Die große Bekanntheit des Nobile in Italien und Nordeuropa hat sicherlich auch damit zu tun, dass es ein touristischer Hotspot der Toskana geworden ist, fast wie in San Gimignano besuchen etliche italienische Weintouristen an den Feiertagen diese mittelalterliche Stadt, in der sich mittlerweile rund 30 Weinhandlungen tummeln. Das Touristenamt schätzt die Zahl der Besucher im letzten Jahr auf rund 300.000 Gäste. Am höchsten Punkt des Ortes liegt die Fortezza di Montepulciano, keine 100 m hinter dem sehenswerten Marktplatz mit der Kirch. Dort betreibt das Konsortium die Enoteca del Vino Nobile, die für Besucher wie für Winzer eine wachsende Bedeutung hat.

Zur Enoteca des Nobile in der Fortezza

Begutachtenswert ist neben den zahlreichen Weinen in der Verkostung an der Weintheke auf jeden Fall der Verkostungssaal, wo Sie durch einen Plexiglasboden die alten Trockenmauern und Weinzisternen der Etrusker und Römer sehen können, die in den hellen Lehm gegraben wurden. Und natürlich darf auch nicht der sagenhafte Ausblick vom Balkon auf die Weinberge und den Monte Amiata beim Sonnenuntergang vergessen werden.

Was zeichnet den DOCG Vino Nobile di Montepulciano aus?

Beginnen wir mit den Fakten und konstatieren, dass mit 1.300 ha Rebfläche des Vino Nobile und rund 7 Mill. Flaschen sich das Produktionsniveau auf Augenhöhe mit dem Brunello befindet. Die Durchschnittserlöse liegen jedoch in Montalcino wie allen bekannt signifikant höher. Daneben gibt es rund 400 ha vom wichtigen Zweitwein Rosso di Montepulciano und ca. 300 ha Rebfläche die für den Chianti DOCG bzw. Colli Senesi vorgesehen ist. 
Knapp 80 Weingüter sind es, von den 260 im Kataster geführten Weinbergsbesitzern liefern etwa 150 bei der großen Genossenschaft Vecchia Cantina ihre Trauben ab. In den Weinbergen lässt sich der Klon Prugnolo kaum vom Aussehen der Sangiovese-Klone unterscheiden, weshalb hier eine neue Definition der Rebsortenbezeichnung wohl im  Werden ist. Sehr verbreitet ist in den Weinbergen mittlerweile der Sangiovese, das gilt insbesondere für die neuen Weinberge der letzten 20 Jahre, rund 50% wurden in dieser Zeit erneuert. In den Jahren von 1985-2000 wurden nach Aussage von Paolo Solini, dem Direktor des Konsortiums, knapp 30% der Weinberge ausgetauscht. Nun sind also die Hausaufgaben sind also gemacht, um mit den Weinen jetzt und zukünftig zu glänzen.

Das Nobile-Klima wird mitbeeinflusst vom nur 20 km entfernten Trasimeno See (dagegen hat das 90 km entfernte Meer keinen Einfluss auf die Weinberge von Montepulciano), und variiert natürlich von einer zur anderen Ecke bzw. Himmelsrichtung. Im Südosten Richtung Cortona fällt allgemein mehr Regen übers Jahr, und im Sommer kann es überall schon mal heftig regen, wenn sich die Umgebung durch die Sonneneinstrahlung aufgeheizt hat. Kühlere Nordostwinde moderieren das Klima im September und Oktober. Alessandro Masnaghetti hat die einzelnen Hügel des Anbaugebietes in seiner bewährten Art der Karten von Enogea aufgedröselt und übersichtlich dargestellt, eine Adobe-Datei finden sie am Ende dieses Artikels.

Wichtiger und vor allem geschmacksprägender als Regenfälle und Spitzentemperaturen sind die Bodenzusammensetzungen. Diejenigen Nobile von den sandigeren Böden sind duftig elegant mit Kirsche und Veilchen, frisch und nicht sehr gerbstoffbetont. Diejenigen Nobile von den lehmhaltigen Böden zeigen dunklere Aromen von Waldboden, Gewürzen, Tabak bei einem kräftigen Körper und robuste Struktur.

Und dann gibt es natürlich noch den Faktor Zeit und Alterungspotenzial, wie es die Engländer so trefflich formulieren können:
 “At its first stages Nobile is a vibrant fresh glass and an ideal “food partner”. A young Nobile shows lighter red ruby colors and is a gorgeous basket of red fruit, rather small ones like dark cherry, blackberry, ripe strawberry, but also black plum, which often come with hints of earthiness too. Its elegant medium body develops its power throughout the mouth with its gentle tannins. Nobile’s fascinating balance sees it grow steady over decades, preserving an impressively compact mouth and a distinguishable fruit profile. Its bright color over time tends to a maroon-red and its aromatics become evolved, evoking tobacco, leather and minerality.”

Da gibt es nichts zu übersetzen oder hinzuzufügen, denn das Probieren der „sfumature“ des Nobile führt jeden früher oder später zu seinem Lieblings-Nobile oder gar zu der Erkenntnis, dass es nebeneinander verschiedene, sehr spannende Interpretationen eines Terroirs gibt, die für sich sprechen, wenn man die Ohren gespitzt und die Vorurteile von der Zunge geputzt hat. LESEN BILDET!

Fotoserie oben: Eindrücke und Etiketten von der Anteprima Vino Nobile im Februar in der Fortezza in Montepulciano. Foto unten: Karte des Anbaugebietes von Alessandro Masnaghetti.