Brunello aus Montalcino, Toskana - Italiens berühmtester Rotwein

Die Anfänge des Weines aus 100% Sangiovese (Brunello)

Brunello di Montalcino zählt zu den edelsten Tropfen Italiens, obwohl er auf keine jahrhundertelange Familiengeschichte zurückblickt. Vor nicht viel mehr als vierzig Jahren waren die tanninstarren Bauernweine der Toskana kaum einfacher Landadel. Erst ausgeklügelte Herstellungstechnik küsste den schlafenden Märchenprinzen wach. Heute reservieren die Weinfreaks auf der Welt dem König der italienischen Rotweine einen Ehrenplatz in ihren Kellern - nicht zu letzt Dank der Familie Biondi-Santi, die den Stein erst so richtig zum Rollen brachte. Wie bei vielen weltbekannten Namen gibt es auch bei Brunello di Montalcino den Ort, der dazugehört. Auf einem Felsvorsprung gut 100 Kilometer südlich von Florenz versteckt sich das toskanische Städtchen Montalcino hinter dicken Bruchsteinmauern vor der Welt. Steile, leicht verschlafene Gassen zirkeln sich zwischen den geduckten Häuschen hindurch. Manchmal liest man über solche Orte, dass hier die Zeit stehen geblieben sei. Doch über das alte Pflaster von Montalcino schlurfen nur zu oft Flipflops amerikanischer Touristen. 

1888 - Wo alles begann...

Nicht wenige dieser Fremden führt der Weg irgendwann in die Fiaschetteria Italiana. Seit 1888 hat die Bar an der Piazza del Popolo, was eine italienische Bar braucht: hölzerne Theke, Messingarmaturen und Fliesenboden, der in Ehren verwittert. Toskanische Originale sucht man allerdings vergebens. Die meisten Einheimischen haben den Touristen das Feld überlassen. In den fünfziger Jahren fanden sich hier im Regal – zwischen Vermouth und Marsala – die ersten Flaschen Brunello der Familie Biondi-Santi. Es gehörte Mut dazu, den bis dahin kaum bekannten Wein unter einem eigenen Etikett abzufüllen. Zu der Zeit baute gerade mal eine Handvoll Bauern den Wein an. Und wer einen Pferdekarren für die Fässer hatte, konnte von einem effizienten Absatzkanal sprechen. An weltweiten Ruhm dachten die Weinbauern aus dem Ort nicht im Traum. Dennoch könnte man hier die eigentliche Geburt des Brunello di Montalcino sehen.

Geboren im großen Eichenholzfass

Denn im 19. Jahrhundert, als der Brunello zum ersten Mal historisch greifbar wurde, war er eher eine Kopfgeburt. Der gelernte Apotheker Clemente Santi hatte auf seinem Weingut Il Greppo das Zusammenspiel von Rebsorte und Boden beobachtet und immer wieder geeignete Stöcke selektiert. Seine Erkenntnisse scheint er für Jahrzehnte als Betriebsgeheimnis gehütet zu haben, während sich vor den Mauern seines Guts der italienische Staat formte. Im risorgimento, einer Reihe von Revolutionen und Unabhängigkeitskriegen, diente auch sein Enkel Feruccio. Zurückgekehrt vom Fronteinsatz machte er im Jahr 1888 einen Wein rein aus Sangiovese-Trauben, die hier seit Jahrhunderten Brunello heißen, und ließ ihn in großen Eichenfässern reifen. So entstand ein starker und samtiger Roter, der der Familie auf lange Zeit einen önologischen Wissensvorsprung bescherte. Schon in den zwanziger Jahren kauften Amerikaner trotz Prohibition die Weine, von denen es in über 50 Jahren nur vier abgefüllte Jahrgänge gab. Stoff, aus dem Wein-Mythen geboren werden: Brunellos von 1888, 1891, 1925 und 1945 werden längst zu Fantasiepreisen gehandelt.