Die Aromen des Sangiovese in Montalcino

Woran erkenne ich einen Brunello im Geschmack, was unterscheidet ihn von anderen, zb dem Chianti Classico?

Foto oben: Galestro-Tonschieferboden im Südwesten bei Castelnuovo d'Abate
Foto unten: Sangiovese-Trauben vor der Ernte im September

Farbe, Duft, Geschmack, Haptik, Wohlgefühl, Herz - alle unsere Sinne werden angesprochen, um die ganze Komplexität eines Brunellos zu erfassen. Charakteristisch sind seine intensive und klare, rubinrote, zum Granatrot neigende Farbe, gepaart mit einem Duft von süßen und würzigen Aromen, die teils vom Fassausbau stammen, mit erdigen Noten von Unterholz und roten bzw. dunklen Beeren.

Geschmacksprofil Brunello

Im Gegensatz zum Chianti Classico mit seinem Kirscharomen und Veilchenduft vereint der Brunello ein breiteres Fruchtspektrum, eine dem Sangiovese eigene florale Komponente und eine herb-kräutrig, ja fast etherische Ader. Seine Komplexität ist nach Steffen Maus auf drei anstatt zwei Säulen gebaut und seine Gerbstoffe sind in der Regel vielschichtiger und mächtiger als beim Chianti Classico. Das wärmere Klima in Montalcino ist schmeckbar. Bei den Gerbstoffen ist das Mundgefühl oder die Haptik entscheidend für die Beurteilung der Qualität und nach dem Schlucken entscheidet dann das Wohlgefühl im Bauch über die letztendliche Qualität des Weines.
Der Geschmack transportiert all dies und ist elegant und harmonisch. Eleganz und Finesse sind ohnehin die Stärken der Sorte Sangiovese in der Toskana. Man muss nicht explizit erwähnen, dass das Erreichen dieser Merkmale viel Wissen um die Eigenheiten der Sorte im Weinberg und Fingerspitzengefühl beim Ausbau im Keller voraussetzt. Dieses Verständnis ist bei den Winzern in den letzten dreißig Jahren stark gewachsen. Und junge Winzer profitieren vom Wissen erfahrener Weinberater.

Für Steffen Maus ist es die bezaubernde Kirschen- und Veilchenfrucht eines Sangiovese gepaart mit einer ätherischen/kräutrigen Komponente, die an ein markantes Gerbstoffgerüst gebunden ist. Die wirklich guten Weine zeigen ihre Kraft erst nach 30 Minuten bis zu Stunden im Glas und erreichen ihre Trinkreife nach 10 bis 15 Jahren, d.h. weitere 5 Jahre nach dem offiziellen Verkaufsstart des Jahrgangs. Vielleicht ist es die geografische Lage weit weg von überfüllten Verbindungsstraßen oder die intakte wildwüchsige Landschaft: Im Gebiet von Montalcino existiert eine rare, fast magische Beziehung der Menschen zur Natur.  Schon in früheren Jahrhunderten geschätzt, ist die Weinproduktion den bewährten Richtlinien der toskanischen Tradition treu geblieben. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten „Experimente“ zur Valorisierung und Entfaltung eines Produkts und seiner Umgebung.
So entstand der Brunello, der noch heute das Ergebnis eines unbeirrbaren Engagements ist, und der in den Jahren des Ausbaus liebevoll im Keller gehütet wird, bis er sich der Welt zeigen kann. Und die Welt jubelt. Vor allem in den USA ist Ende der Neunziger Jahre die Begeisterung in ungeahnte Höhen gestiegen, hat bei vielen Weintrinkern sogar die Begeisterung für den Barolo als historischen Rotwein mit Lagerpotenzial übertroffen.
Er wird zu einem überwältigend komplexen Wein mit einem Aromenspektrum von Rosenblättern und Lakritz, Teer und tiefer Frucht wie Himbeeren und Preiselbeeren. Trotz der aromatischen Wucht behält er seine Finesse, trotz enormer Länge wirkt er nicht erschlagend. Kein anderer Wein der Welt ist mit ihm vergleichbar.

Das Fasslager hat maßgeblichen Anteil daran

Ursprünglich waren es vier Jahre in slowenischen Eichenfässern, die mit ihren mittelgroßen Poren gerade so viel Sauerstoff eintreten ließen, dass sich die Gerbstoffe verbinden konnten. Heute sind es noch zwei. Mit den vielen Neu- und Quereinsteigern in Montalcino fächerten sich auch die Ausbaustile auf. Manche Winzer, viele Händler und noch mehr deren Kunden verlangen schnell trinkbare Weine. Neue Holzfässer, an denen man in den achtziger Jahren kaum vorbeikam, gibt es ebenso wie den Ausbau in großen alten Fässern, die kaum oxidativen Einfluss zulassen und bei den Traditionalisten lange als die reine Lehre galten. Heute ist der unreflektierte Barrique-Boom des späten 20. Jahrhunderts vorbei. Primär von Holz geprägte Weine schmecken einheitlich, sind durch den Lufteinfluss während der Reife schlecht haltbar und längst nicht mehr gefragt. Doch auch die Konservativen mussten einiges aufgeben. Grundsätzlich tut dem Brunello eine lange Zeit in einem Fass gut, das wenig Luft durchlässt. Ein Touch Eiche kann die Weine aber hier und da aufwerten. Könner spielen mit den Eichenaromen, ohne die Brunello-Frucht zu erschlagen. Viele Winzer haben im Zuge der Rebflächen-Erweiterung Weinberge sowohl im Norden wie im Süden oder Südosten und mischen Weine verschiedener Typen gekonnt. Neue, streng auf Qualität angelegte Weinberge und die wissbegierigen Winzer, die den Wein immer besser kennen lernen, sind Garanten dafür, dass das Reich dieses königlichen Weins erst noch kommt – aber doch von dieser Welt sein wird. Der göttliche Brunello wird in den nächsten Jahren einen beachtlichen Qualitätssprung machen.