und balancierten 2015er mit seinen floralen Noten und der opulenten Frucht. Den in der Anmutung etwas kühleren 2014er, der mit seinen vegetalen Noten weniger üppig wirkt, sondern etwas rauer und kantiker – und auch französischer. Den 2013 mit seinen tiefen, dunklen Noten und seiner fast sahnig-cremigen Frucht. Den leicht pfeffrigen, nach Schokolade und Süßholz und schwarzen Beeren duftenden 2012er. Den harmonisch-fülligen 2011er und den 2008er mit seinem zarten, fast schon in Auflösung begriffenen Tannin und dem Duft nach roten Beeren und, ja, auch weißem Pfirsich. Schließlich den 1998er mit seinen eleganten Reifenoten. Preislich liegen diese Spitzenweine bei annähernd 200 Euro pro Flasche – so man ihrer denn habhaft wird. 

Die drei reinsortigen Campi-Weine – alle Jahrgang 2016 – logischerweise noch sehr kompakt bis verschlossen. Die komplexen Aromen, die sich der Nase bereits offenbaren, und das sehr dichte, dabei flanellweiche Tannin sind aber praktisch eine Garantie dafür, dass die Weine in ein paar Jahren maximale Trinkfreude bieten werden. Am nahbarsten zum jetzigen Zeitpunkt: der Tenaglia. 
Mit rund 70 bis 80 Euro pro Flasche sind auch die Campi keine Alltagsweine, sondern Genussmittel für besondere Momente. Wer den außergewöhnlichen Winzer kennenlernen will, dem seien für den Anfang auch seine Ätna-Weine ans Herz gelegt. Passopisciaro heißt sein sizilianisches Weingut, und mit dem opulen-fruchtigen sortenreinen Nerello Mascalese „Passorosso“ (um 25-30 €) hat man schon einen echten Franchetti im Glas. 

Weintipps Etna Rosso

Anmerkung: Andrea ist leider viel zu jung gestorben. Sein Sohn Benjamin hat die Verantwortung für die zwei Weingüter und den Lebenstraum seines Vaters übernommen.

Bozener Urgestein namens Hannes (und seine Judith) Rottensteiner

ROTTENSTEINER RELOADED - 40 Millionen Flaschen Wein produziert Südtirol im Jahr in etwa, und rund 35 Millionen Übernachtungen konnte das Südtiroler Fremdenverkehrsamt vergangenes Jahr verzeichnen. „Wenn also jeder Tourist pro Tag eine Flasche Wein konsumiert“, rechnet Hannes Rottensteiner vom gleichnamigen Weingut in Bozen vor, „dann bleibt von unserem Wein nicht viel übrig“.
Aber: „Irgendwann kann’s sein, dass uns der Schnee wegbleibt, dann fehlt uns eine Saison, und dann ist es gut, wenn wir exportieren können.“ Mit ihrer Exportoffensive kamen Rottensteiner und seine Frau Judith den Münchner Gastronomen gerade recht. Hier präsentierten die beiden mit berechtigtem Stolz, was sie draufhaben. Vom unkomplizierten frischen „Kitz“, der einzigen Cuvée des Hauses, in der sich Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Chardonnay und Grauburgunder treffen, bis zum wuchtigen Lagrein Gries Riserva. 
Die zwei Dutzend Weine des Weinguts, das den Porphyr – den eisenhaltigen „roten Stein“ – schon im Namen trägt, sind gekennzeichnet von Mineralität, frischer Säure und festem Rückgrat. 
Seit beinahe fünfhundert Jahren ist in der Familie der Weinbau dokumentiert, das Weingut in seiner jetzigen Form ist aber vergleichsweise jung: Hans Rottensteiner, Vater von Hannes, hat es 1956 gegründet. 
Mit einer ganz eigenen markanten Flaschenform – weder Bordeaux- noch Burgunderformat – und einem neu gestalteten Etikett mit einem keck aufspringenden Steinbock setzen Rottensteiners aus Wiedererkennbarkeit. Unter den probierten Weinen stach der Rosé heraus, kein leichter Sommerwein, sondern ein ernstzunehmender Ganzjahreswein, der alle Arten von Grillgerichten gut begleiten dürfte. Dann der Weißburgunder „Carnol“, der mit feinen Apfel- und Zitrus- und Kräuternoten und vor allem mit seiner salzigen Mineralität punktet.
Größte Überraschung: der eindrucksvolle Lagen-St.-Magdalener „Alto Adige Santa Maddalena classico Vigna Premstallerhof“ aus 2018. Die Rebsorte, nichts Anderes als unser bescheiden beleumdeter Trollinger, läuft in diesem Wein zu einer Form auf, die man nicht erwarten würde. Der biodynamisch erzeugte Rotwein hat Substanz und Charakter, präsentiert sich mit burgundischer Finesse und Eleganz. Dem ausgezeichneten gegrillten Rinderfilet, welches die Küche des Münchner Szene-Restaurants Theresa dazu serviert, vermag der seidige Rote mit unerwarteter Kraft und innerer Spannung Paroli zu bieten. Ein Wein, der sich anschmiegt, ohne sich unterzuordnen. Complimenti!

Weintipps Vernatsch/St. Magdalener

Foto oben: Andrea Franchetti (leider zu früh verstorben) bei der Vertikale von Trinoro - Foto unten: Hannes und Judith Rottensteiner in ihrem Weingut in Bozen.