Südtiroler Wein: Drei Spitzenbetriebe im Unterland

Herbert Heil stellt Ihnen Castelfeder, Tiefenbrunner und Kurtatsch vor

Foto ganz oben: Ines und Ivan Giovanett vom Weingut Castelfeder mit ihrem Kreuzweg Top-Chardonnay und der Riserva vom Blauburgunder.
Foto oben: In Montan gesehen... Schon lange behalten die Südtiroler ihren besten Wein nicht mehr für sich...

Das Weingut Castelfeder im Portrait

Ein Besuch bei Familie Giovanett im Weingut Castelfeder in Südtirol ist stets ein Erlebnis. Zwar ist Zeit, auf einem Weingut zu verbringen, immer lehrreich und spannend, für Castelfeder gilt dies aber in besonderem Maße. Castelfeder bedeutet 50 Jahre intensive Arbeit, 50 Jahre Leidenschaft, 50 Jahre Terroirweine mit besonderem Charakter. Seit der Gründung durch Alfons Giovanett im Jahre 1969, hat sich Vieles verändert. Das Sortiment wurde erweitert, die Produktion ausgebaut, die Abläufe im Weingut modernisiert und der Markt internationaler. Das Weingut, mittlerweile seit dritter Generation in Familienbesitz, manifestiert sein Wesen aus einer Symbiose von Tradition und Pioniergeist. 1989 übernahmen Sohn Günther und dessen Frau Alessandra Giovanett das Weingut und verlegten es nach Kurtinig ins Unterland.
Inzwischen arbeitet die dritte Generation der Familie Giovanett im Weingut Castelfeder. Für Ivan und seine Schwesterr Ines Giovanett war schnell klar, dass sie das von ihrem Großvater gegründete Gut fortführen werden. Mit Leidenschaft, Begeisterung und klaren Zielen. Die ganz unterschiedlichen Lagen der Weinberge, die verschiedenen Böden und die einzigartigen Mikroklimata erlauben dem Betrieb ein breites Rebsortenspektrum. Viele Rebsorten finden hier die ausgezeichneten Voraussetzungen, um bestens zu gedeihen. Die etwa 1.800 Sonnenstunden im Jahr und ein Temperaturmittelwert von etwa 17 Grad bieten zudem optimale, nahezu mediterrane Bedingungen für den Wein. Die Alpen schützen die Pflanzen zudem vor kalten Winden aus dem Norden. Die Lagen von Castelfeder erstrecken sich von der Landeshauptstadt Bozen bis nach Salurn. 

Glen und Borgum Novum

Auf den Weinbauflächen des Gutes gedeihen die weißen Rebsorten Chardonnay, Ruländer und Gewürztraminer ebenso wie die roten Sorten Cabernet, Merlot, Blauburgunder und Lagrein. Besondere Aufmerksamkeit schenkt man im Hause Castelfeder dem Pinot Nero, den man in gleich vier Varianten präsentiert. Der typischste davon ist zweifelsohne der „Glen“ mit seinen würzigen Noten. Der „Burgum Novum“ dagegen strahlt Ruhe aus, hat eine hohe innere Dichte und eine noble Länge.
Castelfeder verfügt über vier Produktlinien. Mont Mes: Diese Weine sind jung, modern und frisch. Sie eignen sich für den fruchtig-unkomplizierten Genuss. Classic: Klassische, reinsortige Südtiroler Weine finden sich hier im gehobenen Sortiment der Kellerei. Sie sind besonders mineralisch und vom Terroir geprägt.
Villa Karneid: Dies sind die Grand Cru-Weine. Sie stammen aus den besten Lagen und begeistern mit ihren komplexen, spannenden Aromen. Castelfeder Burgum Novum: In dieser neuen Produktlinie finden sich die Spitzengewächse des Weingutes - die Königsklasse, wenn man so will. Aktuell werden auf dem rund 65 Hektar großen Weingut 60 Prozent Weißwein und 40 Prozent Rotwein angebaut. Damit gehört Castelfeder zu den großen Erzeugern in Südtirol. Sämtliche Weine, sowie auch jene von befreundeten Winzern aus vielen Ländern, kann man im schönen Ambiente der hauseigenen Vinothek in Neumarkt verkosten und kaufen. Darunter auch einen Riesling von der Mosel. Denn seit 2011 bewirtschaftet die Familie in einem grenzüberschreitenden Joint Venture auch die Riesling-Steillage Sorentberg an der Mosel. Die beiden Jungwinzer Ivan Giovanett (Neumarkt/Südtirol) und Robert Treis aus Reil an der Mosel haben die fast vergessene Einzellage „Reiler Sorentberg“ nach 25 Jahren Brache wachgeküsst. Der steile Südhang liegt in einem Seitental der Mosel und ist bekannt für seine langlebigen Rieslinge. Der rote Wissenbach-Schiefer findet sich ausschließlich dort und verleiht dem Riesling seine besondere Würze.

Die Kellerei Kurtatsch im Portrait

Die Symbiose aus alpinen und mediterranen Einflüssen ist es, die das Weinland Südtirol zu etwas ganz Besonderem machen. Das milde Klima, die fruchtbaren Böden und vor allem die Leidenschaft der Winzer bringen vom unkomplizierten Genusswein bis hin zum Drei-Gläser-Wein eine spannende Vielfalt hervor. Wir haben uns auf den Weg gemacht und fanden im Südtiroler Unterland ganz im Süden an der Grenze zum Trentino.
Drei wirklich spannende Betriebe, die einen Besuch wert sind. Wir waren begeistert von ihren Weinen, ihrer Geschichte(n) und nicht zuletzt ihrer Arbeitsweise im Weinberg und im Keller.

Weinlagen von 220 bis 900 m 

Da ist zunächst eine ganz besondere Genossenschaft, die mit ihren Weinen Respekt verdient. Die Rede ist von der Kellerei Kurtatsch, eine der auf hohem Niveau arbeitenden Südtiroler Genossenschaften, die über Weinberge zwischen 220 und 900 Metern über dem Meeresspiegel verfügt. Das ist gerade in Zeiten des Klimawandels ein unschätzbarer Vorteil, denn mit der Höhe sinken die Temperaturen. „Und all das auf engstem Raum. Ein Mikrokosmos der Weinwelt“, wie Harald Cronst, zuständig für Vertrieb und Marketing, betont.
Diesen Superlativ kann den Genossen aus Kurtatsch so schnell keiner nehmen: Sie sind das jüngste Team (fast alle um die 40 Jahre und darunter) unter den Südtiroler Genossenschaften. Und um noch einen draufzusetzen: Mit einem Höhenunterschied von fast 700 Metern zwischen den Weinbergslagen sind sie in Europa ebenfalls die Nummer eins. Das ermöglicht es der juvenilen Mannschaft um Andreas Kofler (Obmann) und Othmar Doná (Kellermeister) jede Rebsorte auf den perfekten Standort zu stellen. 
Die tiefen Lagen unterhalb der beeindruckenden Kellerei mit ihrem futuristisch anmutenden Bau und der architektonisch außergewöhnlichen Vinothek sind ideal für schwere Rotweine, für Merlot und Cabernet. In kurzer Distanz, aber schon deutlich höher gelegen, finden Sauvignon und Pinot Blanc ideale Bedingungen. Insgesamt 190 kleine Familienbetriebe bewirtschaften 190 Hektar Weinberge. So kann Kellermeister Doná das jeweils beste Traubenmaterial lagengetreu verarbeiten. Der Weißburgunder Hofstatt ist ein Beispiel dafür. In der Nase Teenoten, Pfirsich und Salbei.
Im Mund Steinobst, deutliche Würze, etwas Salz. Er besitzt Frische und Trinkfluss. ein Ein guter Einstieg in die weißen Sorten. Ebenfalls gelungen der Vernatsch Sonntaler. Bei den Roten sollte man unbedingt den Soma probierten. Viel Tannin, weich und überaus zugänglich. Dicht, opulent und mit feiner Säure.
Als aktuelle Spitze im Betrieb kann der Cabernet Freienfeld empfohlen werden. Dunkelfruchtig, Kaffee, Spuren von Zeder. Dazu eher frische, leicht ätherische Noten. Er gefällt durch seine vitale, animierende Art, ist unerhört komplex und spannungsreich.Man sollte ihm noch eine gewisse Reifezeit im Keller gönnen, um ihn in ein paar Jahren auf seinem Zenit zu trinken.

Historie und aktuelle Weine

Vor 121 Jahren wurde die Genossenschaft gegründet, im Ansitz Brenntal, nach dem heute zwei Weine aus der Premium-Linie benannt sind. Die Weine tragen vorwiegend die Namen der besten Lagen von Kurtatsch. „Unsere Philosophie ist durch den Begriff des ,Terroirs‘ geprägt, also die geografischen, klimatischen und geologischen Eigenschaften eines Weinbergs“, erklärt Andreas Kofler.
Die besten Weine der Kellerei sind in der „Terroir“-Linie zu finden: Sie sind ausdrucksstark und vom Boden geprägt – allen voran die auf Lehmboden gedeihenden stoffigen Riservas von Gewürztraminer und Merlot der Lage Brenntal. Die Weißweine der sehr hohen Kurtatscher Lagen wurzeln auf Kalkgestein und leben von ihrer Eleganz – allen voran die vielschichtige Weißweincuvée „Amos“ aus den höchsten Lagen und der spannende Pinot Grigio „Penon“. Den Namen „Freienfeld“ tragen die beiden hochwertigsten Weine, die nur in ausgezeichneten Jahren in die Flasche kommen: ein Cabernet Sauvignon und ein Chardonnay. In Anlehnung an den gleichnamigen Gründungsort der Kellerei, den Ansitz Freienfeld, stehen die beiden Weine für die Spitze des Qualitätsweinbaus in Kurtatsch.
Auch der klare, geschmeidige Weißburgunder Penóner, der mit seiner Frische überzeugt ist ein Top-Wein. Die Rotweine der Genossen, immerhin fast die Hälfte der mehr als eine Million jährlich erzeugten Flaschen, umfassen neben den reinsortigen Gewächsen aus internationalen Rebsorten auch heimische Weine wie den Lagrein Frauenriegl. Bei der Produktion liegt der Schwerpunkt auf hochwertigen, sortentypischen Weinen. In geringen Mengen gibt es auch Süßweine wie den „Aruna Mitterberg“, ein Passito, in der 375 ml Flasche. Es ist eine Cuvée aus 70 Prozent Gewürztraminer und 30 Prozent Goldmuskateller.  Ein  feiner, duftiger Rosenmuskateller rundet das Programm ab.

Die Schlosskellerei Turmhof im Portrait

Ein Weingut mit langer Geschichte ist das von Christof Tiefenbrunner und seiner Frau Sabine in Entiklar (Kurtatsch).  Ein herrschaftliches Gut mit ebensolchen Weinen. Es zählt zu den ältesten Weingütern Südtirols. Seit 1675 ist es in Familienbesitz, seit 1848 eine Kellerei – heute die Schlosskellerei Turmhof. Diese trägt ihren Namen nicht von ungefähr, ist sie doch im historischen Ansitz gleichen Namens untergebracht und von einem sehenswerten Park umgeben.
Hier ist alles ein bisschen anders. Niemand sonst hat drei Hektar Weinreben auf 1000 Meter Seehöhe. Niemand sonst baut in solchen Höhenlagen Müller-Thurgau an, der in Blindverkostungen oft für Riesling gehalten wird. Und niemand sonst benennt so einen Traumwein, der jährlich weltweit ausgezeichnet wird, nach einem Feldmarschall der österreichisch-ungarischen KuK-Armee, nämlich Feldmarschall von Fenner. Um diesem gerecht zu werden, setzt das Weingut Tiefenbrunner konsequent auf hohe Qualität. Die beginnt in den Weinbergen, die sich um das Weingut in Entiklar, aber auch in Kurtatsch und Margreid befinden. „Ein wahrer Glücksfall sind einige seltene Hänge mit Südausrichtung, die geradezu ideal für unsere Bordeaux-Sorten sind“, erklärt Christof Tiefenbrunner, der für seine Kellerei auch Trauben aus Völser Aicha (Sauvignon Blanc, Blauburgunder), Bozen (Lagrein) und Montan/Pinzon (Blauburgunder) bezieht.„Unsere Lagen decken die beeindruckende Spanne von 200 bis 1000 Metern Meereshöhe ab, die Böden sind entsprechend vielfältig und so finden wir für jede Sorte den passenden Standort“, so der Winzer. Aus den eigenen Trauben und jenen der Vertragsbauern entstehen in der Schlosskellerei Turmhof sortentypische, komplexe, alterungsfähige Weine, die die nötige Reifezeit im Keller bekommen. Christof Tiefenbruner hat das traditionsreiche Weingut vorbildlich in die Zukunft geführt, den Vernatsch-Anteil dabei deutlich gesenkt. Bei den Weißen setzt er stark auf den Grauburgunder. Doch sein Gesamtportfolio bleibt insgesamt breit gefächert. Dunkel und kraftvoll fließt sein Lagrein ins Glas. Der Rote mit sanften Tanninen, feiner Säure und dunkelbeerigen Aromen ausgestattet, überzeugt am Gaumen. Er ist gewiss einer der besten Lagrein-Weine in ganz Südtirol. Nicht weniger gelungen ist dann Tiefenbrunners Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot. Ein exzellenter Vertreter, der sich mit den besten in Südtirol messen kann. Getoppt wird dieser Wein dann nur noch von der Riserva Cabernet Vigna Toren. Ein echter Top-Wein, allerdings auch zu einem Top-Preis von 80 Euro. Hier kommt allerhöchste Winzerkunst zum Tragen. So viel Kraft und Eleganz ist schier überwältigend. Tiefenbrunners Weine verfügen immer über eine saftige Säure, die ihnen Lebendigkeit, Frische und Zug am Gaumen verleiht. Er hat sein Sortiment in vier Linien unterteilt: Tiefenbrunner Classic Merus, Selection Turmhof, Selection Linticlarus und Selection Vigna. Jede Linie hat ihre eigenen Spezifika und bringt jeweils charakteristische Weine hervor. 

Bistro Castel Turmhof - Hinfahrtipp

Von dem großzügigen Garten vor dem Schloss hat man einen wunderbaren Blick über das Etschtal. Hier lädt auch das beliebte „Bistro Castel Turmhof“ zum Verweilen ein. Und auch in der gemütlichen Zirmstube und dem geschichtsträchtigen Wolkensteinkeller lassen sich Tiefenbrunners Weine in Begleitung lokaler Spezialitäten wie Speck, Wurst, Kaminwurzen, Käse und hausgemachte Leberpastete, begleitet von Bauern- und Schüttelbrot genießen.
Im märchenhaften Schlosspark kann man auf eine besondere Zeitreise gehen. Johann Tiefenthaler, einstiger Eigentümer des Gutshofes und Vorfahre der Familie, legte die bezaubernde Teichlandschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an – mit viel Leidenschaft und Weisheit. Eine Märchenlandschaft aus Bergen, Höhlen, Grotten, Seen und Inseln beseelt durch minutiös gestaltete Menschen- und Tierfiguren aus der griechischen Mythologie und der Bibelgeschichte.
Und weil eine lange Geschichte immer auch mit großer Verantwortung verbunden ist, nimmt man diese im Weingut Tiefenbrunner besonders ernst. So legt man Wert auf Nachhaltigkeit und das Schonen natürlicher Ressourcen – und das nicht erst seit heute: Seit 1910 wird die Kellerei mit Strom des eigenen Wasserkraftwerks versorgt. 

Das Foto zeigt den neuen Pas-dosé Sekt der Kellerei Kurtatsch auf dem Geländer des einzigartigen Balkons im Weinshop mit dem Blick aufs ganze Unterland.
Foto unten: Ein Platz zum Verweilen! Die Gartenwirtschaft im Weingut Turmhof der Familie Tiefenbrunner mit Seniorchefin im Bild.